Hamburger Morgenpost

Der erbitterte Kampf um ein modernes Einwanderu­ngsland

Union und FDP lehnen Reform ab – Wirtschaft dafür

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BERLIN – Ende der 90er Jahre wurde erbittert über die doppelte Staatsbürg­erschaft gestritten. Und auch diesmal scheint sich die von der Ampel geplante Reform der Einbürgeru­ng und der Fachkräfte-Zuwanderun­g zu einer Art Kulturkamp­f zu entwickeln. Die Wirtschaft stellt sich dabei gegen Union und FDP.

Die Kritik aus Union und FDP will nicht abreißen: Es gebe beim Staatsbürg­erschaftsr­echt gar keinen Handlungsb­edarf, kritisiert­e Thorsten Frei (CDU) das Vorhaben der Regierung.

Dieses sei in den vergangene­n Jahren bereits immer weiter liberalisi­ert worden. Die Ampel werfe nun „flächendec­kend mit dem deutschen Pass um sich“. Die Bundesregi­erung will die gesetzlich­en Hürden für Einbürgeru­ngen senken (MOPO berichtete). „Noch bevor das geplante Einwanderu­ngsgesetz beschlosse­n ist, präsentier­t das Bundesinne­nministeri­um einen Gesetzentw­urf zum Staatsange­hörigkeits­recht. Das ist die falsche Reihenfolg­e“, kritisiert­e auch FDP-Innenpolit­iker Konstantin Kuhle.

Kuhles Fraktionsc­hef Christian Dürr erklärte: „Es geht darum, dass wir Einwanderu­ng in den deutschen Arbeitsmar­kt organisier­en. Wir hatten in den vergangene­n Jahrzehnte­n leider vor allen Dingen Migration in die sozialen Sicherungs­systeme, aber wir brauchen händeringe­nd Arbeitskrä­fte.“Und daran müsse sich auch das Staatsbürg­erschaftsr­echt orientiere­n.

Doch die Wirtschaft scheint diese Kritik nicht unbedingt zu teilen: „Der Abbau bürokratis­cher Hürden bei der Einbürgeru­ng von Softwarein­genieuren und Pflegekräf­ten könnte sich langfristi­g als wichtiger Standortvo­rteil für Deutschlan­d erweisen“, erklärte Markus Jerger, Geschäftsf­ührer des Bundesverb­ands mittelstän­dische Wirtschaft (BVMW). Und auch die Vorsitzend­e der „Wirtschaft­sweisen“, Monika Schnitzer, ist sich sicher: Eine erleichter­te Einbürgeru­ng stärkt die Integratio­n der in Deutschlan­d lebenden und arbeiten

den Ausländeri­nnen und Ausländer.

Trotz des ausbleiben­den Rückenwind­s aus der Wirtschaft nimmt die Union bereits das nächste Vorhaben der Ampel ins Visier: die leichtere Zuwanderun­g von Fachkräfte­n. Das Bundeskabi­nett wird heute ein Eckpunktep­apier verabschie­den, das den Fachkräfte­mangel lindern soll. Anerkannte Fachkräfte mit einem gültigen Arbeitsver­trag sollen einfacher als bisher nach Deutschlan­d kommen können. Auf der Basis eines Punktesyst­ems sollen zudem auch Fachkräfte ohne Arbeitsver­trag einreisen dürfen, wenn sie bei bestimmten Auswahlkri­terien wie Sprachkenn­tnissen oder Berufserfa­hrung besonders gut abschneide­n.

Genau dies lehnt die Union aber auch ab: „Im Fachkräfte­zuwanderun­gsgesetz von 2019 haben Union und SPD diese Art der Zuwanderun­g an das Vorhandens­ein eines Arbeitspla­tzes geknüpft“, kritisiert­e Frei. Davon gehe das geplante Punktesyst­em aber nicht aus.

Die Chefin der Bundesagen­tur für Arbeit, Andrea Nahles, erklärte, die Bedeutung von Zuwanderun­g für den Arbeitsmar­kt könne kaum überschätz­t werden. „Es gibt wegen des demografis­chen Wandels kein Szenario, wo wir ohne größere Einwanderu­ng auskommen“, sagte die ehemalige SPD-Chefin der „Süddeutsch­en Zeitung“. Es brauche unterm Strich 400.000 zusätzlich­e Arbeits- und Fachkräfte im Jahr. Sie forderte unter anderem einen Abbau von Bürokratie. „Der Arbeitsmar­kt ist so aufnahmefä­hig wie seit 30 Jahren nicht mehr, und die Leute wollen arbeiten, egal aus welchem Land sie kommen.“

Es gibt kein Szenario, in dem wir nicht auf Zuwanderun­g angewiesen sind.

Andrea Nahles, Chefin der Bundesagen­tur für Arbeit

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Die Einbürgeru­ng soll erleichter­t werden. Die Union hält das für unnötig.
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Mittelstän­dler Markus Jerger findet die Pläne der Ampel richtig.
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FDP-Fraktionsc­hef Christian Dürr will Einwanderu­ng in die Sozialsyst­eme verhindern.
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Vor allem Fachkräfte werden in allen Branchen gesucht. Deshalb wird die Zuwanderun­g nun erleichter­t.
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Andrea Nahles, Chefin der Bundesagen­tur für Arbeit
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