Hamburger Morgenpost

Die Jugend trifft sich hier an einer ParkplatzT­reppe

Der Stadtteil wird immer beliebter, doch die schlechte Infrastruk­tur sorgt für große Probleme

- PAULINE REIBE pauline.reibe@mopo.de

„FarBe“kürzen die Bewohner von Farmsen-Berne ihren Stadtteil liebevoll ab. Bunt ist er auf jeden Fall. Und es gibt kaum jemanden, der ihn besser kennt als Volker Neue. Er liebt diesen Ort mit den grünen Wäldern, den blauen Seen und den ganz verschiede­nen Menschen. Aber er sieht auch große Probleme, auf die der Stadtteil nicht immer gut vorbereite­t zu sein scheint.

Wenn man Volker Neue bitten würde, seinen Stadtteil mit nur einem Wort zu beschreibe­n, wäre es „Sport“. Die drei großen Vereine des Stadtteils zählen zusammen an die 8000 Mitglieder und die Sportplätz­e sowie die daneben liegende Kneipe gehören zu den wichtigste­n Treffpunkt­en der Stadt. „Ich selbst bin seit 1968 im Turnverein Farmsen“, sagt der 68-jährige Schatzmeis­ter im Bürgervere­in Farmsen-Berne e.V., der die MOPO-Reporter durch seinen Stadtteil führt.

Was Besuchern des Stadtteils im Zentrum des Bezirks Wandsbek sofort auffällt, ist der Verkehr in „FarBe“. „Man kann hier wirklich viel machen“, sagt Volker Neue. „Aber man sollte nicht mit dem Auto herkommen.“Die Straßen sind stets voll befahren und oft zu eng, sie sind laut, Parkplätze gibt es kaum. „Gerade haben sie 60 Wohnungen abgerissen und 275 neue gebaut“, berichtet Neue. „Dazu gibt es gerade einmal 125 Tiefgarage­nstellplät­ze.“

Volker Neues Eltern zogen ein Jahr nach seiner Geburt, also 1956, mit ihm nach Farmsen-Berne. „Die Jugend hier war super“, sagt er. „Ich war sehr viel im Kino, wir hatten zwei, dazu viele Diskotheke­n. Davon ist heute nicht mehr viel übrig.“Tatsächlic­h ist im Stadtteilz­entrum kaum was los. Entlang der August-Krogmann-Straße mit der U-Bahn-Station Farmsen gibt es einige Imbisse und Schnellres­taurants. „Abends ist hier tote Hose“, sagt Volker Neue. Früher ging er auch gerne in die „Tante-Emma-Läden“. „Die sind verschwund­en, als das Einkaufsze­ntrum im Berner Heerweg gebaut wurde. Seitdem gibt es hier fast nur noch Ketten.“Der Farmsener Nachwuchs trifft sich entweder auf einer Treppe hinter dem Rewe an der August-Krogmann-Straße oder einige Hundert Meter entfernt vor dem Jugendzent­rum am Berner Heerweg. „Hier kommen nicht nur die Jugendlich­en aus unserem Stadtteil her, sondern auch welche aus Steilshoop und Jenfeld, weil es da noch weniger Freizeitmö­glichkeite­n gibt.“Die trinken nicht nur Apfelschor­le: „Es gibt hier häufiger Vorfälle mit Drogen oder Alkohol“, so Volker Neue. „Der Platz wird jetzt überwacht und die Polizei fährt Streife.“Auf dem Boden vor dem Jugendzent­rum liegen ein paar leere Döner- und Pommesboxe­n. Darauf angesproch­en, sagt Neue: „Morgens sieht das viel

schlimmer aus. Der Hausmeiste­r hat hier alle Hände voll zu tun.“

Alle Hände voll zu tun hat auch die Lebensmitt­elausgabe „Farmsener Tisch“, die jeden Mittwoch am Berner Heerweg ihre Türen öffnet. Armut ist eines der Problemfel­der im Stadtteil: 5,4 Prozent der 15bis unter 65-Jährigen sind arbeitslos, 9,9 Prozent beziehen Leistungen nach dem SGB 2 (2021). Beides liegt zwar ungefähr im Hamburger Durchschni­tt, aber über dem des Bezirks Wandsbek. Besonders auffällig ist, dass 21 Prozent der unter 15-Jährigen auf Mindestsic­herung angewiesen sind. In ganz Hamburg sind es 18 Prozent. Und: Für die knapp 36.000 Einwohner in Farmsen-Berne gab es 2021 nur elf Allgemeinä­rzte – und einen Kinderarzt. Gleichzeit­ig wird kräftig gebaut: Der Stadtteil verzeichne­t seit Jahren Zuzüge und erwartet noch mehr. „Die Infrastruk­tur muss darauf vorbereite­t werden“, sagt Volker Neue. „Im Moment sehe ich das noch nicht.“Er selbst wohnt in einer der „besseren“Gegenden in einem farbenfroh­en zweigescho­ssigen Mehrfamili­enhaus. Er hatte Glück: Die Wohnung ist barrierefr­ei und somit für seine chronisch kranke Frau geeignet. Bei all diesen Problemfel­dern wird Neue nicht müde zu betonen, wie schön Farmsen-Berne ist. Besonders wohl fühlt er sich am Kupfermühl­enteich. „Das Ufer bietet eine wunderbare Kulisse zum Joggen“, sagt er. Seinen Stadtteil bezeichnet er auch als „grüne Lunge“. Sogar ein Strandbad gibt es – mit Rutsche und allem Drum und Dran. „Da gehen die Kinder nach der Schule baden“, erzählt Volker Neue. Als Mitglied des Bürgervere­ins betrachte er es als seine Pflicht, solche Freizeitmö­glichkeite­n auszubauen. Neu- und Altbauten, Bäume und Asphalt, baden und joggen. Diese verschiede­nen Seiten sind eben das, was „FarBe“für Volker Neue ausmacht. Und auch, wenn ihn einige Dinge aufregen und er vieles ändern möchte, sagt er: „Farmsen-Berne ist mein Zuhause und wird das immer bleiben!“

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Von hinten sieht das Einkaufsze­ntrum abgerockt aus.
Ein verlassene­r Fußballpla­tz: Auch so etwas gibt es in Farmsen-Berne. Von hinten sieht das Einkaufsze­ntrum abgerockt aus.
 ?? ?? Die AugustKrog­mann-Straße ist das Stadtteilz­entrum von Farmsen-Berne. Hier gibt es vor allem eines: Verkehr.
Die AugustKrog­mann-Straße ist das Stadtteilz­entrum von Farmsen-Berne. Hier gibt es vor allem eines: Verkehr.
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Seitdem das Einkaufsze­ntrum Farmsen gebaut wurde, sind viele „TanteEmma-Läden“verschwund­en.
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In Farmsen-Berne gibt es einige Neubaugebi­ete. Die Einwohnerz­ahl wächst.
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Im Strandbad Farmsen gehen die Kinder nach der Schule plantschen.
 ?? ?? Der Kupfermühl­enteich eignet sich wunderbar zum Spaziereng­ehen.
Der Kupfermühl­enteich eignet sich wunderbar zum Spaziereng­ehen.

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