Cannabis-Legalisierung droht zu scheitern
DROGENPOLITIK Rechtliche Probleme größer als gedacht. Neues Gesetz kommt frühestens 2024
BERLIN – Es war nicht das wichtigste Versprechen der Ampel-Koalition. Aber es zog wohl die meiste Aufmerksamkeit auf sich: die Legalisierung von Cannabis. Doch nun steht das Projekt auf der Kippe. Verzögern wird es sich auf jeden Fall.
„Wann Bubatz legal?“, werde er immer wieder gefragt, schrieb FDP-Chef Christian Lindner kürzlich etwas kryptisch auf Twitter. „Bubatz“kommt von „Babak“oder „Bobaz“, beides beschreibt einen Joint. Justizminister Marco Buschmann (FDP) gab eine Antwort: „Es ist realistisch möglich, das entsprechende Gesetz bis Frühjahr 2023 umzusetzen.“
Doch diese Ankündigung lässt sich so offenbar nicht halten. Denn vor allem völkerund europarechtliche Fragen bilden hohe Hürden. Wie aus einer Antwort des Gesundheitsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Unions-Fraktion hervorgeht, beißt sich eine extra eingesetzte Arbeitsgruppe rechtlich bisher die Zähne an diversen Abkommen aus. Darunter das so genannte Einheits-Übereinkommen über Suchtstoffe von 1961, das die Verfolgung von Drogenkonsum vorschreibt. Gleiches gilt für das Schengener Abkommen in Europa.
„Ich will nicht verneinen, dass bestimmte Fragen auch tatsächlich für uns noch nicht ganz klar in der Einschätzung sind“, sagt der Drogenbeauftragte Burkhard Blienert (SPD) dazu. Wie das Problem mit der EU gelöst werden könnte, ließ er offen. Andere Länder wie die Niederlande haben – anders als in Deutschland geplant – die Joints nur teilweise legalisiert. Kanada hat Cannabis völlig legalisiert – dort hatte man sich entschlossen, die internationalen Abkommen einfach zu ignorieren. Bisher ohne Folgen.
Dochesgibtnochweitere Probleme, die nicht gelöst sind. Wie wird der Jugendschutz geregelt? Welche Regelungen gelten für den Straßenverkehr? Soll ein Höchstgehalt für den psychoaktiven und derzeit verbotenen Stoff THC festgelegt werden? Anhörungen hat es dazu bereits gegeben. Doch noch immer gibt es keinen Gesetzentwurf. Und selbst wenn es ihn demnächst geben sollte – neben dem federführenden Justizministerium muss noch das Gesundheits-, das Finanz-, das Innen-, das Wirtschaftsministerium sowie möglicherweise das Auswärtige Amt sein Okay geben. Diese Abstimmung würde Monate dauern. Carmen Wegge, zuständige Berichterstatterin der SPD im Innenausschuss, geht davon aus, dass eine Legalisierung frühestens 2024 kommt. Sie hofft auf eine Zwischenlösung: „Vielleicht können wir im nächsten Jahr noch keinen legalen Joint rauchen, aber zumindest einen entkriminalisierten.“Die Union, die eine Freigabe von Hanf entschieden ablehnt, streut bereits Salz in die Ampel-Wunde: „Die Cannabislegalisierung ist im Begriff zu scheitern, bevor sie überhaupt begonnen hat“, sagte der Bundestagsabgeordnete Stephan Pilsinger (CSU) dem RND. „Wenn wir erwarten, dass sich andere Staaten an völker- und europarechtliche Vereinbarungen halten, zum Beispiel die Südeuropäer bei den Staatsfinanzen, muss Deutschland das beim Drogenrecht genauso tun.“An der Union könnte die Legalisierung auch noch scheitern. Denn ein entsprechendes Gesetzespaket müsste auch mit Mehrheit durch den Bundesrat gehen. In der Länderkammer haben die Ampelparteien aber keine Mehrheit. Und so müssten Länder wie NRW oder Baden-Württemberg zustimmen, in denen die CDU zusammen mit den Grünen regiert. Immerhin: Im Koalitionsvertrag in NordrheinWestfalen heißt es, CDU und Grüne werden das Thema „ergebnisoffen“diskutieren.
Die Legalisierung ist im Begriff zu scheitern, bevor sie überhaupt begonnen hat.
Stephan Pilsinger (CSU)