Hamburger Morgenpost

Rückgabe nach 80 Jahren: Wenn dieses Armband sprechen könnte

BRAKE Familie erhält Schmuckstü­ck eines Vorfahren zurück. Acht Angehörige starben in Auschwitz

- OLAF WUNDER olaf.wunder@mopo.de

Es ist gar nicht so leicht, sich in diese Situation hineinzuve­rsetzen. Stellen Sie sich vor: Bei Ihnen klingelt das Telefon und Sie erhalten die Mitteilung, dass vor 80 Jahren acht Ihrer Vorfahren in Auschwitz ermordet wurden – davon wussten Sie nichts, hatten nicht einmal eine Ahnung. Und dann wird Ihnen auch noch ein rmem band überreicht, das e Ihrer Vorfahren geh te. Gar nicht so einfach zu verkraften, oder?

Genau so ist es jetzt der Familie Franz aus Brake in NiePünktEu­ropäiHoloc­aust-Gedenktag dersachsen ergangen. lich zum gestrigen schen der Sinti und Roma erhielten sie Besuch von Vertretern der Arolsen Archives aus Bad Arolsen. Das ist das weltgrößte Archiv zu den Verbrechen der Nationalso­Dingen, zialisten. Unter den die dort aufbewahrt werden gehören persönlich­e Gegen stände, die KZ-Insassen b ihrer Inhaftieru­ng abgebe mussten – und meist nic zurückerhi­elten: Uhren, Ehe ringe, Kämme, Familienf tos. Und manchmal eben auch Armbänder.

Seit geraumer Zeit versuchen die Arolsen Archives, die wahren Eigentümer ausfindig zu machen – in der Regel die Nachfahren. Gar kein leichtes Unterfange­n nach so langer Zeit. Aber bei diesem goldfarben­en Armband aus Metall – Materialwe­rt gleich null, der ideelle Wert dagegen unschätzba­r – wurden sie fü

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„Es ist und rend, in der zu halt das meinem Uropa etwas bedeutet hat und das er schon vor der Zeit im KZ besaß“, sagte Thomas Franz, der Urenkel. Er sei sehr überrascht, dass ein persönlich­er Gegenstand von seiner Familie aus der Zeit vor der Verfolgung noch erhalten ist. „Wir haben sonst nichts. Die Nazis haben meiner Familie alles genommen.“

Das Armband gehörte - ßischen Bromberg geborenen Johann Franz, der 1941 nach Auschwitz deportiert wurde. 20 338 – das war die Häftlingsn­ummer, die ihm in den Arm tätowiert wurde. Im März 1943 wurde er zur Zwangsarbe­it in das KZ Neuengamme nach Hamburg gebracht. Die SS in Auschwitz schickte bei diesem Transport die persönlich­en Gegenständ­e als sogenannte „Effekten“mit. Nach der Befreiung des KZ Neuengamme durch die britische Armee wurden die Besitztüme­r chergestel­lt und gelangten ahrzehnte später in die en Archives. nn Franz’ Frau Ida n Kinder des Schauamen im April 1944 chwitz. Die Mutter eben der Kinder dort ums Ler Johann lbst, sein skar und seine er, übern den Na

tionalsozi­alismus. Sie ließen sich nach ihrer Befreiung in Brake bei Bremen nieder und kämpften nach dem Krieg lange vergebens um Entschädig­ung. Wann Johann Franz starb, ist nicht bekannt.

Sohn Oskar lebte noch bis 2016. Er hat fast nichts über die NS-Zeit erzählt, wollte seine Kinder nicht mit diesen Geschichte­n belasten. Die Familie wusste zwar, dass Oskar als Kind in Auschwitz war. Aber von seiner ermordeten Mutter und den sieben ermordeten Geschwiste­rn habe er nie gesprochen.

Deshalb war es für die Nachfahren ein großer Schock, die Namen der toten

Familienmi­tglieder im Gefangenen-Hauptbuch des „Zigeunerla­gers“von Auschwitz zu sehen. Eine Kopie davon hatten die Vertreter aus Arolsen dabei. Familie Franz war tief bewegt. Nun das Armband des Uropas zurückzuer­halten, da schließe sich ein Kreis, „von dem wir nicht mal wussten, dass es ihn überhaupt gibt“, sagte Joachim Franz. „Wenn dieses Armband sprechen könnte, es hätte uns viel zu erzählen.“Auch für die Arolsen Archives war die Übergabe etwas ganz Außergewöh­nliches. „Wir haben kaum Gegenständ­e von verfolgten Sinti und Roma in unserem Archiv“, sagte Floriane

Azoulay, Direktorin des Archivs. Der Grund: „Sie wurden in aller Regel in die Vernichtun­gslager im besetzten Polen und in Belarus deportiert, in den meisten Fällen dort ermordet und ihr Besitz verwertet.“

Die Nationalso­zialisten töteten während des Krieges mehr als 500.000 Sinti und Roma aus ganz Europa. Die junge Bundesrepu­blik weigerte sich viele Jahrzehnte lang, verfolgte Sinti und Roma als Opfer des Nationalso­zialismus anzuerkenn­en und Entschädig­ungszahlun­gen zu leisten. Erst im März 1982 änderte die Bundesregi­erung ihre Haltung – nach massivem öffentlich­em Druck.

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 ?? ?? Charlotte Großmann von den Arolsen Archives (l., stehend) mit Familie Franz bei der Übergabe des Armbandes. Joachim Franz (v. l.) zusammen mit seinem Sohn Thomas und dessen Frau Yvonne
Charlotte Großmann von den Arolsen Archives (l., stehend) mit Familie Franz bei der Übergabe des Armbandes. Joachim Franz (v. l.) zusammen mit seinem Sohn Thomas und dessen Frau Yvonne
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Nach 80 Jahren zurück in der Familie: Das Armband hatte die SS Urgroßvate­r Johann Franz 1941 bei seiner Inhaftieru­ng in Auschwitz abgenommen.
Der 2016 verstorben­e Oskar Franz, der wie sein Vater Johann die NS-Zeit überlebte. Unten das Vernichtun­gslager Auschwitz Nach 80 Jahren zurück in der Familie: Das Armband hatte die SS Urgroßvate­r Johann Franz 1941 bei seiner Inhaftieru­ng in Auschwitz abgenommen.

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