Olaf und Friedrich im Wunderland
BUNDESTAG Merz bezichtigt Scholz des „Wortbruchs“– der kontert mit einem literarischen Vergleich
BERLIN – Fast ein Jahr regiert die Ampel-Koalition das Land – und hat fast alles falsch gemacht. So sah es zumindest die Opposition, in der sogenannten Generaldebatte des Bundestags, in der traditionell grob miteinander umgegangen wird. Diesmal war es phasenweise durchaus lustig.
Allerdings eröffnete Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) die Aussprache mit ernsten Vorwürfen: „Wortbruch“habe der Bundeskanzler begangen, klagte er. Anstatt die Ausgaben für die Bundeswehr wie in seiner Zeitenwende-Rede versprochen auf mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung zu erhöhen, sinke der Wehretat tatsächlich um 300 Millionen Euro. ErwarfderAmpel „handwerklich miserables Regierungshandeln“vor. „Sie können es vielleicht nicht besser. Das ändert sich wahrscheinlich auch nicht“, sagte er. Die Regierung habe Fehler bei der Krisenbewältigung gemacht. Doch Scholz war seinerseits gut vorbereitet: „Eine Krise, von der wir heute sagen können: Unser Land hat sie im Griff“, konterte er. Scholz verwies auf volle Gasspeicher, Flüssiggas-Terminals, neue Lieferverträge, das Wiederanlaufen der Kohlekraftwerke, den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken und die geplanten Energiepreisbremsen. Für diesen Winter sei Deutschlands Energiesicherheit „wohl“gewährleistet. Und weiter: „Fast 100 Gesetze in fast einem Jahr rotgrün-gelber Bundesregierung. Mehr Mindestlohn, mehr Kindergeld, mehr Wohngeld! Sie reden von Entlastungen, aber stimmen dagegen. Wir setzen Entlastungen um“, sagte Scholz an die Union gerichtet. Und dann bemühte der Kanzler das berühmte Kinderbuch „Alice im Wunderland“. In dieses fantasievolle Buch fühle er sich versetzt, wenn er Merz zuhöre, sagte der SPD-Politiker. „Was in Wahrheit groß ist, das reden Sie klein. [...] Und was zunächst logisch klingt, ist in Wahrheit blanker Unsinn.“Der Konter zum literarischen Ausflug des Regierungschefs kam dann allerdings nicht mehr von Merz, sondern vom CSU-Politiker Alexander Dobrindt, der ebenfalls ein Kinderbuch bemühte: „Mir fällt ehrlich bei dieser Bundesregierung nur
eins ein: ‚Jim Knopf und der Scheinriese‘.“Je näher man der Bundesregierung komme, desto kleiner würden die politischen Leistungen.
Für den Lacher des Tages sorgte allerdings FDPFraktionschef Christian Dürr. Er sprach in seiner
Rede Merz mit „Herr Merkel“an, was bei einer Reihe von Abgeordneten für lang anhaltendes Gelächter sorgte. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) wies Dürr nach dessen Rede auf den Versprecher hin und stellte klar: „Ich gehe davon aus, dass beide, Frau Merkel und auch Herr Merz, es von sich weisen würden, miteinander verheiratet zu sein.“Dies wiederum quittierten CDUChef Merz und auch Dürr mit einem Lachen. Merz und die langjährige Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hatten sich immer wieder Machtkämpfe geliefert.
Wenig später meldete sich Dürr auf Twitter noch einmal zu Wort. „War ein Versehen“, schrieb er dort. Und er fügte – versehen mit einem Zwinker-Smiley – hinzu: „Aber es macht ja eigentlich auch keinen Unterschied, die Politik ist die gleiche.“
Es ist wie bei „Jim Knopf und dem Scheinriesen“: Je näher man der Bundesregierung kommt, desto kleiner werden die politischen Leistungen. Alexander Dobrindt (CSU)