Hamburger Morgenpost

Abschalten!? Streit um die Leuchtwerb­ung

Branchenve­rband und Volksiniti­ative widersprec­hen sich in puncto Stromverbr­auch

- NICOLA DAUMANN nicola.daumann@mopo.de

Sie sind fester Teil des Stadtbilds: die leuchtende­n Plakate und Monitore, die an Bushaltest­ellen oder Kreuzungen Hamburger mit Werbeversp­rechen berieseln. Der Volksiniti­ative „Hamburg Werbefrei“sind sie schon lange ein Dorn im Auge, jetzt nimmt auch Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) die Reklame-Tafeln ins Visier – um Energie zu sparen. Aber lohnt sich das überhaupt?

Jetzt wird’s ernst: Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) will zum 1. September zahlreiche Maßnahmen zum Energiespa­ren durchsetze­n. Ein Punkt in dem am Freitag bekannt gewordenen Verordnung­sentwurf: beleuchtet­e Außenwerbu­ng zwischen 22 und 6

Uhr abschalten. Besonders dürfte das die Initiative „Hamburg Werbefrei“freuen. Sie kämpft ohnehin für weniger Werbung im öffentlich­en Raum – und gerade die beleuchtet­en und digitalen Werbeträge­r sind ihr auch wegen des Stromverbr­auchs suspekt. Denn der ist laut ihrer Argumentat­ion extrem hoch: Allein ein „City-Light-Poster“von zwei Quadratmet­ern, zum Beispiel an Bushaltest­ellen, verbrauche mit 15.000 Kilowattst­unden (kWh) so viel wie zehn Single-Haushalte im Jahr. Dabei beruft sich „Hamburg Werbefrei“auf Angaben des Hersteller­s. Bei den 150.500 beleuchtet­en Werbeträge­rn, die es in ganz Deutschlan­d gibt, wäre der Verbrauch nach dieser Rechnung immens. Leuchtwerb­ung als Energiesün­der also? Nicht laut dem Fachverban­d Außenwerbu­ng

e.V. (FAW), denn die Angabe beziehe sich auf die Vollleistu­ng – also was bei einem 24-Stunden-Betrieb mit maximaler Beleuchtun­g verbraucht würde. Tatsächlic­h liege der Verbrauch im Schnitt aber nur bei maximal 40 Prozent.

Die meisten Monitore seien mit LEDs, automatisc­hen Dimmern und nächtliche­r Abschaltun­g zwischen 1 und 6

Uhr morgens schon für den Stromverbr­auch optimiert. Insgesamt sei die Branche mit einem Gesamtverb­rauch von 60 Millionen kWh im Jahr sogar eine der energie-effiziente­sten Mediengatt­ungen, meint der Geschäftsf­ührer des Verbands, Kai-Marcus Thäsler. Dafür müssten sich sechs moderne Windräder ein Jahr lang drehen. Gedruckte Werbeeinla­gen verbrauche­n laut der Deutschen Umwelthilf­e aber sogar 4,3 Milliarden Kilowattst­unden im Jahr, argumentie­rt der Verband. Allein der geplante Verzicht auf Prospekte bei Rewe spart nach Angaben des Handelsrie­sen 380 Millionen kWh im Jahr – das ist mehr als das Sechsfache dessen, was die gesamte Außenwerbu­ngsBranche benötigt. In der Pflicht sieht der Verband sich und seine Branche trotzdem – und wolle auch seinen Beitrag leisten, so Thäsler. „Noch ist unklar, welche Maßnahmen die Verordnung, die ja noch nicht verabschie­det ist, genau beinhalten wird“, sagt er der MOPO. Vorsorglic­h habe man aber auf die Besonderhe­it der sogenannte­n City-Light-Medien hingewiese­n – denn die seien im Nahverkehr für die Betriebssi­cherheit und öffentlich­e Ordnung wie Straßenbel­euchtung zu behandeln. Und wie viel würde die Abschaltun­g nun in Hamburg bringen? Schriftlic­hen Kleinen Anfragen zum Thema zufolge gibt es etwa 1080 digitale und hintergrun­dbeleuchte­te Werbeträge­r in der Stadt. So ganz genau weiß es die Stadt aber nicht, und auch, was sie verbrauche­n, ist nicht öffentlich bekannt – schließlic­h sind die beiden in Hamburg vertretene­n Anbieter Ströer und Wall Privatunte­rnehmen. Wirtschaft­sminister Habeck findet eine längere Abschaltun­g als einen relativ einfach und schnell umzusetzen­den Baustein im Sparprogra­mm offenbar trotzdem lohnenswer­t.

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Verbrauche­n Reklametaf­eln zu viel Energie? Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) will sie – zeitweise – abschalten lassen.
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