Wie Naturschützer die Alster wieder zum Leben erwecken
UMWELT Vor zwölf Jahren war der Fluss in Gefahr. Dann starteten engagierte Hamburger eine Rettungsaktion
Es ist ein sonniger Vormittag, Wolfram Hammer (66) steht am Mittellauf des Flusses. Hinter dem AlstertalEinkaufszentrum, wo Alster und Minsbek aufeinandertreffen, stellt der Biologe einige der Stellen vor, an denen seine Initiative dem Fluss unter die Arme gegriffen hat. Beim Projekt „Lebendige Alster“von BUND, Nabu und der Aktion Fischotterschutz ist er seit Beginn mit dabei. Eine Fußgängerbrücke bahnt Spaziergängern den Weg über den Fluss, das Wasser fließt fast lautlos vorbei. Vögel zwitschern.
„Hier haben wir ausbaggern lassen“, sagt Hammer, und deutet auf eine Mulde direkt am Ufer. Eine Wasserlache befindet sich darin – und Sediment. Jedes Fließgewässer hat sie, diese Ablagerungen aus Sand und Pflanzenteilen. Doch zu viel davon wird für die Flussbewohner zur Belastung, die Lebensräume von Kleintieren am Grund werden buchstäblich überdeckt. Die Mulde dient deshalb als Sedimentfang: Bei Hochwasser läuft sie voll, Pflanzenteile setzen sich am Boden ab. Solche Auen sind Lebensraum verschiedener Pflanzenund Tierarten, und an der Alster eher selten zu finden, da der Fluss in der Vergangenheit stark kanalisiert wurde.
Ein Stück flussabwärts haben Helfer des Projekts insgesamt 150 Tonnen Kies in die Alster gekippt. Der bietet Lebensraum und Versteckmöglichkeiten. „Seit drei Jahren werden in der Alster wieder Meerforellen nachgewiesen“, berichtet Hammer. Im Kies können die Forellen ihre Eier ablegen.
Ein wichtiger Marker für den Zustand eines Fließgewässers sind die Köcherfliegen, von denen es Hunderte Arten gibt. Je mehr sich an einem Fluss tummeln, desto besser. Wurden entlang der Alster im Jahr 2011 nur drei Arten pro Probestelle nachgewiesen, waren es 2014 bereits sechs. 2017 steigerte sich die Zahl auf acht und erreichte im Jahr 2020 elf verschiedene Köcherfliegenarten – ein großer Erfolg.
Auch ein ausreichender Sauerstoffgehalt im Wasser ist für die Tier- und Pflanzenwelt unverzichtbar. In Teichen oder dem Meer wird er durch Algen gebildet. Doch in einem Fließgewässer wie der Alster, so erklärt der Biologe, würden die einfach weggespült. Deshalb ist es wichtig, dass es ausreichend Hindernisse wie Steine oder Holz gibt. Fließt das Wasser daran vorbei, verwirbelt es – Sauerstoff gelangt von der Luft ins Wasser. Um diesen Vorgang zu unterstützen, haben freiwillige Helfer des Projekts immer wieder Holz in den Lauf des Flusses eingebaut. Rund 50 Einsätze und insgesamt 180 Einzelmaßnahmen umfasse das Projekt inzwischen.
„Wenn die Qualität des Oberflächenwassers abnimmt, ist auch die Güte unseres Trinkwassers bedroht“, sagt Hammer. Gewässerschutz gehe deshalb jeden etwas an. Für die Alster haben sich die Bemühungen gelohnt: Inzwischen, so der Naturschützer, erreiche der Fluss wieder das Prädikat „gut“.
Seit drei Jahren werden in der Alster wieder Meerforellen nachgewiesen. Wolfram Hammer, Biologe
Dass sich Wolfram Hammer diesem Ziel mit Herz und Seele widmet, ist unverkennbar. Ein Wasservogel auf Tauchgang unterbricht unvermittelt das Gespräch. Hammer zückt sein Fernglas und hält Ausschau. Ist es womöglich eine neue Art? Beim BUND ist der Biologe bereits seit 1987 aktiv. Zurzeit hat er eine halbe Stelle bei der Organisation, in der er das Projekt „Lebendige Alster“betreut. Nach dem Besuch am Flussufer geht es für Wolfram Hammer direkt weiter zum nächsten Einsatz. „Das mache ich dann aber ehrenamtlich“, sagt er.