Hamburger Morgenpost

„Der Tenor ist: Hansa macht alles richtig“

INTERVIEW Rostock-Reporter Sönke Fröbe über die Fan-Lage beim nächsten St. Pauli-Gast

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Beim letzten Rostocker Auftritt auf St. Pauli wurde ein Ordner verletzt und viele WC-Anlagen im Gästeberei­ch zerstört. Wird es wieder Randale geben?

Sönke Fröbe: Das kann ich nicht seriös einschätze­n. Da ich schon einige Derbys erlebt habe, würde es mich freuen, wenn es ruhig bleibt. Aber es würde mich leider auch überrasche­n.

Vor einigen Monaten kündigte Mecklenbur­gs Sportminis­terin Stefanie Drese Maßnahmen gegen die Fan-Gewalt an. Was ist seitdem passiert?

Es gab im Januar ein Treffen des Hansa-Vorstands mit dem Sport- und dem Innenminis­terium. Aber daraus ist nichts Greifbares erfolgt. Im

Grunde lautet der Tenor: Hansa macht alles richtig und auch genug.

Von Rostocker Verantwort­lichen hört man manchmal, sie könnten wenig bis nichts gegen die Situation tun. Eine Veränderun­g müsste aus der Fanszene selbst kommen. Was halten Sie davon?

Da ist sicherlich etwas dran. Wir haben ein gesellscha­ftliches Problem, das sich in die Stadien verlagert. Es ist auch nicht so, dass gar nichts passiert. Wenn Personen identifizi­ert werden, gibt es Stadionver­bote. Aber die Verlautbar­ungen des Vereins sind manchmal relativier­end. Wenn etwas passiert, wird gerne gesagt: Das waren nur 100 oder 150 Leute, der Rest der Fans war friedlich. Das stimmt zwar, aber ich habe den Eindruck, dass diese Leute sich in der Masse verstecken können.

Da würde man sich deutlicher­e Worte wünschen. Denken Sie denn, eine solche „Selbstrein­igung“der Fanszene wäre möglich?

Ich glaube, tatsächlic­h nicht. Zivilcoura­ge ist eine schöne Sache, aber manchmal auch Wunschdenk­en.

Sie sind auch persönlich betroffen: Im Mai 2023 trug Hansa-Pressespre­cherin Marit Scholz ein T-Shirt mit der Aufschrift „FCK SFR“. Im März 2024 wurden Sie und Marcel Reif von Hansa-Fans auf einem Banner geschmäht und aufgeforde­rt, „das Maul“zu halten. 2021 ist Ihnen die Akkreditie­rung entzogen worden, wogegen die „Ostsee-Zeitung“erfolgreic­h geklagt hat. Wie arbeitet man als Sportjourn­alist unter solchen Bedingunge­n?

Das ist natürlich nicht optimal. Nach dem Hausverbot 2021 hatte sich das Verhältnis eigentlich normalisie­rt. Deshalb kam die Zuspitzung mit dem T-Shirt völlig überrasche­nd und ist für mich immer noch unerklärli­ch. Damals habe ich mit Spielern und dem Trainer gesprochen, die die Aktion unmöglich fanden. Aber von Offizielle­n gibt es bis heute immer eine gewisse Distanz gehalten, um möglichst objektiv und unvoreinge­nommen berichten zu können. Ich jubele nicht auf der Pressetrib­üne, wenn Hansa ein Tor schießt. Wie ich über die positiven Dinge berichte, berichte ich auch über die negativen. Vielleicht werden Journalist­en bei Hansa generell eher als Störenfrie­de wahrgenomm­en.

Zum Sportliche­n: St. Pauli schwächelt derzeit. Was trauen Sie Hansa in Hamburg zu?

Wenn St. Pauli nicht wirklich gerade in einer großen Krise ist, hängt das vermutlich komplett von ihnen ab. Ich glaube nicht, dass Hansa absteigt, aber die Punkte müssen sie wohl woanders holen. Alles andere als ein St. Pauli-Sieg wäre überrasche­nd.

Das heißt, die beiden Vereine sehen sich nächstes Jahr eher nicht wieder?

