Hamburger Morgenpost

Hakenkreuz-Haus Historiker empfiehlt: Lasst es dran!

Experte rät, NS-Geschichte des Dorfes aufzuarbei­ten

- OLAF WUNDER olaf.wunder@mopo.de

Das Hakenkreuz-Haus von Bremervörd­e – die Geschichte schlägt mächtig Wellen, seit die MOPO darüber berichtete. Nun meldet sich Andreas Ehresmann zu Wort. Der Historiker leitet die NS-Gedenkstät­te Sandbostel, die sich ganz in der Nähe von Bremervörd­e befindet – und er macht einen verblüffen­den Vorschlag.

Ein Hakenkreuz, das irgendwo im Stadtbild entdeckt wird, wolle man möglichst umgehend beseitigen, sagt Ehresmann zur MOPO. Nach dem Motto „aus den Augen aus dem Sinn“. Ehresmann hält das für falsch. „Die Bürger in Hönau-Lindorf sollten darüber nachdenken, was sie Positives aus der Sache ziehen können.“So sei es denkbar, dass Schulklass­en oder Konfirmand­en der Kirchengem­einde sich – angeleitet von einem Historiker oder einem Lehrer – mit der Frage beschäftig­en, was eigentlich während der NS-Zeit los war im Dorf. „Was war mit den eigenen Großeltern, den Urgroßelte­rn? Wie ist es zu erklären, dass so viele den Nazis blind ins Verderben folgten?“Laut Ehresmann hat es in der Nazi-Zeit nie die Anweisung gegeben, auf die Dächer von Feuerwache­n Hakenkreuz­e zu malen. „Das haben die Menschen vor Ort aus eigener Initiative gemacht. Das sagt wiederum auch etwas aus.“

Zur Erinnerung: Die MOPO hatte über ein Hakenkreuz berichtet, das den Turm des 1936 erbauten ehemaligen Feuerwehrg­ebäudes von Hönau-Lindorf ziert, einem Stadtteil von Bremervörd­e. Als 1945 bei Kriegsende die Briten einmarschi­erten, ließen sie das Nazi-Symbol übermalen. Aber im Laufe der Jahrzehnte blätterte die Farbe ab.

Seit wann das Hakenkreuz wieder sichtbar ist, darüber gehen die Meinungen auseinande­r. Die einen sagen, das Hakenkreuz sei schon seit 20 Jahren zu sehen, die anderen sind der Meinung, dies sei erst seit wenigen Jahren der Fall. Klar ist dagegen, dass sich die Mehrheit der knapp 500 Einwohner an dem Hakenkreuz nicht weiter gestört hat. Selbst als im vergangene­n Jahr ein Bürger wegen des Hakenkreuz­es Anzeige bei der Polizei erstattete, hatte das keine Konsequenz­en. Erst als die MOPO begann, der Sache nachzugehe­n, brach hektische Betriebsam­keit aus. Aus Angst vor Berichters­tattung organisier­te Bürgermeis­terin Bianka Grieschow-Pülsch noch am selben Tag ein Baufahrzeu­g, trommelte Helfer zusammen und überpinsel­te das NaziSymbol. Das war am Mittwoch.

Zur Frage, ob die bürgermeis­terliche Malaktion gelungen ist oder nicht, gibt es jetzt geteilte Meinungen. Die einen sagen: „Sehr gut! Das Problem ist damit gelöst. Nichts ist mehr zu sehen …“Andere verweisen darauf, dass jetzt das Hakenkreuz im Abendlicht – zumindest aus bestimmter Perspektiv­e betrachtet – regelrecht leuchte und besser zu sehen sei als vorher. Übrigens: Das Gebäude, auf dem sich das Hakenkreuz befindet, ist seit 2006 nicht mehr im Besitz der Feuerwehr. Es wurde vom örtlichen „Club der Urgemütlic­hkeit“übernommen. Wir fragen bei Marco Prietz (CDU) nach, der nicht nur Landrat des Kreises Rotenburg (Wümme) ist, sondern außerdem Mitglied im besagten Club. Nachdem auch er sich an dem Hakenkreuz offenbar lange Zeit nicht gestört hat, ist er jetzt der Meinung, eine Sanierung des Turms müsse durchgefüh­rt werden. Sobald die bereits beantragte­n Mittel für die Dorfsanier­ung von Hannover freigegebe­n sind, werde das Dach profession­ell neu gemacht, sagt er. Vermutlich im kommenden Jahr.

Es sei denn, die Verantwort­lichen lassen sich von Andreas Ehresmann überzeugen, der dafür ist, das Hakenkreuz nicht zu beseitigen, sondern sich damit auseinande­rsetzen. Dabei könnte auch die Frage gestellt werden, wieso das Hakenkreuz über so viele Jahre kommentarl­os stehen bleiben konnte. Eine solche Auseinande­rsetzung wäre ein Gewinn für Hönau-Lindorf, ist Ehresmann überzeugt. Der Historiker hat sich auch Gedanken dazu gemacht, wie das Dach künftig gestaltet sein könnte: „Wie wäre es, eine Plexiglass­cheibe über dem Hakenkreuz zu befestigen und eine Friedensta­ube draufzumal­en?“Und neben dem Haus will er eine Infotafel aufstellen über die NS-Geschichte des Dorfes. Wie sich die Verantwort­lichen in Hönau-Lindorf bzw. Bremervörd­e entscheide­n und wie es mit dem Hakenkreuz-Haus weitergeht – die MOPO bleibt am Ball.

 ?? ??
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany