Hamburger Morgenpost

Da braut sich was zusammen

Anbieter setzen immer mehr auf alkoholfre­ies Bier

- Von STEPHANIE LAMPRECHT

Sieht aus wie Bier, schmeckt wie Bier – macht aber nicht betrunken: Immer mehr Hamburger Craft-Brauereien setzen auf alkoholfre­ies Bier. Ist das nur ein Gag oder bleibt das jetzt so? Die MOPO sprach mit Bier-Experten.

Das erste alkoholfre­ie Bier kam 1979 auf den Markt – und jeder, der in den 80er Jahren Werbeferns­ehen geguckt hat, kennt den Spruch: „Clausthale­r – Nicht immer, aber immer öfter!“Erfunden hatten das allererste Bier ohne Umdrehunge­n allerdings die Schweizer, die in den 60er Jahren eine Hefe entwickelt­en, die bei der Vergärung weniger Alkohol entstehen ließ.

Viele Jahre blieb „Clausthale­r“der alkoholfre­ie Platzhirsc­h, bis große Brauereien nachzogen und schließlic­h in den vergangene­n Jahren auch die CraftBraue­r. Das erste alkoholfre­ie Indian Pale Ale Deutschlan­ds kommt aus Hamburg: „ü.NN“, 2015 von Oliver Wesseloh, Chef der Kreativbra­uerei Kehrwieder, entwickelt und drei Jahre später beim „European Beer Star“zum weltweit besten Bier in der Kategorie alkoholfre­i obergärig gekürt. „Alkoholfre­i, das ist ein Mega-Trend“, sagt Braumeiste­r und Biersommel­ier Fiete Matthies, der mit seiner Wilhelmsbu­rger Brauerei „Wildwuchs“Anfang 2019 das erste alkoholfre­ie Bio-Bier aus Hamburg auf den Markt brachte. Immer wieder hatten Kunden danach gefragt und auch Matthies selbst sah einen Vorteil darin, wie er der MOPO erzählt: „Auf Veranstalt­ungen werden wir immer wieder gefragt, ob wir eins mittrinken, da ist es gut, wenn man ein alkoholfre­ies Bier im Angebot hat.“Also kam die „Große Freiheit“in die Flaschen. „Das Bier polarisier­t ziemlich“, stellte Matthies schnell fest: „Das ist kein Bier für die Massen.“Seit einiger Zeit gibt es nun zusätzlich das mildere „Freihafen“, ein alkoholfre­ies Weizen. Es soll nicht das letzte sein: „Wir wollen unser alkoholfre­ies Portfolio weiter ausbauen.“Die Herstellun­g ist ähnlich wie bei herkömmlic­hem Bier, allerdings wird der

Gärprozess früher unterbroch­en.

Wer das Bier trinkt? Keinesfall­s nur Frauen, sagt Fiete Matthies: „Ich trink das auch gerne mal, so als Ersatz für Saftschorl­e oder einen Softdrink.“Im Vergleich zu Cola etwa enthält alkoholfre­ies Bier viel weniger Zucker. Rund 180.000 Liter Bier braut „Wildwuchs“pro Jahr, davon inzwischen 16.000 Liter alkoholfre­i.

Auch die Ratsherrn Brauerei in den Schanzenhö­fen hat ihr alkoholfre­ies Segment erweitert: „Ratsherrn Pilsener alkoholfre­i 0,0 Prozent“. Dabei dürfen alkoholfre­ie Biere bis zu 0,5 Prozent Alkohol enthalten. Von Buddelship oder Landgang findet man ebenso Biere ohne Umdrehunge­n. „Alkoholfre­i ist das Trendthema der vergangene­n Jahre“, bestätigt auch Torben Sturhan, Vertriebsl­eiter der Brauerei Überquell: „Der Absatz steigt stetig.“Trends wie der „Dry January“, der „trockene Januar“, den neuerdings viele Menschen nach der festlichen Völlerei zelebriere­n, sind Verkaufsbo­oster. Wer sich vorgenomme­n hat, in Zukunft weniger Alkohol zu trinken, muss ja deswegen nicht gleich einen Bogen um sein Lieblingsg­etränk machen, sondern stellt dann halt eine Kiste Alkoholfre­ies auf den Balkon. Die alkoholfre­ie Überquell-Variante, 2020 auf den Markt gekommen, trägt den nüchternen Namen „Pillepalle“. „Bier entwickelt sich immer weiter“, sagt Sturhan zur MOPO: „Wir haben Bock auf das Thema alkoholfre­i, die Konsumente­n haben Lust drauf, also vielleicht bringen wir noch neue Ideen auf den Markt.“Die Biere ohne Umdrehunge­n drehen derzeit richtig auf.

Alkoholfre­i ist das Trendthema der vergangene­n Jahre. Torben Sturhan

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Wer sich vorgenomme­n hat, weniger Alkohol zu trinken, muss nicht gleich einen Bogen um sein Lieblingsg­etränk machen. Alkoholfre­ies Bier tut es auch.
 ?? ?? Braumeiste­r Fiete Matthies von „Wildwuchs“liebt sein Bier auch mal alkoholfre­i.
Braumeiste­r Fiete Matthies von „Wildwuchs“liebt sein Bier auch mal alkoholfre­i.

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