Die Jugend trifft sich hier an einer ParkplatzTreppe
Der Stadtteil wird immer beliebter, doch die schlechte Infrastruktur sorgt für große Probleme
„FarBe“kürzen die Bewohner von Farmsen-Berne ihren Stadtteil liebevoll ab. Bunt ist er auf jeden Fall. Und es gibt kaum jemanden, der ihn besser kennt als Volker Neue. Er liebt diesen Ort mit den grünen Wäldern, den blauen Seen und den ganz verschiedenen Menschen. Aber er sieht auch große Probleme, auf die der Stadtteil nicht immer gut vorbereitet zu sein scheint.
Wenn man Volker Neue bitten würde, seinen Stadtteil mit nur einem Wort zu beschreiben, wäre es „Sport“. Die drei großen Vereine des Stadtteils zählen zusammen an die 8000 Mitglieder und die Sportplätze sowie die daneben liegende Kneipe gehören zu den wichtigsten Treffpunkten der Stadt. „Ich selbst bin seit 1968 im Turnverein Farmsen“, sagt der 68-jährige Schatzmeister im Bürgerverein Farmsen-Berne e.V., der die MOPO-Reporter durch seinen Stadtteil führt.
Was Besuchern des Stadtteils im Zentrum des Bezirks Wandsbek sofort auffällt, ist der Verkehr in „FarBe“. „Man kann hier wirklich viel machen“, sagt Volker Neue. „Aber man sollte nicht mit dem Auto herkommen.“Die Straßen sind stets voll befahren und oft zu eng, sie sind laut, Parkplätze gibt es kaum. „Gerade haben sie 60 Wohnungen abgerissen und 275 neue gebaut“, berichtet Neue. „Dazu gibt es gerade einmal 125 Tiefgaragenstellplätze.“
Volker Neues Eltern zogen ein Jahr nach seiner Geburt, also 1956, mit ihm nach Farmsen-Berne. „Die Jugend hier war super“, sagt er. „Ich war sehr viel im Kino, wir hatten zwei, dazu viele Diskotheken. Davon ist heute nicht mehr viel übrig.“Tatsächlich ist im Stadtteilzentrum kaum was los. Entlang der August-Krogmann-Straße mit der U-Bahn-Station Farmsen gibt es einige Imbisse und Schnellrestaurants. „Abends ist hier tote Hose“, sagt Volker Neue. Früher ging er auch gerne in die „Tante-Emma-Läden“. „Die sind verschwunden, als das Einkaufszentrum im Berner Heerweg gebaut wurde. Seitdem gibt es hier fast nur noch Ketten.“Der Farmsener Nachwuchs trifft sich entweder auf einer Treppe hinter dem Rewe an der August-Krogmann-Straße oder einige Hundert Meter entfernt vor dem Jugendzentrum am Berner Heerweg. „Hier kommen nicht nur die Jugendlichen aus unserem Stadtteil her, sondern auch welche aus Steilshoop und Jenfeld, weil es da noch weniger Freizeitmöglichkeiten gibt.“Die trinken nicht nur Apfelschorle: „Es gibt hier häufiger Vorfälle mit Drogen oder Alkohol“, so Volker Neue. „Der Platz wird jetzt überwacht und die Polizei fährt Streife.“Auf dem Boden vor dem Jugendzentrum liegen ein paar leere Döner- und Pommesboxen. Darauf angesprochen, sagt Neue: „Morgens sieht das viel
schlimmer aus. Der Hausmeister hat hier alle Hände voll zu tun.“
Alle Hände voll zu tun hat auch die Lebensmittelausgabe „Farmsener Tisch“, die jeden Mittwoch am Berner Heerweg ihre Türen öffnet. Armut ist eines der Problemfelder im Stadtteil: 5,4 Prozent der 15bis unter 65-Jährigen sind arbeitslos, 9,9 Prozent beziehen Leistungen nach dem SGB 2 (2021). Beides liegt zwar ungefähr im Hamburger Durchschnitt, aber über dem des Bezirks Wandsbek. Besonders auffällig ist, dass 21 Prozent der unter 15-Jährigen auf Mindestsicherung angewiesen sind. In ganz Hamburg sind es 18 Prozent. Und: Für die knapp 36.000 Einwohner in Farmsen-Berne gab es 2021 nur elf Allgemeinärzte – und einen Kinderarzt. Gleichzeitig wird kräftig gebaut: Der Stadtteil verzeichnet seit Jahren Zuzüge und erwartet noch mehr. „Die Infrastruktur muss darauf vorbereitet werden“, sagt Volker Neue. „Im Moment sehe ich das noch nicht.“Er selbst wohnt in einer der „besseren“Gegenden in einem farbenfrohen zweigeschossigen Mehrfamilienhaus. Er hatte Glück: Die Wohnung ist barrierefrei und somit für seine chronisch kranke Frau geeignet. Bei all diesen Problemfeldern wird Neue nicht müde zu betonen, wie schön Farmsen-Berne ist. Besonders wohl fühlt er sich am Kupfermühlenteich. „Das Ufer bietet eine wunderbare Kulisse zum Joggen“, sagt er. Seinen Stadtteil bezeichnet er auch als „grüne Lunge“. Sogar ein Strandbad gibt es – mit Rutsche und allem Drum und Dran. „Da gehen die Kinder nach der Schule baden“, erzählt Volker Neue. Als Mitglied des Bürgervereins betrachte er es als seine Pflicht, solche Freizeitmöglichkeiten auszubauen. Neu- und Altbauten, Bäume und Asphalt, baden und joggen. Diese verschiedenen Seiten sind eben das, was „FarBe“für Volker Neue ausmacht. Und auch, wenn ihn einige Dinge aufregen und er vieles ändern möchte, sagt er: „Farmsen-Berne ist mein Zuhause und wird das immer bleiben!“