Kein Glück mit Helene
Am 28. August 1864 standen sich in Genf zwei Männer mit Pistolen gegenüber. „Kugelwechsel bis zur Kampfunfähigkeit“hatte man vereinbart. Herausforderer dieses anachronistischen Machtkampfes war ausgerechnet der Verfechter einer modernen Gesellschaftsordnung.
Der 1825 in Breslau Geborene hatte sich als Radikaldemokrat an der Revolution 1848/1849 beteiligt und für
Karl Marx’ „Neue Rheinische Zeitung“gearbeitet. 1863 wählte ihn der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein zum Präsidenten.
Der pragmatische Sozialist forderte allgemeines Wahlrecht und strebte die Einigung deutscher Kleinstaaten unter preußischer Führung an. In einem Brief an Bismarck äußerte er sogar die Vorstellung eines „Volkskönigtums“. Im Monarchen sähe er den „natürlichen Träger der sozialen
Diktatur im Gegensatz zu dem Egoismus der bürgerlichen Gesellschaft“– was ein etwas problematisches Verhältnis des Arbeiterführers zur Demokratie offenbart. Zur Ursache seines Verderbens wurde eine erotische Fehldiagnose. In Berlin traf er Helene von Dönniges, eine ebenso frühreife wie temperamentvolle Diplomatentochter. In einem Genfer Kurhotel begegnete man sich wieder, und der rhetorisch rasante Revoluzzer eroberte Helenes Herz im Sturm. Sie ahnte ihres Vaters mangelnde Begeisterung für diese Liaison voraus. Es galt, Tatsachen zu schaffen – zu allem bereit, eilte sie ins Hotelzimmer des Geliebten. Der reagierte überraschend gutbürgerlich: Er brachte das Mädchen persönlich zum Vater zurück, hielt um ihre Hand an und wunderte sich über den folgenden Rausschmiss. Anschließend ließ er alle prominenten Beziehungen spielen, um den brachialen Brautvater unter Druck zu setzen. Derweil hatte Helene den ihr unverständlichen Rückzieher des Verehrers abgehakt, sich mit den Eltern versöhnt und mit einem feurigen Jüngling namens Janko von Rakovita verlobt. Nur „um nicht als Narr dazustehen“, forderte der Arbeiterführer Rakovita zum Duell und schoss damit das Eigentor seines Lebens. Er verfehlte den Nebenbuhler, der seinerseits ihn tödlich verletzte. Kurz darauf heiratete Helene von Dönniges den Todesschützen. Friedrich Engels betrauerte den Verstorbenen in einem Brief an Karl Marx: „Politisch war er sicher einer der bedeutendsten Kerle in Deutschland.“Marx konterte kalt: „Er war ein Dandy der Revolution. Die Arbeiterklasse kann Menschen seines Schlages nicht brauchen.“Wie hieß der unterlegene Duellant?