Hamburger Morgenpost

Taten müssen warten

RECHTSRADI­KALISMUS Rathaus-Parteien streiten über ein AfD-Verbot

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ABB / pictureall­iance Foto:

Es war eine hitzige Debatte mit wenig Ertrag. Vergangene­n Mittwoch stritt die Bürgerscha­ft über den Umgang mit der AfD, um am Ende – natürlich gegen die AfDStimmen – einen Antrag zu verabschie­den, auch „weiterhin“bundesweit zu prüfen, „ob die hohen rechtliche­n Anforderun­gen an ein Parteiverb­otsverfahr­en im Fall der AfD umfassend erfüllt sind“. Abgelehnt wurde hingegen ein Vorstoß der Linken, der Senat solle sich sofort „für die Einleitung eines Verbotsver­fahrens gegen die AfD einsetzen“und in Hamburg darüber hinaus für ein Verbot der radikalen AfDJugendo­rganisatio­n „Junge Alternativ­e“(JA).

So einig sich die Parteien auch in der Bewertung der Hamburger AfD als weitgehend rechtsextr­emistische und „völkisch-nationale“Partei mit rassistisc­hen Inhalten sind, gegen die es die „Demokratie zu verteidige­n“gelte, so weit liegen sie in der Bewertung konkreter Schritte auseinande­r. Auch die Forderung der Linken,Linken der AfD keine Räume im Rathaus für Propaganda-Veranstalt­ungen zur Verfügung zu stellen, traf bei den anderen Parteien auf taube Ohren. „Solange nicht die gesamte AfD vom Verfassung­sschutz als rechtsextr­em eingestuft wird, ist das alles juristisch nicht umzusetzen“, verteidigt der SPD-Abgeordnet­e Danial Ilkhanipou­r die Zurückhalt­ung der rot-grünen Koalition. Genau diese Einstufung, die das Tor zu einem bundesweit­en Verbot der AfD öffnen würde, prüfen die Schlapphüt­e derzeit. Doch die Abwägung kann dauern, ihr Ergebnis ist ungewiss. So ist etwa die Hamburger AfD kein Beobachtun­gsobjekt des Verfassung­sschutzes, der den AfD-Landesverb­and nicht als „rechtsextr­emistisch“ausgericht­et einschätzt.

Die Linke, die das anders sieht, hätte ihre Forderunge­n gerne im Innenaussc­huss weiter diskutiert; „um ein Zeichen zu setzen, dass Hamburg alles gegen die AfD unternimmt, was möglich ist“. Doch die Überweisun­g ihres Antrags lehnten alle anderen Parteien teien ab und stimmten stattdesse­n dem rotgrünen Zusatzantr­ag zu, der keine einzige neue Maßnahme gegen die AfD enthält. Den hatte die Koalition in letzter Minute aus der Tasche gezogen, um in der Debatte nicht mit leeren Händen dazustehen.

Die Zurückhalt­ung der Bürgerscha­ftsmehrhei­t hat Gründe. Schon beim Versuch, die offensicht­lich rechtsextr­emistische NPD zu verbieten, scheiterte der Staat zweimal blamabel. Und am Mittwoch nutzte die AfD die Verbotsdeb­atte, um sich zum wiederholt­en Mal als Opfer „böswillige­r Unterstell­ungen“und eines „Lügengebil­des“darzustell­en, das nur den Zweck habe, sie ohne jede gesetzlich­e Grundlage als politische­n Konkurrent­en auszuschal­ten. „Dieser Antrag ist ein Turbo für die AfD“, kritisiert der CDU-Innenexper­te Dennis Gladiator den Vorstoß der Linken als Steilvorla­ge für die AfD-Propaganda. Ein Verbotsver­fahren sei zudem „keine Aufgabe des Parlaments, sondern eine der Sicherheit­sbehörden“.

Doch vielen der 60.000 Menschen, die vergangene­s Wochenende in Hamburg erneut gegen die AfD und einen gesellscha­ftlichen Rechtsruck demonstrie­rten, dürfte die zögerliche Haltung der Hamburger Politik genauso schwer zu vermitteln sein wie die Tatsache, dass die AfD am Tag nach der folgenlose­n Bürgerscha­ftsdebatte das Rathaus als Propaganda­bühne für einen Auftritt des Rechtsanwa­lts Ulrich Vosgerau (CDU) nutzen durfte (siehe S. 8/9). Vosgerau hatte an dem Geheimtref­fen in Potsdam teilgenomm­en, auf dem nach Informatio­nen des Recherche-Netzwerks „Correctiv“Rechtsextr­emisten, Unternehme­r und hochrangig­e AfD-Politiker:inen einen „Masterplan“entwickelt hatten, Menschen mit Migrations­hintergrun­d aus Deutschlan­d zu vertreiben – auch solche mit deutscher Staatsbürg­erschaft.

„Vosgerau und die Deportatio­nspläne der AfD haben im Rathaus nichts zu suchen. Nehmen wir das Verbot der AfD selbst in die Hand!“, hatte die Interventi­onistische Linke angekündig­t, die, anders als die AfD, vom Hamburger Verfassung­sschutz unter die Lupe genommen wird. Ihr Versuch, die Veranstalt­ung zu verhindern, scheiterte an einem massiven Polizeiauf­gebot. Die Woche im Rathaus – kraftvolle Signale einer entschiede­nen Bekämpfung der AfD hatte sie wirklich nicht zu bieten.

MOPO Talk live: „Wie weiter nach den Anti-AfD-Demos? – Strategien gegen rechts“, Do, 14. März 2024, 18.30 Uhr, „Atelier gausz“, Gaußstraße 60. Teilnerhme­r:innen: Andy Grote (Innensenat­or, SPD), Christiane Schneider (Hamburger Bündnis gegen Rechts), Dr. Nils Schuhmache­r (Kriminolog­e, Universitä­t Hamburg), Andreas Speit (Autor, Rechtsextr­emismusexp­erte). Moderation: Marco Carini. Eintritt frei, Voranmeldu­ng erbeten, Eventbrite. com

Vielen Menschen dürfte die zögerliche Haltung der Hamburger Politik schwer zu vermitteln sein.

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Mehr als 50.000 Menschen demonstrie­rten am 19. Januar auch vor dem Hamburger Rathaus.
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Seit vielen Jahren intimer Kenner der Hamburger Politik: MOPOKolumn­ist Marco Carini

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