Auf den Spuren des Pleite-Investors
Die größte Wunde in Hamburgs Stadtentwicklung: Auch hier zog ein dubioser Investor aus Österreich die Fäden
Still ruht der See auf dem Areal der Holsten-Brauerei. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Statt 1200 Wohnungen stehen hier die Reste der größtenteils abgerissenen Brauerei, und an der Harkortstraße hat sich schon ein künstlicher See gebildet. Wer ist schuld, dass hier immer noch kein Wohnraum entstanden ist? Ein Name, der in Finanzkreisen genannt wird, ist Cevdet Caner. Seine Vita ist filmreif: Vom kurdischen Einwandere rkind zum CallcenterChef – und dann zu einem Zocker, der eine der größten Immobilienpleiten der Wirtschaftsgeschichte hingelegt hat. Das kommt Ihnen bekannt vor? Genau! Der Aufstieg Caners ähnelt dem von Elbtower-Pleitier René Benko und wie der ist auch Caner Österreicher. Eine Spurensuche.
Als jüngstes von sieben Kindern kurdischer Einwanderer hatte es der 1973 in St. Pölten geborene kleine Cevdet nicht leicht. Doch Biss hatte er schon als Schüler und so machte er 1994 in Linz Abitur und studierte anschließend Betriebswirtschaftslehre. Doch Caner wollte sich beweisen – und vor allem ganz schnell ganz viel Geld verdienen. So gründete er 1998 eine Callcenter-Firma. Die geriet schnell ins Schlingern und 2002 verkaufte Caner seine Anteile kurz vor der Insolvenz.
Zwei Jahre später folgte der zweite Versuch, reich zu werden. Mit der Immobilienfirma „Level One“(Sitz auf der Kanalinsel Jersey) stieg Caner im Osten Deutschlands groß ein. Nur vier Jahre später herrschte er über 28.000 Wohnungen vor allem in Plattenbauten aus DDR-Zeiten. Der Wert: 1,5 Milliarden Euro. Caner reiste im Privatjet, lebte in einer 20-Millionen-Euro-Villa in London-Mayfair. Was für ein Aufstieg. Und was für ein Abstieg erst! „Level One“geriet 2008 voll in die Finanzkrise. Das FirmenKonstrukt brach krachend zusammen und die Insolvenz erschütterte die Immobilienwirtschaft.
Wo aber kam überhaupt das Geld für die Wohnungskäufe her? Ganz einfach: von Banken. Allein die schweizerische Credit Suisse hatte Caner & Co. 1,3 Milliarden Euro geborgt. Ein wirklich erstaunlich hohes Darlehen für einen Unternehmer ohne nennenswertes Eigenkapital. Die Ermittlungsbehörden in Österreich vermuteten deswegen auch Geldwäsche und Betrug. Ein entsprechender Prozess in Wien gegen Caner endete aber 2020 mit Freispruch. Der oberste Österreichische Gerichtshof bestätigte die Entscheidung im Juni 2023 und Caner jubilierte: „Ich bin erleichtert und glücklich, dass sich sämtliche Vorwürfe als durchweg haltlos erwiesen haben.“
Vielleicht zu früh gefreut: Einen Tag vor der Entschei
In schwierigen Zeiten an der Front zu sein, den Helm aufzusetzen und zu kämpfen, das macht mir Spaß. Cevdet Caner (50)
dung hatten Ermittler nämlich an der Tür von Caners Wohnung im schönen Monaco geklopft. Im Fürstentum hatte der umtriebige Investor auch schon mal wichtige Geschäftspartner auf einer Mega-Yacht empfangen.
Diesmal ging es um ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt rund um das Berliner Immobilienunternehmen Adler Group. Der Vorwurf: Untreue, Bilanzfälschung und Marktmanipulation. Und – voilà – damit wären wir mitten auf dem verwaisten Gelände der ehemaligen Holsten-Brauerei. Adler besitzt das Areal nämlich bis heute und auf abenteuerliche Weise ist im Unternehmen ein Buchwert von 364 Millionen Euro verzeichnet. Ursprünglich verkauft worden war die Fläche 2016 für gerade mal 65 Millionen Euro. Einen offiziellen Posten hatte Caner bei Adler zwar nie, aber Finanzexperten und die Frankfurter Ermittler halten ihn für das „Mastermind“hinter wichtigen spekulativen Schachzügen. Caner aber erklärt, das sei alles Unfug, er sei nur „Berater“gewesen. Durch den irrwitzig hohen Buchwert des Areals ist ein von der Stadt gewünschter Verkauf zurzeit blockiert. Immobilien-Investoren gehen aktuell von einem realen Wert von unter 100 Millionen Euro aus. Der in Schieflage geratene Adler-Konzern pokert. Eine Lösung ist nicht in Sicht.
Und derweil ragen die Reste des historischen Teils der alten Holsten-Brauerei mit Malzsilo und Sudhaus und dem „Holsten-Ritter“wie ein Mahnmal grenzenloser Spekulanten-Gier in die Höhe.
Cevdet Caner lässt erklären, er sei auch beim weiteren Ermittlungsverfahren „absolut relaxt“, und weist alle Vorwürfe zurück. Der 50-Jährige, der einmal sagte, es mache ihm einfach Spaß, „in schwierigen Zeiten an der Front zu sein, den Helm aufzusetzen und zu kämpfen“, der macht schon wieder neue Geschäfte. Nach MOPO-Informationen auch mitten in Hamburg.