Schlamm-Horror an der Donbass-Front
BACHMUT Zustände erinnern immer mehr an den Ersten Weltkrieg
Bachmut - Es ist eines der erklärten Kriegsziele Russlands, die gesamte ukrainische Provinz Donbass zu erobern. Schon aus psychologischen Gründen tut die Ukraine alles, um dies zu verhindern. Das führt um das Städtchen Bachmut zu Zuständen, die an den Ersten Weltkrieg erinnern.
Die russische Armee versucht bereits seit Anfang Juni, das einst 70.000 Einwohner zählende Städtchen einzunehmen. Der Grund: Durch Bachmut verlaufen zwei Eisenbahnlinien, die für die Versorgung der russischen Truppen in der Region große Bedeutung haben. Doch bisher versuchen die Kreml-Truppen vergeblich, die Stadt zu überrennen. Das liegt auch an den ausgeklügelten Verteidigungsanlagen, die die Ukrainer errichtet haben. Und an ihrem Widerstandswillen. An den Kämpfen waren auf beiden Seiten Zehntausende Soldaten beteiligt. Und auf beiden Seiten sind Tausende gefallen. Die gesamte Gegend ist inzwischen massiv zerstört und von relativ gut ausgebauten und eilig ausgehobenen Schützengräben durchzogen. In vielen Gräben auf russischer Seite sind auf Satelliten-Aufnahmen einzelne oder Gruppen von Leichen zu sehen.
„Wenn Sie sich die Bilder aus der Gegend von Bachmut anschauen, dann sieht das aus wie Verdun 1916“, sagt Oberst Markus Reisner vom österreichischen Bundesheer in Anspielung auf den Ersten Weltkrieg. Verstärkt wird dieser Eindruck noch durch den hereingebrochenen Winter, der in der Region auch immer wieder Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt und Regen mit sich bringt.
Die Folge: In den Gräben bildet sich kalter Schlamm. Das Ausharren in ihnen wird für die Soldaten zum täglichen Horror – der oft aber ihr Leben rettet. Denn ähnlich wie im Ersten Weltkrieg bestimmen Artillerie-Geschütze das Kampfgeschehen in der Region um Bachmut. „Vor allem die Artillerie arbeitet durchgehend, Feuergefechte mit Handfeuerwaffen sind seltener“, sagte der ukrainische Soldat Maks kürzlich dem ZDF. Neben zahlreichen anderen westlichen Waffensystemen ist auch die deutsche Panzerhaubitze 2000 um das Städtchen im Einsatz. Und darum sind die Lazarette auf beiden Seiten vor allem mit Soldaten gefüllt, die durch Mörser oder Artillerie-Geschosse verletzt wurden.
Bachmut liegt nur 20 Kilometer von der Grenze der Separatisten-„Republiken“entfernt, die Wladimir Putin kürzlich per Dekret zu russischem Staatsgebiet erklärt hat. Weit ist die russische Armee im Donbass also unterm Strich nicht vorgedrungen. Das liegt auch daran, dass die ukrainische Armee seit 2014 – dem eigentlichen Beginn des Angriffs Russlands auf die Ukraine – in dem Gebiet gut 40 Prozent ihrer gesamten Kräfte konzentriert hat. Unglaublich: In Bachmut harren trotz der langen schweren Kämpfe noch immer Zivilisten aus. Dabei ist die Wasser- und Stromversorgung vor Monaten zusammengebrochen. Getrunken wird aus Flüsschen oder es wird Schnee geschmolzen. Gekocht wird mit Feuerholz auf offener Straße. So ähnliche Szenen gibt es in der ganzen Ukraine. Denn Russland setzte auch am Wochenende seine Angriffe auf die zivile Infrastruktur im gesamten Land mit massivem Raketenbeschuss fort.