Da braut sich was zusammen
Anbieter setzen immer mehr auf alkoholfreies Bier
Sieht aus wie Bier, schmeckt wie Bier – macht aber nicht betrunken: Immer mehr Hamburger Craft-Brauereien setzen auf alkoholfreies Bier. Ist das nur ein Gag oder bleibt das jetzt so? Die MOPO sprach mit Bier-Experten.
Das erste alkoholfreie Bier kam 1979 auf den Markt – und jeder, der in den 80er Jahren Werbefernsehen geguckt hat, kennt den Spruch: „Clausthaler – Nicht immer, aber immer öfter!“Erfunden hatten das allererste Bier ohne Umdrehungen allerdings die Schweizer, die in den 60er Jahren eine Hefe entwickelten, die bei der Vergärung weniger Alkohol entstehen ließ.
Viele Jahre blieb „Clausthaler“der alkoholfreie Platzhirsch, bis große Brauereien nachzogen und schließlich in den vergangenen Jahren auch die CraftBrauer. Das erste alkoholfreie Indian Pale Ale Deutschlands kommt aus Hamburg: „ü.NN“, 2015 von Oliver Wesseloh, Chef der Kreativbrauerei Kehrwieder, entwickelt und drei Jahre später beim „European Beer Star“zum weltweit besten Bier in der Kategorie alkoholfrei obergärig gekürt. „Alkoholfrei, das ist ein Mega-Trend“, sagt Braumeister und Biersommelier Fiete Matthies, der mit seiner Wilhelmsburger Brauerei „Wildwuchs“Anfang 2019 das erste alkoholfreie Bio-Bier aus Hamburg auf den Markt brachte. Immer wieder hatten Kunden danach gefragt und auch Matthies selbst sah einen Vorteil darin, wie er der MOPO erzählt: „Auf Veranstaltungen werden wir immer wieder gefragt, ob wir eins mittrinken, da ist es gut, wenn man ein alkoholfreies Bier im Angebot hat.“Also kam die „Große Freiheit“in die Flaschen. „Das Bier polarisiert ziemlich“, stellte Matthies schnell fest: „Das ist kein Bier für die Massen.“Seit einiger Zeit gibt es nun zusätzlich das mildere „Freihafen“, ein alkoholfreies Weizen. Es soll nicht das letzte sein: „Wir wollen unser alkoholfreies Portfolio weiter ausbauen.“Die Herstellung ist ähnlich wie bei herkömmlichem Bier, allerdings wird der
Gärprozess früher unterbrochen.
Wer das Bier trinkt? Keinesfalls nur Frauen, sagt Fiete Matthies: „Ich trink das auch gerne mal, so als Ersatz für Saftschorle oder einen Softdrink.“Im Vergleich zu Cola etwa enthält alkoholfreies Bier viel weniger Zucker. Rund 180.000 Liter Bier braut „Wildwuchs“pro Jahr, davon inzwischen 16.000 Liter alkoholfrei.
Auch die Ratsherrn Brauerei in den Schanzenhöfen hat ihr alkoholfreies Segment erweitert: „Ratsherrn Pilsener alkoholfrei 0,0 Prozent“. Dabei dürfen alkoholfreie Biere bis zu 0,5 Prozent Alkohol enthalten. Von Buddelship oder Landgang findet man ebenso Biere ohne Umdrehungen. „Alkoholfrei ist das Trendthema der vergangenen Jahre“, bestätigt auch Torben Sturhan, Vertriebsleiter der Brauerei Überquell: „Der Absatz steigt stetig.“Trends wie der „Dry January“, der „trockene Januar“, den neuerdings viele Menschen nach der festlichen Völlerei zelebrieren, sind Verkaufsbooster. Wer sich vorgenommen hat, in Zukunft weniger Alkohol zu trinken, muss ja deswegen nicht gleich einen Bogen um sein Lieblingsgetränk machen, sondern stellt dann halt eine Kiste Alkoholfreies auf den Balkon. Die alkoholfreie Überquell-Variante, 2020 auf den Markt gekommen, trägt den nüchternen Namen „Pillepalle“. „Bier entwickelt sich immer weiter“, sagt Sturhan zur MOPO: „Wir haben Bock auf das Thema alkoholfrei, die Konsumenten haben Lust drauf, also vielleicht bringen wir noch neue Ideen auf den Markt.“Die Biere ohne Umdrehungen drehen derzeit richtig auf.
Alkoholfrei ist das Trendthema der vergangenen Jahre. Torben Sturhan