Park und leere Immobilien: Hier will der Senat Geflüchtete unterbringen
CDU-Fraktionschef Thering: „Bankrotterklärung“
Nach der Linken hat auch die CDU in der Hamburgischen Bürgerschaft die Pläne der Sozialbehörde, Geflüchtete notfalls in Zelten in öffentlichen Parks und auf Festplätzen unterzubringen, scharf kritisiert – allerdings aus ganz anderen Gründen. Während Carola Ensslen, die fluchtpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, dem Senat bereits am Montag vorgeworfen hatte, Schutzsuchende „zu Sündenböcken“zu machen, und die Unterbringung in Zelten insgesamt infrage gestellt hatte, hob die Union darauf ab, dass Bund und Länder noch immer keine wirksamen Maßnahmen ergriffen hätten, um den Zuzug von Schutzsuchenden nach Deutschland und Hamburg deutlich zu begrenzen. CDU-Fraktionschef Dennis Thering sprach gestern von einer Bankrotterklärung des rot-grünen Senats: „Vor sechs Monaten haben drei SPD-Senatoren Alarm geschlagen, dass die Stadt mit der Flüchtlingskrise überfordert sei. Passiert ist seitdem zu wenig.“Mittlerweile sei die Situation bei der Flüchtlingsunterbringung so prekär, dass wieder auf Parks und Festplätze zurückgegriffen werden müsse. „Turnhallen werden dann sicherlich bald noch folgen. Und von Bürgermeister Tschentscher ist zu diesem weitreichenden Schritt nichts zu hören.“Dass Sozialstaatsrätin Petra Lotzkat in einem Schreiben lediglich die Bezirksparlamente darüber informiert habe, sei unangemessen. Thering warnte davor, dass ohne eine Begrenzung der Menge von Geflüchteten die Akzeptanz in der Bevölkerung „spürbar weiter sinken“werde: „Die Integration wird so immer weiter erschwert.“Nach seiner Sitzung hat der Senat gestern seine Pläne zur Unterbringung von Geflüchteten detaillierter vorgestellt. Mit der Reaktivierung
einer alten Gesetzesregelung wolle man die Möglichkeit schaffen, leerstehende und ungenutzte Immobilien auch zwangsweise zur Unterbringung von Flüchtlingen nutzen zu können.
Ein entsprechender Gesetzentwurf, der erneut eine vorübergehende und befristete Sicherstellung solcher Immobilien gegen Entschädigung vorsieht, soll in die Bürgerschaft eingebracht werden. Die Regelung im Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung war 2015 eingerichtet worden und 2017 ausgelaufen. Sie soll den Angaben zufolge nun zunächst bis März 2026 befristet werden. „Damals wie heute soll die rechtliche Handlungsfähigkeit der verantwortlichen Behörden gesichert werden, um den staatlichen Schutzauftrag gewährleisten zu können und Obdachlosigkeit für schutzsuchende Menschen in jedem Fall zu verhindern, wenn die Platzkapazitäten nicht mehr schnell genug ausgeweitet oder wegfallende Plätze nicht rechtzeitig ersetzt werden können“, teilte die Innenbehörde mit.
Die von der Opposition kritisierte mögliche Unterbringung von Schutzsuchenden in öffentlichen Parks findet nur indirekt als „Not- und Interimskapazitäten“Erwähnung: „Sowohl Fachbehörden, Bezirksämter als auch die Landesbetriebe und öffentlichen Unternehmen sind permanent gefordert, potenziell geeignete Liegenschaften zu identifizieren und zu melden.“
Für den nun vorgestellten Plan fand die Linke lobende Worte: Man begrüße, dass der Senat sich nun „für die Nutzung leerstehender Grundstücke einsetzen will“, so Ensslen. Die Reaktivierung dieser Regelung habe ihre Partei aber schon Ende 2022 gefordert.
