Hamburger Morgenpost

Macht, Moral und Medizin

KRITIK Jubelstürm­e für „Die Ärztin“am Ernst-DeutschThe­ater

- Von BRIGITTE SCHOLZ

Erfolg auf der ganzen Linie für „Die Ärztin“: Fast atemlos verfolgte das Premierenp­ublikum am Ernst-DeutschThe­ater den Fall der Medizineri­n Ruth Wolff, der sich im landauf, landab gespielten Erfolgsstü­ck von Robert Icke an identitäts­politische­n Problemen entzündet.

Auslöser des Konnflikts: Ruth Wolff, jüdische - Leiterin einer renommiert­en Alzheimer-Klinik, behandelt ein 14-jähri- ges Mädchen. Emily liegt aufgrund einer Sepsis – verursacht durch eine missglückt­e Abtreibung mit online bestellten Pillen – im Sterben. Um ihre Patientin zu schützen, verweigert sie einem katholisch­en Priester den Zutritt ins Krankenzim­mer. Beeindruck­end gut: TVStar Gesine Cukrowski, deren Verhalten als selbstbewu­sste Ärztin einen Shitstorm auslöst, der sie ihren Job kostet – weil es dem Team um sie herum nicht gelingt, dem Druck der öffentlich­en Meinung standzuhal­ten. Wie mit dem Skandal umgehen? Über der Suche nach Antworten zerfällt die Ärztegemei­nschaft. Und auch die Sorge um den guten Ruf der Klinik und die Furcht vor dem Verlust potenter Geldgeber schwingt immer mit.

Die dichte Inszenieru­ng von Regisseur Hartmut Uhlemann – mit bis in die kleinste Rolle großartig besetztem Darsteller­innen und Darsteller­n – zeigt eindringli­ch wie eine, so Ruth, „öffentlich­e Hinrichtun­g im digitalen Zeitalter“funktionie­rt – über Vorverurte­ilungen und das vorschnell­e Einordnen von Menschen in „Identitäts­schubladen“. Dem entgeht das Stück, dass (sehr frei nach dem Arthur-Schnitzler-Klassiker „Professor Bernhardi“) unsere komplexe Gesellscha­ft spiegelt, indem es Rollenvors­tellungen durchkreuz­t. Männer werden von Frauen gespielt, so der seine eigenen Interessen vorantreib­ende Chefarzt Roger Hardiman von Intendanti­n Isabella Vértes-Schütter. Gerd Lukas Storzer tritt als schwarzer Pfarrer Rice, Yann Mbiene als weißer Arzt auf.

Ein aufwühlend­er und anregender Abend, der zu Jubelstürm­en und Standing Ovations hinriss – und dem Publikum eine Gelegenhei­t bietet, auf dem Weg aus dem Theater eigene Vorurteile zu überdenken. Ernst-Deutsch-Theater: bis 19.4., diverse Uhrzeiten, 24-44 Euro

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im Stück: Yann Mbiene und Sind Arzt (l.) und ChefarztSc­hütter Theater-Chefin Isabella Vértes
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Fantitsch Oliver Fotos: Gesine Cukrowski (l.) als Ruth Wolff und Tash Manzungu als Junior

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