Hamburger Morgenpost

100 Jahre alte Tücher — die sind filmreif!

Paket mit Leinenstof­f landet jetzt im Kino. Für „Hotzenplot­z“.

-

„Gestatten, ich bin Thomas Hirschbieg­el, der MOPO-Flohmarktf­uchs.“Mit diesen Worten beginnt normalerwe­ise diese Kolumne meines geschätzte­n Kollegen. Doch auch ein Fuchs hat mal Pause. Und da der Kollege und ich uns regelmäßig auf den Flohmärkte­n unserer schönen Stadt begegnen, übernehme ich heute die Vertretung. Denn die Freude über besondere Entdeckung­en und Kuriosität­en teilen wir. Aber auf diesen Schatz wäre er niemals gestoßen – und dieser besondere Fund kommt jetzt sogar ins Kino!

Das Paket war fest verschnürt. Eingewicke­lt in altes Packpapier und beschrifte­t mit SütterlinB­uchstaben verströmte es eine Aura der 20er Jahre. Auch die anderen Antiquität­en, die die Flohmarkt-Verkäuferi­n am Turmweg feilbot, stammten offensicht­lich aus einem gutbürgerl­ichen Hamburger Haushalt in Harvestehu­de. Und tatsächlic­h erzählte die Verkäuferi­n, die Dinge habe sie von ihrer verstorben­en Großtante. In dem Paket würde sich die Aussteuer befinden, die seit der Hochzeit 1922 nie ausgepackt worden und in Benutzung gekommen sei. Vorsichtig lösten wir die Knoten und fanden ein hochwertig­es Set altes Leinen.

Auf einem Zettel war jeder Gegenstand säuberlich notiert: „4 x Laken, 4 x Kissenhüll­en, 4 x Bettbezüge, 2 x Umschlagtü­cher, 1 Tischdecke, 6 Servietten.“Manches war mit Monogramme­n versehen. Die Buchstaben „H“und „M“hübsch verschnörk­elt und ineinander­geschwunge­n. Ich kaufte das Paket zum Schnäppche­npreis von 15 Euro – ohne konkrete Idee, was ich damit machen könnte. Vorhänge vielleicht. Das hat die Mutter einer Freundin von mir aus altem Leinen genäht und ihrer Wohnung damit einen besonderen Charme verliehen.

Aber wie es dann so ist. Die Zeit fehlt immer. Irgendwann wanderte das Paket auf den Dachboden und wurde vergessen. Nach Jahren fiel es mir beim Aufräumen wieder in die Hände. Und

ich beschloss, mich davon zu trennen. Zum Wegschmeiß­en waren die hundert Jahre alten Stoffe viel zu schade. Deshalb stellte ich sie bei Kleinanzei­gen ein. Monatelang interessie­rte sich niemand dafür. Dann meldete sich plötzlich eine Frau, die das Leinen unbedingt und dringend haben wollte. Als sie bei mir zu Hause vorbeikam, fragte ich sie, was sie damit vorhätte. Ich hätte so lange darüber nachgedach­t, wofür ich es verwenden könnte. Es stellte sich heraus, dass sie Requisiteu­rin bei einer Filmproduk­tion war. Sie brauchte das alte Leinen für den neuen Hotzenplot­z-Film! Weil die Szenerie eine Retro-Optik bekommen sollte, sollten meine Stoffe für die Ausstattun­g eines Schlafzimm­ers beziehungs­weise die Bettwäsche darin verwendet werden. Ich habe mich total gefreut, dass mein Flohmarkt-Fund am Ende so eine sinnvolle und schöne Verwendung gefunden hat. Und wenn der neue Hotzenplot­zFilm im Dezember in die Kinos kommt, werde ich mit meinen Kindern hingehen und „unsere“Stoffe auf der Leinwand bewundern. Meine Fenster sind übrigens immer noch ohne Vorhänge.

 ?? ?? Heute schreibt: Nina Gessner
Heute schreibt: Nina Gessner
 ?? ?? Häufig wurden Leinentüch­er oder andere Stoffe als Aussteuer (oder auch Mitgift) von der Frau mit in die Ehe gebracht.
Häufig wurden Leinentüch­er oder andere Stoffe als Aussteuer (oder auch Mitgift) von der Frau mit in die Ehe gebracht.
 ?? ?? Der Räuber Hotzenplot­z schläft bald in einer Bettwäsche aus den Leinen-Tücher der MOPO-Reporterin.
Der Räuber Hotzenplot­z schläft bald in einer Bettwäsche aus den Leinen-Tücher der MOPO-Reporterin.
 ?? ?? Auf den Flohmärkte­n im Norden auf der Jagd: MOPO-Reporter Thomas Hirschbieg­el
Auf den Flohmärkte­n im Norden auf der Jagd: MOPO-Reporter Thomas Hirschbieg­el

Newspapers in German

Newspapers from Germany