Hamburger Morgenpost

Auf den Spuren des Pleite-Investors

Die größte Wunde in Hamburgs Stadtentwi­cklung: Auch hier zog ein dubioser Investor aus Österreich die Fäden

- THOMAS HIRSCHBIEG­EL thomas.hirschbieg­el@mopo.de

Still ruht der See auf dem Areal der Holsten-Brauerei. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Statt 1200 Wohnungen stehen hier die Reste der größtentei­ls abgerissen­en Brauerei, und an der Harkortstr­aße hat sich schon ein künstliche­r See gebildet. Wer ist schuld, dass hier immer noch kein Wohnraum entstanden ist? Ein Name, der in Finanzkrei­sen genannt wird, ist Cevdet Caner. Seine Vita ist filmreif: Vom kurdischen Einwandere rkind zum Callcenter­Chef – und dann zu einem Zocker, der eine der größten Immobilien­pleiten der Wirtschaft­sgeschicht­e hingelegt hat. Das kommt Ihnen bekannt vor? Genau! Der Aufstieg Caners ähnelt dem von Elbtower-Pleitier René Benko und wie der ist auch Caner Österreich­er. Eine Spurensuch­e.

Als jüngstes von sieben Kindern kurdischer Einwandere­r hatte es der 1973 in St. Pölten geborene kleine Cevdet nicht leicht. Doch Biss hatte er schon als Schüler und so machte er 1994 in Linz Abitur und studierte anschließe­nd Betriebswi­rtschaftsl­ehre. Doch Caner wollte sich beweisen – und vor allem ganz schnell ganz viel Geld verdienen. So gründete er 1998 eine Callcenter-Firma. Die geriet schnell ins Schlingern und 2002 verkaufte Caner seine Anteile kurz vor der Insolvenz.

Zwei Jahre später folgte der zweite Versuch, reich zu werden. Mit der Immobilien­firma „Level One“(Sitz auf der Kanalinsel Jersey) stieg Caner im Osten Deutschlan­ds groß ein. Nur vier Jahre später herrschte er über 28.000 Wohnungen vor allem in Plattenbau­ten aus DDR-Zeiten. Der Wert: 1,5 Milliarden Euro. Caner reiste im Privatjet, lebte in einer 20-Millionen-Euro-Villa in London-Mayfair. Was für ein Aufstieg. Und was für ein Abstieg erst! „Level One“geriet 2008 voll in die Finanzkris­e. Das FirmenKons­trukt brach krachend zusammen und die Insolvenz erschütter­te die Immobilien­wirtschaft.

Wo aber kam überhaupt das Geld für die Wohnungskä­ufe her? Ganz einfach: von Banken. Allein die schweizeri­sche Credit Suisse hatte Caner & Co. 1,3 Milliarden Euro geborgt. Ein wirklich erstaunlic­h hohes Darlehen für einen Unternehme­r ohne nennenswer­tes Eigenkapit­al. Die Ermittlung­sbehörden in Österreich vermuteten deswegen auch Geldwäsche und Betrug. Ein entspreche­nder Prozess in Wien gegen Caner endete aber 2020 mit Freispruch. Der oberste Österreich­ische Gerichtsho­f bestätigte die Entscheidu­ng im Juni 2023 und Caner jubilierte: „Ich bin erleichter­t und glücklich, dass sich sämtliche Vorwürfe als durchweg haltlos erwiesen haben.“

Vielleicht zu früh gefreut: Einen Tag vor der Entschei

In schwierige­n Zeiten an der Front zu sein, den Helm aufzusetze­n und zu kämpfen, das macht mir Spaß. Cevdet Caner (50)

dung hatten Ermittler nämlich an der Tür von Caners Wohnung im schönen Monaco geklopft. Im Fürstentum hatte der umtriebige Investor auch schon mal wichtige Geschäftsp­artner auf einer Mega-Yacht empfangen.

Diesmal ging es um ein Ermittlung­sverfahren der Staatsanwa­ltschaft Frankfurt rund um das Berliner Immobilien­unternehme­n Adler Group. Der Vorwurf: Untreue, Bilanzfäls­chung und Marktmanip­ulation. Und – voilà – damit wären wir mitten auf dem verwaisten Gelände der ehemaligen Holsten-Brauerei. Adler besitzt das Areal nämlich bis heute und auf abenteuerl­iche Weise ist im Unternehme­n ein Buchwert von 364 Millionen Euro verzeichne­t. Ursprüngli­ch verkauft worden war die Fläche 2016 für gerade mal 65 Millionen Euro. Einen offizielle­n Posten hatte Caner bei Adler zwar nie, aber Finanzexpe­rten und die Frankfurte­r Ermittler halten ihn für das „Mastermind“hinter wichtigen spekulativ­en Schachzüge­n. Caner aber erklärt, das sei alles Unfug, er sei nur „Berater“gewesen. Durch den irrwitzig hohen Buchwert des Areals ist ein von der Stadt gewünschte­r Verkauf zurzeit blockiert. Immobilien-Investoren gehen aktuell von einem realen Wert von unter 100 Millionen Euro aus. Der in Schieflage geratene Adler-Konzern pokert. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

Und derweil ragen die Reste des historisch­en Teils der alten Holsten-Brauerei mit Malzsilo und Sudhaus und dem „Holsten-Ritter“wie ein Mahnmal grenzenlos­er Spekulante­n-Gier in die Höhe.

Cevdet Caner lässt erklären, er sei auch beim weiteren Ermittlung­sverfahren „absolut relaxt“, und weist alle Vorwürfe zurück. Der 50-Jährige, der einmal sagte, es mache ihm einfach Spaß, „in schwierige­n Zeiten an der Front zu sein, den Helm aufzusetze­n und zu kämpfen“, der macht schon wieder neue Geschäfte. Nach MOPO-Informatio­nen auch mitten in Hamburg.

 ?? ?? Auf dem HolstenAre­al stehen noch Bauten aus den Jahren 1911 bis 1913: Links das Malzsilo, rechts das Sudhaus mit dem „HolstenRit­ter“auf dem Kupfer-Dach.
Auf dem HolstenAre­al stehen noch Bauten aus den Jahren 1911 bis 1913: Links das Malzsilo, rechts das Sudhaus mit dem „HolstenRit­ter“auf dem Kupfer-Dach.
 ?? ?? Immobilien­investor Cevdet Caner jonglierte mit Milliarden.
Immobilien­investor Cevdet Caner jonglierte mit Milliarden.
 ?? ?? Oben: Auf dem verlassene­n BrauereiGe­lände an der Harkortstr­aße hat sich ein See gebildet. Alte HolstenWer­bung zeugt noch vom Betrieb der Brauerei, die 2020 nach Hausbruch gezogen ist. (u.)
Oben: Auf dem verlassene­n BrauereiGe­lände an der Harkortstr­aße hat sich ein See gebildet. Alte HolstenWer­bung zeugt noch vom Betrieb der Brauerei, die 2020 nach Hausbruch gezogen ist. (u.)

Newspapers in German

Newspapers from Germany