Die Pläne: hochfliegend, wie so oft bei dem Investor Tomislav Karajica. 2018 hatte der Projektentwickler mit seiner Firma „Imvest Planen und Bauen GmbH“den denkmalgeschützten Sassenhof in Schnelsen gekauft, aber nicht entwickelt – und vor wenigen Wochen meldete das Unternehmen Insolvenz an. Kurz vorher wurde das zunehmend verrottete Hof-Ensemble offenbar verkauft, wie nun aus einer CDU-Anfrage hervorgeht. Die Abgeordnete Silke Seif wollte wissen, wie es mit dem von den Schnelsenern sehr geliebten Sassenhof nun weitergeht.
Wem die historische Hofstätte mit den großen alten Bäumen seit Januar 2024 gehört, verrät der Senat nicht. Wer ein berechtigtes Interesse nachweisen kann, könne den Namen des Privateigentümers ja im Grundbuch nachsehen, heißt es in der Antwort. Ein „Trauerspiel“nennt die Schnelsener CDUBürgerschaftsabgeordnete Silke Seif den jahrelangen Stillstand rund um die zunehmend verfallenen Gebäude.
1759 wurde die Hofanlage wegen eines Besitzerwechsels erstmals erwähnt, die alten Gebäude müssen also mehr als 265 Jahre alt sein. „Der Sassenhof ist so malerisch wie Bauernhäuser in Kinderbüchern“, schwärmt die Deutsche Stiftung Denkmalschutz. Ein uraltes reetgedecktes Hallenhaus gehört
dazu, außerdem ein Wohngebäude von 1906 und Stallungen aus Backstein – letzte Zeugen der Vergangenheit Schnelsens als holsteinisches Bauerndorf, während der Stadtteil heute von der A7 durchschnitten wird und den meisten Hamburgern besonders als Ikea-Standort bekannt sein dürfte.
Für die Bewohner, so Silke Seif, sei der seit 1988 denkmalgeschützte Hof „ein Stück Heimatgeschichte“, dessen Niedergang zu einem „Lost Place“mit Unverständnis einhergeht. Das idyllische Ensemble wurde durch „Imvest Planen und Bauen GmbH“zwar gegen Regenwasser abgedichtet und die Fenster und Türen gegen Vandalismus mit Brettern verrammelt, aber mehr ist nicht passiert. Das erinnert an weitere Immobilienprojekte des Tomislav Karajica, die nicht in Schwung kamen, wie das alte Telekom-Hotel, das E-Sportler aus aller Welt nach Nettelnburg locken sollte, oder die Sporthalle „Elbdome“, die die Hamburger Skyline prägen sollte. Tatsächlich scheint eine kommerzielle Nutzung des Sassenhofes schwierig. Vor Karajica waren offenbar schon die Vorbesitzer am Denkmalschutz gescheitert: „Eine Nutzung als Hotelanlage oder Alten- und Pflegeheim, wie es die Voreigentümer in Erwägung zogen, hätte zu großen Eingriffen in die Denkmalsubstanz geführt“, hieß es bereits 2020 vom Senat. Auch Neubauten auf dem Hofgelände seien unerwünscht.
Dabei hatte der CDU-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Kruse aus Schnelsen sogar so erfolgreich in Berlin für den Hof in seinem Wahlkreis getrommelt, dass der Haushaltsausschuss vor drei Jahren 1,4 Millionen Euro für die Sanierung lockermachte. Das Fördergeld liegt immer noch parat, bis Ende 2026. Die „Planungstiefe“sei noch nicht erreicht, erklärt der Senat dazu – und es klingt nicht so, als würde sich in nächster Zukunft etwas tun auf dem verwunschenen Gelände: Derzeit bereite der neue Eigentümer die Planung der Sanierung vor, heißt es vage vom Senat. Was dort entstehen soll, sei nicht bekannt. „Somit geht das Trauerspiel um den denkmalgeschützten Sassenhof in eine weitere Runde“, fürchtet Silke Seif.