Hamburger Morgenpost

In der Baubranche geht (fast) nichts mehr

Verbände sagen Treffen ab. Streit um Öko-Standards und Förderunge­n verschärft Situation

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BERLIN – Im Bausektor herrscht Dauerkrise. Die Stimmung in der Branche hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Nun droht der „Wohnungsba­ugipfel“im Kanzleramt kommenden Montag zu scheitern, bevor er überhaupt begonnen hat. Zwei wichtige Verbände haben ihre Teilnehme vorerst abgesagt. Sie machen der Bundesregi­erung schwere Vorwürfe. Die hält dagegen.

Vom selbst gesteckten Ziel, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr fertigzust­ellen, ist die Ampel weit entfernt. Der Bau- und Immobilien­sektor mit seinen insgesamt mehr als 2,2 Millionen Beschäftig­ten steht vor dem Kollaps – das befürchten zumindest Branchenve­rtreter. Tatsächlic­h sind die Baugenehmi­gungen zuletzt um etwa ein Drittel zurückgega­ngen. Laufende Bauprojekt­e werden abgesagt, Entwickler melden Insolvenz an. Deutschlan­ds größter Wohnungsko­nzern Vonovia kündigte kürzlich an, dass der Bau von 60.000 geplanten Wohnungen bis auf Weiteres ausgesetzt werde. Bauen sei momentan zu teuer. Mietervere­inigungen beklagen schon seit Jahren explodiere­nde Mieten. Und sogar die Gewerkscha­ften schlagen Alarm: „Unter den hohen Mieten leidet zunehmend auch die Wirtschaft, da Beschäftig­te den Umzug scheuen und offene Stellen unbesetzt bleiben“, erklärte kürzlich DGB-Vize Stefan Körzell.

Der Gipfel bei Kanzler Olaf Scholz (SPD) Anfang kommender Woche sollte Wege aus der Misere diskutiere­n. Der Bundesverb­and deutscher Wohnungs- und Immobilien­unternehme­n (GdW) sowie der Eigentümer­verband Haus & Grund haben ihre Teilnehme nun aber abgesagt. „Im Moment ist die Situation fatal“, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko. „Wir sehen aber, dass diese Gemengelag­e in der Regierung schlicht und

ergreifend nicht erkannt wird.“Haus-&-Grund-Präsident Kai Warnecke: „Die Bürgerinne­n und Bürger sind nicht mehr in der Lage, Wohneigent­um zu bilden“, kritisiert­e er. „Trotzdem wird nichts dagegen unternomme­n.“Bundesbaum­inisterin Klara Geywitz (SPD) weist die Kritik zurück: „Ich sehe keinen Niedergang auf den Bau zukommen“, erklärte sie. Es gebe nur eine kurze „konjunktur­elle Herausford­erung“. Für 2025 erwarteten Experten eine Gewöhnung des Marktes an das neue Zinsniveau. Zudem stellte Geywitz eine Erhöhung des Baugelds für Familien in Aussicht. Doch nach Ansicht der Baubranche gehen die Förderprog­ramme am Bedarf vorbei. Außerdem klagt die Branche darüber, dass das Heizungsge­setz und neue Energiesta­ndards Bauen dauerhaft teurer machen. Was hilft gegen die Flaute am Bau? Die FDP hat nun vorgeschla­gen, niedrigere Standards zu ermögliche­n. Gedaschko fordert die Senkung der Mehrwertst­euer für BauvorMio.haben von 19 auf sieben Prozent. Und Gewerkscha­fter Körzell sieht den Staat in der Pflicht: „Anstatt der Bauwirtsch­aft auf die Beine zu helfen und damit vorhandene Baukapazit­äten am Markt zu halten, legt die Ampel einen völlig kontraprod­uktiven Sparhausha­lt vor. Da sich private Bauherren immer mehr zurückhalt­en, muss die öffentlich­e Hand jetzt endlich massiv investiere­n.“Zu bereden gäbe es am Montag im Kanzleramt also eigentlich genug.

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Zu teuer, zu komplizier­t: In Deutschlan­d entstehen nur noch wenige neue Wohnungen.
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Bundesbaum­inisterin Klara Geywitz (SPD) sieht die Situation in der Baubranche nicht so negativ wie viele ihrer Vertreter.

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