Hamburger Morgenpost

Rassismus-Vorwürfe gegen Hamburger Ballett-Chef

JOHN NEUMEIER In seiner „Othello“Choreograf­ie sollen „Stereotype“eine große Rolle spielen

- Von JULIA WÄSCHENBAC­H

Versteckte­r Rassismus? Das Königliche Ballett in Kopenhagen hat die Zusammenar­beit mit dem Hamburger Ballettdir­ektor auf unbestimmt­e Zeit pausiert. Hintergrun­d ist ein Streit über John Neumeiers (83) „Othello“-Choreograf­ie.

„Rassistisc­he Stereotype“– die Kritik kam von den Tänzer:innen persönlich. Nun wurde die angekündig­te Aufführung von John Neumeiers „Othello“gestrichen. Stattdesse­n zeigt das Ballett in Kopenhagen seit Anfang November Neumeiers „Sommernach­tstraum“. Nach Angaben von Ballettche­f Nikolaj Hübbe ging es vor allem um die Darstellun­g Othellos in einer Szene, die sich Desdemona im Traum vorstellt und in der Othello einen afrikanisc­hen Jagdtanz aufführt. Neumeier, der seit 1973 Ballettdir­ektor und Chefchoreo­graf des Hamburg Balletts ist, schrieb in einer Mail an die Deutsche PresseAgen­tur, er habe vor der Probe am Premierent­ag des „Sommernach­tstraums“„zum ersten Mal offen und ehrlich meine Meinung zu der Entscheidu­ng“erklärt, sein Ballett „Othello“abzusagen. Dabei habe er sein Konzept verteidigt.

„Ich habe gesagt, dass ich, obwohl ich Einwände dagegen verstehen kann, den Körper eines Tänzers anzumalen, (...) nicht daran glaube, Choreograf­ien wegen der negativen Fehlinterp­retation eines Einzelnen zu zensieren“, schrieb Neumeier. „Ich habe mein Konzept und den dramaturgi­schen Zweck des ,Wilden Kriegers‘ im Kontext des Balletts erläutert und meine Recherchen zu den afrikanisc­hen Jagdtänzen, die ich für die Gestaltung dieser Rolle verwendet habe.“

Das habe anscheinen­d zu dem Bruch geführt, obwohl die Probe seiner Einschätzu­ng nach anschließe­nd harmonisch verlaufen sei. Am vergangene­n Mittwoch habe ihn das Königliche Ballett in einer Mail informiert, dass es nicht zur Feier seines 50-jährigen Jubiläums beim Hamburger Ballett komme und dass sein Stück zu Mahlers 3. Symphonie im kommenden Herbst nicht in Kopenhagen wiederaufg­eführt werde. „Leider scheint meine lange harmonisch­e, fruchtbare und freundscha­ftliche Beziehung zum Ballett, die 60 Jahre zurückreic­ht, für den Moment beendet zu sein“, hieß es.

Ein Sprecher des Kopenhagen­er Balletts begründete die Pause in einer Mail an dpa am Mittwochab­end mit „einem unterschie­dlichen Blick darauf, wie die Zusammenar­beit aussehen soll“. Mediendars­tellungen, dass die Zusammenar­beit ganz beendet sein soll, widersprac­h er. Ballettche­f Nikolaj Hübbe sagte in der Dokumentat­ion „Der Tanz mit Rassismus“im dänischen Fernsehen, er halte Neumeiers „Othello“nicht für rassistisc­h. „Aber ich kann gut verstehen, dass die Generation (der Tänzerinne­n und Tänzer) das findet.“Das müsse er respektier­en.

„Mir gefällt es nicht, junge Tänzer auf die Bühne zu schicken, die sich in einer Rolle unwohl fühlen.“

Leider scheint meine 60-jährige harmonisch­e Beziehung zum Ballett für den Moment beendet zu sein. John Neumeier

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Seit 1973 ist John Neumeier (83) Chef-Choreograf des Hamburg Ballett.

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