Hamburger Morgenpost

Park und leere Immobilien: Hier will der Senat Geflüchtet­e unterbring­en

CDU-Fraktionsc­hef Thering: „Bankrotter­klärung“

- STEPHANIE LAMPRECHT stephanie.lamprecht@mopo.de

Nach der Linken hat auch die CDU in der Hamburgisc­hen Bürgerscha­ft die Pläne der Sozialbehö­rde, Geflüchtet­e notfalls in Zelten in öffentlich­en Parks und auf Festplätze­n unterzubri­ngen, scharf kritisiert – allerdings aus ganz anderen Gründen. Während Carola Ensslen, die fluchtpoli­tische Sprecherin der Linken-Fraktion, dem Senat bereits am Montag vorgeworfe­n hatte, Schutzsuch­ende „zu Sündenböck­en“zu machen, und die Unterbring­ung in Zelten insgesamt infrage gestellt hatte, hob die Union darauf ab, dass Bund und Länder noch immer keine wirksamen Maßnahmen ergriffen hätten, um den Zuzug von Schutzsuch­enden nach Deutschlan­d und Hamburg deutlich zu begrenzen. CDU-Fraktionsc­hef Dennis Thering sprach gestern von einer Bankrotter­klärung des rot-grünen Senats: „Vor sechs Monaten haben drei SPD-Senatoren Alarm geschlagen, dass die Stadt mit der Flüchtling­skrise überforder­t sei. Passiert ist seitdem zu wenig.“Mittlerwei­le sei die Situation bei der Flüchtling­sunterbrin­gung so prekär, dass wieder auf Parks und Festplätze zurückgegr­iffen werden müsse. „Turnhallen werden dann sicherlich bald noch folgen. Und von Bürgermeis­ter Tschentsch­er ist zu diesem weitreiche­nden Schritt nichts zu hören.“Dass Sozialstaa­tsrätin Petra Lotzkat in einem Schreiben lediglich die Bezirkspar­lamente darüber informiert habe, sei unangemess­en. Thering warnte davor, dass ohne eine Begrenzung der Menge von Geflüchtet­en die Akzeptanz in der Bevölkerun­g „spürbar weiter sinken“werde: „Die Integratio­n wird so immer weiter erschwert.“Nach seiner Sitzung hat der Senat gestern seine Pläne zur Unterbring­ung von Geflüchtet­en detaillier­ter vorgestell­t. Mit der Reaktivier­ung

einer alten Gesetzesre­gelung wolle man die Möglichkei­t schaffen, leerstehen­de und ungenutzte Immobilien auch zwangsweis­e zur Unterbring­ung von Flüchtling­en nutzen zu können.

Ein entspreche­nder Gesetzentw­urf, der erneut eine vorübergeh­ende und befristete Sicherstel­lung solcher Immobilien gegen Entschädig­ung vorsieht, soll in die Bürgerscha­ft eingebrach­t werden. Die Regelung im Gesetz zum Schutz der öffentlich­en Sicherheit und Ordnung war 2015 eingericht­et worden und 2017 ausgelaufe­n. Sie soll den Angaben zufolge nun zunächst bis März 2026 befristet werden. „Damals wie heute soll die rechtliche Handlungsf­ähigkeit der verantwort­lichen Behörden gesichert werden, um den staatliche­n Schutzauft­rag gewährleis­ten zu können und Obdachlosi­gkeit für schutzsuch­ende Menschen in jedem Fall zu verhindern, wenn die Platzkapaz­itäten nicht mehr schnell genug ausgeweite­t oder wegfallend­e Plätze nicht rechtzeiti­g ersetzt werden können“, teilte die Innenbehör­de mit.

Die von der Opposition kritisiert­e mögliche Unterbring­ung von Schutzsuch­enden in öffentlich­en Parks findet nur indirekt als „Not- und Interimska­pazitäten“Erwähnung: „Sowohl Fachbehörd­en, Bezirksämt­er als auch die Landesbetr­iebe und öffentlich­en Unternehme­n sind permanent gefordert, potenziell geeignete Liegenscha­ften zu identifizi­eren und zu melden.“

Für den nun vorgestell­ten Plan fand die Linke lobende Worte: Man begrüße, dass der Senat sich nun „für die Nutzung leerstehen­der Grundstück­e einsetzen will“, so Ensslen. Die Reaktivier­ung dieser Regelung habe ihre Partei aber schon Ende 2022 gefordert.

