Hamburg zahlt fast eine Milliarde an Berlin & Co.
REKORDSUMME Unterstützung für ärmere Bundesländer so hoch wie nie – und auch die Schulden schrumpfen
Statistisch hat jeder Hamburger im vergangenen Jahr fast 500 Euro für die Berliner, die Niedersachsen, die Sachsen und Thüringer gegeben. Und für die Bewohner der sieben anderen „Nehmerländer“, die Geld aus dem Länderfinanzausgleich bekommen. So viel wie im vergangenen Jahr hat Hamburg noch nie in den Topf gelegt, aus dem die ärmeren Länder unterstützt werden: 934 Millionen Euro, das toppt sogar den bisherigen Rekord aus dem Jahr davor. Hamburg hat aber noch einen weiteren Milliardenrekord zu verkünden – von dem auch nachfolgende Generationen profitieren. Schwimmt die Stadt plötzlich im Geld?
Insgesamt sind beim Länderfinanzausgleich im Jahr 2023 etwa 18,3 Milliarden Euro umverteilt worden, damit die Lebensverhältnisse in ganz Deutschland ungefähr gleich sind. Einzahler waren Bayern (das mit 9,1 Milliarden Euro und großem Widerwillen fast die Hälfte trägt), Baden-Württemberg (4,5 Milliarden), Hessen (3,4 Milliarden), Hamburg (934 Millionen) und Rheinland-Pfalz (320 Millionen). Den üppigsten Schluck aus der Pulle nimmt wie stets Nehmerland Berlin mit 3,8 Milliarden, gefolgt von Sachsen (3,4 Milliarden). Gleichzeitig vermeldet der Senat, dass Hamburg 2023 so viele Schulden tilgen konnte wie noch nie: Fast 2,5 Milliarden Euro an Krediten zahlte die Stadt im vergangenen Jahr zurück. Was man da an Zinsen spart, kann Hamburg gut gebrauchen, um die Gehaltssteigerungen seiner Angestellten und Beamten zu wuppen. Hamburgs Schuldenstand liegt mit 22,7 Milliarden Euro nun wieder auf Vor-Corona-Niveau. Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) spricht von einer „sehr guten Nachricht“: „Das wird künftige Generationen weiter entlasten.“
Dass Hamburg so viel Geld in den Ausgleichstopf der Länder packen kann, liegt vor allem an der Riesendividende, die die Stadt durch ihre Beteiligung an Hapag-Lloyd eingestrichen hat: 2022 und 2023 insgesamt mehr als zwei Milliarden Euro.
Während der Pandemie waren die Frachtraten für Container durch die Decke gegangen: Ein Standardcontainer von China nach Westeuropa kostete bis zu 14.000 Dollar, die Reedereien verdienten sich dumm und dusselig und konnten die Monstergewinne wegen der für sie geltenden Sonderregeln fast steuerfrei behalten. Der Höhenflug ist vorbei: Im Dezember 2023 kostete ein Container zwischen Schanghai und Rotterdam nur noch 1421 US-Dollar, der warme Hapag-Lloyd-Regen für Hamburg wird im nächsten Jahr also kein Wolkenbruch mehr sein.
Das weiß auch die Finanzbehörde: „In den Folgejahren dürfte der Hamburger Beitrag gemäß der letzten Steuerschätzung wieder deutlich absinken.“Solche besonderen Effekte gibt es auch in anderen Bundesländern. Rheinland-Pfalz etwa, seit 1950 durchgehend im Club der Nehmer, zahlt seit 2021 plötzlich ein, bisher ingesamt 713 Millionen – weil der Impfstoffhersteller Biontech seine Milliardengewinne dort versteuert. Hamburg hingegen ist seit 1950 fast durchgehend ein Geberland, nur 2013 und 2016 bekam der Stadtstaat Geld ausgezahlt. In den vergangenen zehn Jahren zahlte Hamburg gut 2,5 Milliarden Euro ein. Seit Gründung des Länderfinanzausgleichs 1950 flossen rund 14 Milliarden Euro aus Hamburg. Zum Vergleich: Bayern musste bereits 114 Milliarden Euro in den Ausgleichstopf zahlen – und das, obwohl es erst seit 1989 überhaupt ein Geberland ist. Derzeit klagt Bayern (zum dritten Mal) beim Bundesverfassungsgericht, weil das System „zutiefst ungerecht“sei. Berlin, die ostdeutschen Länder und einige notorisch klamme Länder im Westen wie Bremen oder Niedersachsen haben tatsächlich noch nie in die Ausgleichskasse eingezahlt. Finanzsenator Dressel sieht das anders: „In diesen bewegten Zeiten sind Verlässlichkeit und Solidarität unter den Ländern von besonderer Bedeutung. Vor diesem Hintergrund sollte der Freistaat Bayern seine Klage zurücknehmen.“