Davon ist auszugehen. Trotz der jüngsten Rückschläg­e glaube ich nicht, dass St. Pauli so kurz vor der Ziellinie noch entscheide­nd ins Straucheln gerät.

FUSSBALL – Am Freitag (19.30 Uhr, Stadion Hoheluft) gibt’s den Hamburg-Klassiker: Der SC Victoria und Altona 93 treffen bereits zum 139. Mal aufeinande­r, die Paarung ist das älteste noch ausgetrage­ne Stadtderby in Deutschlan­d. Altona, das die erste Begegnung 1898 mit 7:0 gewann, könnte sich mit einem weiteren Erfolg der Hamburger Meistersch­aft nähern.

außerhalb der Transferpe­rioden wechseln. Diese Regel erleichter­t den Wiedereins­tieg in den Leistungss­port. Wieso sind Sie trotzdem eine der wenigen Mütter im deutschen Leistungsf­ußball?

Wir Frauen verdienen im Leistungsf­ußball nicht annähernd so viel wie Männer. Mit nur dem Fußball-Job müssten wir uns beispielsw­eise mehr Sorgen um die Betreuung von Kindern machen. Viele Spielerinn­en haben zwei Jobs: einen, um Geld zu verdienen, und den anderen im Leistungss­port. Da ist oft kein Platz mehr. Und wenn man einen Zeitvertra­g hat, könnte es sein, dass dieser während der Schwangers­chaft ausläuft. Dann gibt es keine Garantie dafür, dass man es zurückscha­fft. Sondern man kann den Status, den man hatte, eher verlieren.

Muss man erst einen Status wie Ihren haben, um selbst von der Rückkehr ins Geschäft überzeugt zu sein? Ich glaube, dass der Status bei mir sehr hilfreich war, um Dinge einzuforde­rn und neue Wege gehen zu können. Vereine wollten nicht kompromiss­los auf mich verzichten. Wenn ich fünf Jahre früher schwanger gewesen wäre, wäre mein Status eventuell schneller weg gewesen und ich hätte keine Forderunge­n stellen können. Die Schwangers­chaft hatte aber auch in meinem Fall sportliche Folgen.

Sie waren die deutsche Nummer eins, haben Ihren Stammplatz im DFB-Tor nach Ihrer ersten Schwangers­chaft aber nicht zurückgewi­nnen können.

Wer weiß, was passiert wäre, wenn ich nicht wegen meiner Kinder raus gewesen wäre.

War Ihr Wunsch, eine Familie zu gründen, Kinder zu bekommen, immer größer als die Sorge, nach der Schwangers­chaft keine Chance mehr im Leistungss­port zu haben?

Ich hatte keine Sorgen, ob ich es zurückscha­ffe oder nicht. Sondern ich war schon sehr dankbar für das, was ich alles erreicht habe. Und ich wusste, dass ich viel Unterstütz­ung brauche. Ich bin auf einem Bauernhof groß geworden. Da ist es normal, dass Kinder während der Arbeitszei­t da sind, mitlaufen, mithelfen. Deshalb hat meine Familie auch gesagt: Warum sollte es nicht funktionie­ren? Mein Mann und ich sind voll berufstäti­g, bisher hat es sehr gut funktionie­rt. Und Männer fragt man ja auch nicht: Wo lässt du die Kinder während des Trainings?

Nerven Sie solche geschlecht­erspezifis­chen Fragen?

Nerven ist das falsche Wort. Ich finde die Fragen wichtig, um Aufmerksam­keit und Bewusstsei­n dafür zu schaffen, dass Muttersein im Leistungss­port noch keine Normalität ist. Aber es wäre auch schön, wenn man in gewisser Zukunft nicht mehr darüber nachdenken würde. Wir sind auf einem guten Weg, im Fußball aber noch lange nicht bei Gleichbere­chtigung.

Würden Sie anderen Sportlerin­nen gerne ihre Ängste nehmen?

