Verwirrung um Scholz-Satz
Videoschnipsel wird zum Lehrstück über Empörung bei Twitter
DRESDEN – Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erfährt für seine Absage an eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern viel Zustimmung – aber auch Ablehnung. Viele Gegner dieser Entscheidung sind ziemlich wütend. Doch dabei verrennen sich auch einige. So geschehen nach einem „Bürgerdialog“des Kanzlers in Dresden. Davon tauchte beim Kurznachrichtendienst Twitter kurz nach Ende der Veranstaltung ein Videoausschnitt auf. Darin ist zu sehen, wie Scholz mit erhobener Faust sagt: „Ja, Diplomaten statt Granaten ist der Satz, den wir gemeinsam skandieren Richtung Kreml nach Moskau.“Das Video verbreitete sich in rasender Geschwindigkeit – verbunden mit zahlreichen Vorwürfen: „Scholz verrät die Ukraine“oder „Scholz liefert uns an Putin aus“, war da zu lesen. Viele warfen ihm vor, Positionen der AfD oder von Sahra Wagenknecht zu übernehmen, die Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnen. Sogar Politiker und Journalisten sprangen auf den Empörungs-Zug auf.
Dumm nur: Das Video war sinnentstellend geschnitten. Denn tatsächlich hatte kurz zuvor ein Zuschauer dem Kanzler einen Aufkleber überreicht. Auf diesem stand: „Diplomaten statt Granaten“. Der Mann bat Scholz, diesen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zu überreichen – deren Partei eine Taurus-Lieferung eher befürwortet. Scholz zitierte also den Slogan – mit dem Zusatz, diese Forderung an Moskau zu richten. Allerdings: Scholz unterbrach für den Satz extra noch einmal die Moderatorin, die bereits zum nächsten Thema überleitete. Der Politik-Berater Johannes Hillje glaubt deshalb, dass Scholz den Moment ganz bewusst als „Testballon“genutzt hat. Er wolle sich als besonnen darstellen und im Lager der „Waffenlieferungsskeptiker“punkten.