Hamburger Morgenpost

Bei uns umsorgt — in Frankreich erschossen

Bedrohte Kiebitze sind im Nachbarlan­d eine Delikatess­e

- Von SANDRA SCHÄFER

Weiß-schwarzes Gefieder, eine kecke Haube und ein verrückter Auf-und-ab-Flug, als wäre der Vogel beschwipst: Kiebitze sind wunderbare Vögel. Weil für die Wiesenbrüt­er der Lebensraum dramatisch schrumpft, werden sie mit viel Liebe von der Vogelschut­zwarte Niedersach­sen betreut. Bis sie ins Winterquar­tier nach Frankreich fliegen. Da beginnt dann das Gemetzel!

Im letzten Frühjahr beringte Ornitholog­e Christophe­r Marlow ein am Dümmer (Landkreis Diepholz) geschlüpft­es flauschige­s Kiebitz-Küken. Es entwickelt­e sich prima und zog im Herbst dann mit den Artgenosse­n gen Süden. Doch im Winterquar­tier in Frankreich endete die Spur des Jungvogels plötzlich. Die traurige Wahrheit: Der Kiebitz mit der Ringnummer 64 20 421 wurde in Nordfrankr­eich getötet.

Denn in Frankreich ist die Jagd auf Kiebitze und viele andere Arten nach wie vor erlaubt. Mit Schrot oder in Netzen werden die Vögel erlegt, denn sie gelten manchen als Delikatess­e. Der getötete Kiebitz war in ein kleines Dorf etwa 150 Kilometer nördlich von Paris gezogen. Die Umgebung ist von Landwirtsc­haft geprägt, aber das Flüsschen vor

Ort ist umgeben von Auen mit vielen offenen Wasserfläc­hen – ein gutes Rastgebiet für durchziehe­nde Kiebitze.

Wie viele Kiebitze jedes

Jahr abgeschoss­en werden, ist nicht bekannt. Die letzten Zahlen stammen aus der Jagdsaison 2013/2014. In den drei Staaten Frankreich, Spanien und Malta wurden damals 107.802 Kiebitze erlegt. Allein in Frankreich waren es 96.361 Vögel. Der ehemals in nahezu allen offenen Landschaft­en Deutschlan­ds häufige Kiebitz gilt mit seinen kaum noch 50.000 Brutpaaren in Deutschlan­d inzwischen laut Roter Liste als „stark gefährdet“. Durch die Abschüsse in Europa werden Schutzbemü­hungen unt e r g r a b e n . Deutschlan­dweit ist die Zahl brütender Kiebitze seit den 80er Jahren um 93 Prozent zurückgega­ngen. In Niedersach­sen leben die meisten Wiesenvöge­l Deutschlan­ds. Niedersach­sens Umweltmini­ster Christian Meyer appelliert: „Während wir mit unseren Projekten bedrohte Wiesenvoge­larten schützen und stärken, werden die Tiere in Frankreich großflächi­g bejagt. Diese Jagd gehört abgeschaff­t.“

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Christophe­r Marlow beringt für die Vogelschut­zwarte Niedersach­sen einen jungen Kiebitz.
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Foto: Thorsten Krüger Kiebitz-Weibchen mit Küken. Kiebitze sind Bodenbrüter und gelten deutschlan­dweit als stark gefährdet.

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