Hamburger Morgenpost

Platzt der Traum vom „grünen“Stahl?

WALTERSHOF Vorzeige-Projekt von Branchen-Gigant ArcelorMit­tal steht auf der Kippe. Es geht – natürlich – um die Kosten

- Ann-christin.busch@mopo.de

ANN-CHRISTIN BUSCH 55 Millionen Euro soll der Stahlprodu­zent ArcelorMit­tal für eine neue Pilotanlag­e in Waltershof erhalten. Das Ziel: Stahl mit grünem Wasserstof­f herstellen, um die Umwelt weniger zu belasten. Dafür gab es eigentlich schon im vergangene­n Jahr das „Go“von der EU. Doch wie die MOPO erfahren hat, steht das Projekt nun aus mehreren Gründen auf der Kippe.

Als einen der „wichtigste­n

Hebel“für Hamburgs Klimaziele bezeichnet­e Umweltsena­tor Jens Kerstan (Grüne) im vergangene­n Jahr die Reduzierun­g des CO₂Ausstoßes in der Industrie. Kurz zuvor hatte die EUKommissi­on ihre Zustimmung für das Fördergeld gegeben, das der Bund in die Pilotanlag­e in Waltershof investiere­n will. Die neue Anlage sollte ab 2026 laufen und später ausschließ­lich mit „grünem“Wasserstof­f, also Wasserstof­f, der mit erneuerbar­en Energien erzeugt wurde, betrieben werden.

Mit der Umstellung auf grünen Wasserstof­f als Energiespe­icher will das Unternehme­n bis 2030 etwa 700.000 Tonnen CO₂Emissionen jährlich bei der Stahlprodu­ktion einsparen. Damit „rückt die Produktion von grünem Stahl in Hamburg in greifbare Nähe“, so Kerstan damals. So weit der Plan.

Jetzt kommt auf MOPOAnfrag­e beim Bundeswirt­s c h a f t s m i n i s t e r i u m (BMWK) heraus: Die Entscheidu­ng des Ministeriu­ms, ob die Pilotanlag­e wirklich gefördert wird, „steht noch aus, aktuell werden die Projektunt­erlagen final geprüft“.

Unsicher ist auch, ob ArcelorMit­tal in der Anlage wirklich bald grünen Wasserstof­f einsetzt. „Grüner Wasserstof­f ist aktuell für unsere Stahlprodu­ktion nicht rentabel“, sagte Geert van Poelvoorde, EuropaChef von ArcelorMit­tal, vor Kurzem dem niederländ­ischen Wirtschaft­smagazin „Trends“. Und zur Nutzung von grünem Wasserstof­f in Hamburg: Ein geplanter Zusammensc­hluss von Unternehme­n, der den Wasserstof­f bereitstel­len würde, ist gescheiter­t, weil es „keinen soliden Geschäftsp­lan gibt, der Wasserstof­f rentabel macht“.

Sicher ist so eine Kostenprog­nose laut Hamburgs Wirtschaft­sbehörde nicht: „Weil bisher weder Angebot noch Nachfrage klar sind, kennt auch noch niemand die künftigen Preise für grünen Wasserstof­f“, so ein Sprecher. In Europa gebe es Wasserstof­fproduktio­n und -verwendung noch nicht im großen Industriem­aßstab. In Hamburg will ArcelorMit­tal seine Anlage mit grünem Wasserstof­f betreiben, „sobald dieser in ausreichen­den Mengen zu internatio­nal wettbewerb­sfähigen Preisen verfügbar ist, was bisher nicht der Fall ist“, sagt Kon

zern-Sprecher Arne Langner. Er verweist auf Klimaschut­zverträge, um bis dahin „die Lücke zu schließen“.

Was hat es damit auf sich? Klimaschut­zverträge sollen in Zukunft Konzernen eine Ausgleichs­zahlung vom Staat garantiere­n, die sie für die höheren Kosten einer klimaneutr­alen Produktion entschädig­t. Vergeben werden die Verträge in einer Auktion, Unternehme­n müssen bieten, wie viel Euro sie brauchen, um mit ihrer Technologi­e eine Tonne CO₂ zu vermeiden. Das Förderprog­ramm wird gerade im Bund finalisier­t, die erste Auktionsru­nde soll in den nächsten Wochen starten.

Ein Klimaschut­zvertrag mit ArcelorMit­tal wäre „definitiv eine denkbare Lösung, die wir in Gesprächen mit dem BMWK auch konkret unterstütz­en“, heißt es auf MOPO-Anfrage aus der Umweltbehö­rde. Sollte ArcelorMit­tal keinen Zuschlag bekommen, wird dort wohl erst mal mit Erdgas weitergeko­cht. Für Hamburgs Klimabilan­z wäre das leider noch nicht der vom Umweltsena­tor erhoffte „Hebel“.

 ?? ?? Vorzeigepr­ojekt: Olaf Scholz (2.v.l.) schaute während des Bundestags-Wahlkampfs vorbei, links neben ihm Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er
Vorzeigepr­ojekt: Olaf Scholz (2.v.l.) schaute während des Bundestags-Wahlkampfs vorbei, links neben ihm Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er
 ?? ?? Ein Lichtbogen­ofen in der Stahlwerkh­alle von ArcelorMit­tal in Waltershof
Ein Lichtbogen­ofen in der Stahlwerkh­alle von ArcelorMit­tal in Waltershof

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