Der große Hähnchen-Schwindel
24 Razzien in ganz Deutschland. Schlachtereien im Süden im Fokus der Ermittlungen
ROTTAL/ERTINGEN – Standardware statt Bio? Zwei Geflügelschlachtbetriebe in Süddeutschland sollen Etikettenschwindel in großem Stil betrieben haben – und günstiges Fleisch als hochwertige Bio-Qualität gekennzeichnet haben. Nach groß angelegten Razzien laufen die Ermittlungen – offenbar sollen auch Oktoberfest-Hähnchen betroffen sein.
Insgesamt 24 Razzien gab es gestern bundesweit, unter anderem in Niedersachsen, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Allesamt in Unternehmen, die am mutmaßlichen EtikettenSchwindel von zwei Geflügelschlachtbetrieben aus Bayern und Baden-Württemberg beteiligt gewesen sein sollen. Eine anonyme Quelle hatte den Hinweis gegeben. Insgesamt 150 Einsatzkräfte waren laut Bayerischem Rundfunk beteiligt und sollen Unterlagen beschlagnahmt haben. Der Vorwurf: Bereits seit 2018 soll konventionelles Hühnchenfleisch zu BioWare umetikettiert worden sein – so konnten die Unternehmen höhere Preise verlangen. Standardware wurde offenbar zu Unrecht mit den Gütesiegeln „Bio“, „Naturland“und „Geprüfte Qualität Bayern“versehen. Zudem sei aufgetautes Fleisch als frisches verkauft und teils erst nach tagelanger unsachgemäßer Lagerung weiterverarbeitet worden. Konkret ermittelt wird nun gegen drei Männer und zwei Frauen. Doch wohin wurden die mutmaßlich nicht aus Bioaufzucht stammenden Hühner verkauft? Laut der ermittelnden Staatsanwaltschaft Landshut ist dies nun Gegenstand der Ermittlungen. Auf seiner Homepage wirbt zumindest eines der Unternehmen damit, „Metzgereien, Hotels, Restaurants und Großhändler“in ganz Süd- und Westbayern sowie Baden-Württemberg zu beliefern – auch „Festzelte wie auf dem Augsburger Plärrer“. Wie die „Bild“berichtet, soll Ware einer der beiden Firmen auch auf dem Münchener Oktoberfest verkauft worden sein, unter anderm auch an PromiWirt Michael Käfer. WiesnChef Clemens Baumgärtner sagte, man werde „die Sache genau untersuchen“. Beide Geflügelschlachtbetriebe wiesen die Vorwürfe „vollumfänglich und mit Nachdruck“zurück. Die Qualität der Produkte
Ein Vorwurf: Aufgetautes Fleisch sei als frisches verkauft und nach unsachgemäßer Lagerung verarbeitet worden.
sei zertifiziert und werde ständig überprüft. Man produziere tierschutzgerechtes, regionales und nachhaltiges Geflügelfleisch, so die Oberschwäbische Geflügel GmbH aus Baden-Württemberg. Man wolle die Vorwürfe nun gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft „zeitnah und vollumfänglich aufarbeiten und aus der Welt räumen“. Georg Heitlinger, agrarpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im baden-württembergischen Landtag, sagte gegenüber dem Südwestrundfunk, es würde sich um Betrug im großen Stil handeln – sollte sich der Verdacht bewahrheiten. Er warf der grün-schwarzen Landesregierung vor, den Verbraucherschutz zu vernachlässigen.