Historisches Wahl-Debakel in Berlin
Nach Chaos und Pannen: Gericht entscheidet, dass die Bürger neu abstimmen müssen
Polit-Hammer an der Spree! Die Pannenwahl zum Berliner Abgeordnetenhaus muss komplett wiederholt werden. Das Berliner Verfassungsgericht verkündete gestern: Die Abstimmung vomSeptember2021seiungültig. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass die Wahl eines Landesparlaments komplett wiederholt werden muss. Zur Begründung verwies Gerichtspräsidentin Ludgera Selting auf „schwere systemische Mängel“schon bei der Vorbereitung der Wahl sowie eine „Vielzahl schwerer Wahlfehler“. Diese seien mandatsrelevant gewesen – haben sich also auf die Zusammensetzung des Parlamentsausgewirkt.AlsBeispiele für Wahlfehler nannte sie falsche, fehlende oder eilig kopierte Stimmzettel, zu wenige Wahlurnen, die zeitweise Schließung von Wahllokalen sowie lange Schlangen davor mit Wartezeiten von mitunter mehreren Stunden. In einem Teil der 2256 Wahllokale stimmten Wähler:innen noch nach 18 Uhrab. Rückblick: Am Tag der Wahl hatten neben der Berlin-Wahl auch die Bundestagswahl sowie ein Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne stattgefunden. Nebenher lief noch der Berlin-Marathon. Folge: komplettes Organisationschaos. Beim Berliner Verfassungsgerichtshof sind diverse Einsprüche gegen die Wertung der Wahl eingegangen.
Eine Wahlwiederholung muss nun binnen 90 Tagen erfolgen. Und: Wegen der Wahlpannen muss in 327 von 2256 Berliner Wahlbezirken sowie gut 100 Briefwahlbezirken eventuell auch die Bundestagswahl wiederholt werden. Das hat vergangene Woche der Bundestag entschieden – womöglich muss noch das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Als wahrscheinlicher Termin gilt nach bisheriger Einschätzung der 12. Februar. Das soll dann besser laufen: Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus sollen mindestens 4000 mehr Wahlhelfer:innen zum Einsatz kommen. Sie sollen besser geschult werden und eine deutlich höhere Entschädigung erhalten. In Wahllokalen wird zudem für mehr Wahlurnen gesorgt. Wenn die Karten im Februar neu gemischt werden, ist nicht sicher, ob Franziska Giffey (SPD) Bürgermeisterin bleibt: Sie muss sich gegen die jetzige grüne Umweltsenatorin Bettina Jarasch und Kai Wegner von der CDU behaupten. Bei der letzten Sonntagsfrage für Berlin, wer aktuell ins Abgeordnetenhaus gewählt werden würde, lagen die Grünen bei 22, die CDU bei 21 und die SPD bei 17 Prozent.