Selbstvers­tändlich möchte ich ein Vorbild sein und die Menschen ermutigen, ihren Weg zu gehen, sich nicht von äußeren Begebenhei­ten beeinfluss­en zu lassen, sondern sich selbst ein Bild zu machen. Natürlich ist es eine Herausford­erung, aber genauso ist es auch sehr schön, das alles mit seinen Kindern teilen zu können. Meine Zwillinge fragen mich sehr oft: „Mama, wir wollen dir zugucken, wann spielst du wieder Fußball?“Und beim ersten Mal, als mein jüngster Sohn hier beim HSV in die Kabine kam, gab es nur strahlende Gesichter.

Wann dürfen wir Sie erstmals im HSVTrikot auf dem Rasen sehen?

Ich hoffe, bald. Leider sind ein paar muskuläre Beschwerde­n aufgetauch­t, daher am Sonntag wahrschein­lich noch nicht.

Dann treffen die HSV-Frauen auf die zweite Mannschaft des VfL Wolfsburg, wo Sie nach ihrer Schwangers­chaft zuletzt mittrainie­rt haben. Der Wunsch nach dem erneuten Comeback soll aber auch in einem privaten Kraftraum entstanden sein.

Das stimmt (lacht). Den habe mir von der 2016er-Olympiaprä­mie in unserem Haus eingericht­et – und er war die beste Entscheidu­ng, die ich treffen konnte. Der Kraftraum war schon nach meiner ersten Schwangers­chaft die Grundlage für mein Comeback.

Wie lange möchten Sie noch Fußball spielen?

Es kommt nicht nur auf mich an, sondern auch auf die Familie, ob es allen gutgeht, ob es organisier­bar ist. Und es kommt darauf an, ob es einen Verein gibt, der in mir noch einen Mehrwert sieht. Es ist eine Gemeinscha­ftsentsche­idung. Ich muss mir hoffentlic­h keine Sorgen machen, dass ich nach der Karriere im Nichts lande. Während der Schwangers­chaft hatte ich schon einen Job, der mir sehr viel Spaß macht.

Sie Sind seit Dezember fest im „Sportschau“-Team der ARD. Ist die Rolle als TV-Expertin auch etwas für die Zeit nach der Karriere? Wie sehen Ihre Pläne aus?

Ich habe gelernt, dass man sich nicht auf irgendetwa­s festlegen sollte. Ich habe einen Trainerinn­enschein, habe Sport studiert. Es wird sicherlich etwas mit Sport und hoffentlic­h Fußball zu tun haben, weil es einfach meine Leidenscha­ft ist. Ihr letztes Länderspie­l bestritten Sie vor eineinhalb Jahren. Ist ein DFBComebac­k realistisc­h?

Wenn man Leistungss­portlerin ist, ist es gut, Träume zu haben. Aber aktuell ist es vollkommen unrealisti­sch und ich lege darauf keinen Fokus. Erfahrung ist nicht alles. Ich muss erst mal wieder meine Leistung bringen, auf den Platz kommen, wieder gut spielen. Und man muss sehen, dass ich beim HSV jetzt in der Zweiten Liga spiele – nicht in der Champions League.

Dass es noch mal klappt mit mir und dem HSV, hätte ich früher nicht gedacht. Die Ambitionen des Klubs sind groß. Almuth Schult

 ?? ?? Beim letzten Gastspiel am Millerntor sorgten viele Hansa-Fans für Randale.
Beim letzten Gastspiel am Millerntor sorgten viele Hansa-Fans für Randale.
 ?? ?? Sönke Fröbe begleitet Hansa Rostock seit vielen Jahren für die „Ostsee-Zeitung“.
Sönke Fröbe begleitet Hansa Rostock seit vielen Jahren für die „Ostsee-Zeitung“.
 ?? ?? St. Pauli - Rostock (26. April, 18.30 Uhr, live bei Sky)
St. Pauli - Rostock (26. April, 18.30 Uhr, live bei Sky)
 ?? ?? 18 Monate nach ihrem letzten Pflichtspi­el ist Almuth Schult nun wieder beim HSV am Ball.
18 Monate nach ihrem letzten Pflichtspi­el ist Almuth Schult nun wieder beim HSV am Ball.
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