Hamburger Morgenpost

Flick wird zum Krisen-Manager

STATEMENT Bundestrai­ner berichtet von „geschockte­n“Spielern. DFB prüft Klage

- AUS KATAR BERICHTET MANUEL BONKE redaktion-sport@mopo.de

Für einen kurzen Moment war Hansi Flick sichtlich erleichter­t. „Ich bin froh, dass das die erste Frage ist“, sagte der Bundestrai­ner, als eben jene Frage bei der gestrigen Pressekonf­erenz auf den Verzicht auf die OneLoveBin­de durch den DFB zielte. Flick wollte sich beim großen Thema dieser Tage vor seine Spieler stellen – der Bundestrai­ner als Krisen-Manager.

„Die Mannschaft ist unzufriede­n und geschockt, dass so etwas nicht machbar ist“, berichtete

Flick über die Reaktionen seiner Spieler auf den nach FIFA-Druck gemeinsam mit der DFB-Spitze beschlosse­nen Rückzug von der Geste für Vielfalt: „Wir wollten ein Zeichen setzen, die FIFA hat dem einen Riegel vorgeschob­en.“Flick verwies darauf, dass etwa die englische Mannschaft bei ihrem ersten Spiel am Montag praktisch keine Chance gehabt habe, auf die kurzfristi­gen FIFA-Sanktionsa­ndrohungen zu reagieren. Da die Geste von acht europäisch­en Verbänden gemeinsam vereinbart worden sei, solle man auch einheitlic­h auf die FIFA-Drohungen reagieren, argumentie­rte der Bundestrai­ner: „Die Nationalma­nnschaft steht für Vielfalt, was die Binde demonstrie­ren sollte. Ich finde es schade, dass man für Menschenre­chte noch nicht einmal gerade stehen darf.“Womit die FIFA konkret gedroht hatte, falls Manuel Neuer mit der Binde aufgelaufe­n wäre, blieb jedoch auch nach Flicks Statement offen. „Wir wussten nicht, um welche Strafe es sich handelt. Eine Gelbe Karte wäre nicht das Problem, aber dass man die Sanktionen offen gelassen hat.“Dass das Tragen der Binde einen Spielabbru­ch oder gar den WM-Ausschluss nach sich gezogen hätte, ist zwar schwer vorstellba­r – allein die Befürchtun­g reichte aber offenbar, um den DFB – und seine europäisch­en Beinahe-Mitstreite­r zum Rückzug zu bewegen.

Dass der Binden-Rückzug stärker diskutiert wird als seine Offensiv-Formation, macht es dem Bundestrai­ner nicht leichter. Immerhin ist Flick aus seiner Zeit als Trainer von Bayern München mit Themen abseits des Spielfelds bestens vertraut. Damals nahm die Corona-Pandemie Fahrt auf, legte den Spielbetri­eb und das gesellscha­ftliche Leben lahm. Kein Auftritt, bei dem sich Flick nicht zum politische­n Geschehen äußern musste. Zwischenze­itlich knallte es sogar mit dem heutigen Gesundheit­sminister Karl Lauterbach. Auch das schwierige Verhältnis zu Bayern-Sportvorst­and Hasan Salihamidz­ic war ein Thema, das Flick während seiner Zeit beim Rekordmeis­ter permanent begleitet hat.

Nun der Zoff mit der FIFA – und die massive Kritik aus Deutschlan­d am Verzicht auf die One-Love-Binde. Er lese keine Zeitungen, erklärte Flick, dies überlasse er seinen Mitarbeite­rn. Sich aufs Sportliche fokussiere­n, Störfaktor­en ausblenden, so gut es geht – damit der DFBTross gut auf die Skandal-WM vorbereite­t ist, hat der Verband

Die Nationalma­nnschaft steht für Vielfalt. Ich finde es schade, dass man für Menschenre­chte nicht gerade stehen darf. Hansi Flick

in den vergangene­n Wochen und Monaten vorgesorgt. Nach MOPO-Informatio­nen arbeiteten während der vergangene­n Lehrgänge sowohl das Trainertea­m als auch die Mannschaft intensiv mit dem hauseigene­n Sportpsych­ologen Hans-Dieter Hermann zusammen. Leitfrage: Wie schafft man es vor dem Hintergrun­d der politische­n Diskussion­en, sich in Katar auf ein gemeinsame­s Ziel einzuschwö­ren und den Fokus hochzuhalt­en?

Hinter den Kulissen prüft der DFB offenbar die Möglichkei­t, das Tragen der One-Love-Binde über den internatio­nalen Sportgeric­htshof CAS durchzuset­zen. „Die FIFA hat uns ein Zeichen für Diversität und Menschenre­chte verboten. Sie hat dies mit massiven Androhunge­n sportliche­r Sanktionen verbunden, ohne diese zu konkretisi­eren. Der DFB prüft, ob dieses Vorgehen der FIFA rechtmäßig war“, erklärte DFB-Mediendire­ktor Steffen Simon. Für den heutigen Vormittag wurde ein gemeinsame Pressekonf­erenz von DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser angekündig­t.

 ?? Deutschlan­d — Japan ?? (heute, 14 Uhr, ARD und MagentaTV live)
Die One-Love-Binde wird in Katar nicht am Arm eines Kapitäns zu sehen sein.
Deutschlan­d — Japan (heute, 14 Uhr, ARD und MagentaTV live) Die One-Love-Binde wird in Katar nicht am Arm eines Kapitäns zu sehen sein.

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