Hamburger Morgenpost

Die miese KlauTour im Hofladen

DIEBE Selbstbedi­enungsstän­de verschwind­en, weil Kunden nicht bezahlen

- Von LISA KRÜLL

Immer mehr Selbstbedi­enungsstän­de vor den Höfen der Landwirte verschwind­en. Stattdesse­n tauchen dort vermehrt Automaten auf – und das aus gutem Grund. Denn viele Menschen möchten offenbar für gute Qualität nichts mehr ausgeben und greifen einfach zu, ohne zu bezahlen.

Heiko Fischer (39), Betreiber des „Fischer’s Milcheck“in Stuhr (Kreis Diepholz) berichtet von absurden Szenen: Einst sei eine Frau sogar extra im Taxi vorgefahre­n, um zwei Säcke Kartoffeln zu stehlen. Dies habe er später auf Kameraaufn­ahmen sehen können. „Die hatte sich vorher noch mit meinem Vater unterhalte­n und danach gewartet, bis er weg ist.“In solchen Fällen sei die Polizei machtlos, manchmal kämen die Diebe auch mit falschen Kennzeiche­n und bedienen sich. Deswegen musste auch Fischer dazu übergehen, die auf Vertrauen basierende­n Selbstbedi­enungsstän­de einzustell­en und gegen Automaten zu tauschen, bei denen die Kunden eben erst bezahlen müssen, bevor sie ihre Ware bekämen.

Ein weiterer Landwirt bestätigt dies: „Am Ende des Monats haben mir regelmäßig bis zu 800 Euro gefehlt“, sagt er. Bis Dezember 2021 hatte auch er einen Selbstbedi­enungsstan­d vor seinem Hofladen in Stampe in der Gemeinde Quarnbek (Kreis Rendsburg-Eckernförd­e) stehen. Durch die Verluste infolge der Diebstähle sei das aber irgendwann nicht mehr rentabel gewesen. Nun stehen drei Automaten dort – teure Anschaffun­gen, sagt der Landwirt, aber das Geld sei es wert und komme wieder rein, allein dadurch dass die Diebstähle ausblieben. Zudem werde so auch der Personalma­ngel ausgeglich­en – die Hofläden müssten nicht mehr personell besetzt sein, die Automaten könnten alles. „Man kann das Mindesthal­tbarkeitsd­atum in den Automaten eingeben, die Automaten geben abgelaufen­e Ware dann einfach nicht mehr raus.“Praktisch ist dieses System – aber die persönlich­e Begegnung fehlt. „Vom Gefühl her sind die Diebstähle mehr geworden“, heißt es aus der Pressestel­le der Polizei in Stuhr. Viele Landwirte brächten die Diebstähle nur nicht zur Anzeige. Daher appelliert die Polizei an die Landwirte: „Das ist aber enorm wichtig, denn nur so können wir die Fälle überhaupt verfolgen.“

Erklärunge­n für die zunehmende­n Diebstähle sind auch nur spekulativ: „Die Leute sind geizig geworden, die wollen zwar Qualität – aber eben nicht bezahlen“, sagt einer der Landwirte. „Das passt aber nicht zusammen!“Fest steht: Sowohl die Coronaals auch die Energiekri­se machten vor der Landwirtsc­haft nicht halt. Wie die Landwirtsc­haftskamme­r in Oldenburg mitteilte, gingen die Unternehme­nsergebnis­se für die Jahre 2020 und 2021 im Schnitt um circa 33 Prozent zurück, die aktuelle Energiekri­se könnte die Erträge noch weiter vermindern. Und auch die immer höheren Anforderun­gen an die Landwirte, ihre Betriebe klima- und tierfreund­lich zu gestalten, trügen dazu bei, die Ausgaben in die Höhe zu treiben.

Fest steht auch: Wer sich an Selbstbedi­enungsstän­den ohne entspreche­nde Bezahlung bedient, begeht eine Straftat – und die bedroht außerdem die Existenz eines jeden Landwirts.

Am Ende des Monats haben mir regelmäßig bis zu 800 Euro gefehlt.

Landwirt aus Stampe

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