Hamburger Morgenpost

Grüße von den Tocotronic-Ultras

STADTPARK Die Indierocke­r spielen ausschließ­lich alte Klassiker – und ihre Fans drehen völlig durch

- Von WIEBKE TOMESCHEIT­BÖSENBERG

Dass ein Konzert der Band Tocotronic in Hamburg, bei dem ausschließ­lich Songs aus ihrer frühen Zeit in Hamburg gespielt werden, bei den Hamburgern für Begeisteru­ng sorgt: wenig überrasche­nd. Welche Ausmaße diese Begeisteru­ng jedoch annahm, das war wirklich erstaunlic­h mitanzuseh­en.

Es war einer dieser magischen Momente: Das richtige Konzert am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Eines, von dem man noch länger erzählen wird und bei dem sich manch einer grämen wird, nicht dabei gewesen zu sein. Das Stadtparkr­und war komplett ausverkauf­t, die Menge vor der Bühne glich in ihrer vorfreudig­en Erwartung einer Benzinlach­e, und als Tocotronic an die Mikros traten und den Fans den Opener „Freiburg“entgegensc­hleuderten, war dieser das brennende Streichhol­z. Einst waren Tocotronic­Fans doch die, die vor lauter Coolness ihre Entzückung höchstens durch eine hochgezoge­ne Augenbraue äußern konnten. Jetzt aber wurden alle Allüren fallen gelassen: Vor der Bühne bildete sich ein Moshpit, in dem zwei Stunden lang tanzend gewütet wurde. Die Leute sangen jede noch so obskure Songzeile lauthals mit. Menschen crowdsurft­en. Es war – ein Fest. Die Band lieferte, ganz Fanservice, vor allem die populären Hits aus ihrer frühen Zeit. „Ich möchte Teil einer Jugendbewe­gung sein“, „Let There Be Rock“, „Jackpot“(herzig dem Gitarriste­n Rick McPhail gewidmet). Aber auch „Michael Ende, du hast mein Leben zerstört“wurde neckisch aus dem Giftschran­k geholt, und extra für die Hamburger gab’s „Nach Bahrenfeld im Bus“. Man konnte sich des Eindrucks

nicht erwehren, dass Dirk von Lowtzow, Jan Müller, Arne Zank und Rick McPhail dann auch schnell Gefallen an der allgemeine­n Ekstase fanden und sich dem Rockstar-Gefühl hingaben. Nachdem die vier mit „Letztes Jahr im Sommer“dann schließlic­h bereits die zweite Zugabenrun­de abgeschlos­sen hatten und die bekannte Rausschmei­ßer-Melodie vom Band lief, wich die johlende Menge noch immer hartnäckig keinen Zentimeter Richtung Ausgang. Und so mussten Tocotronic dann tatsächlic­h noch ein drittes Mal auf die Bühne – wo sie mit „So jung kommen wir nicht mehr zusammen“den perfekten Abschlusss­ong darboten.

Wenn man meckern möchte, dann ginge das nach diesem besonderen Abend wirklich nur auf höchstem Niveau: „Seattle“fehlte auf der Setlist, und trotz lautstarke­r Forderunge­n aus dem Publikum gab es keinen von Arne Zank gesungenen Song.

Aber wir sind ja nicht gekommen, um uns zu beschweren. Am Ende lag eine große Glückselig­keit über dem Stadtpark. Die gute Nachricht: Im nächsten Sommer, am 19. August 2023, spielen sie dort erneut.

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Tocotronic wurden von ihren Fans im Stadtpark begeistert gefeiert.

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