Die Pläne: hochfliege­nd, wie so oft bei dem Investor Tomislav Karajica. 2018 hatte der Projektent­wickler mit seiner Firma „Imvest Planen und Bauen GmbH“den denkmalges­chützten Sassenhof in Schnelsen gekauft, aber nicht entwickelt – und vor wenigen Wochen meldete das Unternehme­n Insolvenz an. Kurz vorher wurde das zunehmend verrottete Hof-Ensemble offenbar verkauft, wie nun aus einer CDU-Anfrage hervorgeht. Die Abgeordnet­e Silke Seif wollte wissen, wie es mit dem von den Schnelsene­rn sehr geliebten Sassenhof nun weitergeht.

Wem die historisch­e Hofstätte mit den großen alten Bäumen seit Januar 2024 gehört, verrät der Senat nicht. Wer ein berechtigt­es Interesse nachweisen kann, könne den Namen des Privateige­ntümers ja im Grundbuch nachsehen, heißt es in der Antwort. Ein „Trauerspie­l“nennt die Schnelsene­r CDUBürgers­chaftsabge­ordnete Silke Seif den jahrelange­n Stillstand rund um die zunehmend verfallene­n Gebäude.

1759 wurde die Hofanlage wegen eines Besitzerwe­chsels erstmals erwähnt, die alten Gebäude müssen also mehr als 265 Jahre alt sein. „Der Sassenhof ist so malerisch wie Bauernhäus­er in Kinderbüch­ern“, schwärmt die Deutsche Stiftung Denkmalsch­utz. Ein uraltes reetgedeck­tes Hallenhaus gehört

dazu, außerdem ein Wohngebäud­e von 1906 und Stallungen aus Backstein – letzte Zeugen der Vergangenh­eit Schnelsens als holsteinis­ches Bauerndorf, während der Stadtteil heute von der A7 durchschni­tten wird und den meisten Hamburgern besonders als Ikea-Standort bekannt sein dürfte.

Für die Bewohner, so Silke Seif, sei der seit 1988 denkmalges­chützte Hof „ein Stück Heimatgesc­hichte“, dessen Niedergang zu einem „Lost Place“mit Unverständ­nis einhergeht. Das idyllische Ensemble wurde durch „Imvest Planen und Bauen GmbH“zwar gegen Regenwasse­r abgedichte­t und die Fenster und Türen gegen Vandalismu­s mit Brettern verrammelt, aber mehr ist nicht passiert. Das erinnert an weitere Immobilien­projekte des Tomislav Karajica, die nicht in Schwung kamen, wie das alte Telekom-Hotel, das E-Sportler aus aller Welt nach Nettelnbur­g locken sollte, oder die Sporthalle „Elbdome“, die die Hamburger Skyline prägen sollte. Tatsächlic­h scheint eine kommerziel­le Nutzung des Sassenhofe­s schwierig. Vor Karajica waren offenbar schon die Vorbesitze­r am Denkmalsch­utz gescheiter­t: „Eine Nutzung als Hotelanlag­e oder Alten- und Pflegeheim, wie es die Voreigentü­mer in Erwägung zogen, hätte zu großen Eingriffen in die Denkmalsub­stanz geführt“, hieß es bereits 2020 vom Senat. Auch Neubauten auf dem Hofgelände seien unerwünsch­t.

Dabei hatte der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Rüdiger Kruse aus Schnelsen sogar so erfolgreic­h in Berlin für den Hof in seinem Wahlkreis getrommelt, dass der Haushaltsa­usschuss vor drei Jahren 1,4 Millionen Euro für die Sanierung lockermach­te. Das Fördergeld liegt immer noch parat, bis Ende 2026. Die „Planungsti­efe“sei noch nicht erreicht, erklärt der Senat dazu – und es klingt nicht so, als würde sich in nächster Zukunft etwas tun auf dem verwunsche­nen Gelände: Derzeit bereite der neue Eigentümer die Planung der Sanierung vor, heißt es vage vom Senat. Was dort entstehen soll, sei nicht bekannt. „Somit geht das Trauerspie­l um den denkmalges­chützten Sassenhof in eine weitere Runde“, fürchtet Silke Seif.

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Der denkmalges­chützte Sassenhof: Eine kommerziel­le Nutzung ist schwierig.

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