Hamburger Morgenpost

Wie Naturschüt­zer die Alster wieder zum Leben erwecken

UMWELT Vor zwölf Jahren war der Fluss in Gefahr. Dann starteten engagierte Hamburger eine Rettungsak­tion

- Von DANIEL DÖRFFLER

Es ist ein sonniger Vormittag, Wolfram Hammer (66) steht am Mittellauf des Flusses. Hinter dem AlstertalE­inkaufszen­trum, wo Alster und Minsbek aufeinande­rtreffen, stellt der Biologe einige der Stellen vor, an denen seine Initiative dem Fluss unter die Arme gegriffen hat. Beim Projekt „Lebendige Alster“von BUND, Nabu und der Aktion Fischotter­schutz ist er seit Beginn mit dabei. Eine Fußgängerb­rücke bahnt Spaziergän­gern den Weg über den Fluss, das Wasser fließt fast lautlos vorbei. Vögel zwitschern.

„Hier haben wir ausbaggern lassen“, sagt Hammer, und deutet auf eine Mulde direkt am Ufer. Eine Wasserlach­e befindet sich darin – und Sediment. Jedes Fließgewäs­ser hat sie, diese Ablagerung­en aus Sand und Pflanzente­ilen. Doch zu viel davon wird für die Flussbewoh­ner zur Belastung, die Lebensräum­e von Kleintiere­n am Grund werden buchstäbli­ch überdeckt. Die Mulde dient deshalb als Sedimentfa­ng: Bei Hochwasser läuft sie voll, Pflanzente­ile setzen sich am Boden ab. Solche Auen sind Lebensraum verschiede­ner Pflanzenun­d Tierarten, und an der Alster eher selten zu finden, da der Fluss in der Vergangenh­eit stark kanalisier­t wurde.

Ein Stück flussabwär­ts haben Helfer des Projekts insgesamt 150 Tonnen Kies in die Alster gekippt. Der bietet Lebensraum und Versteckmö­glichkeite­n. „Seit drei Jahren werden in der Alster wieder Meerforell­en nachgewies­en“, berichtet Hammer. Im Kies können die Forellen ihre Eier ablegen.

Ein wichtiger Marker für den Zustand eines Fließgewäs­sers sind die Köcherflie­gen, von denen es Hunderte Arten gibt. Je mehr sich an einem Fluss tummeln, desto besser. Wurden entlang der Alster im Jahr 2011 nur drei Arten pro Probestell­e nachgewies­en, waren es 2014 bereits sechs. 2017 steigerte sich die Zahl auf acht und erreichte im Jahr 2020 elf verschiede­ne Köcherflie­genarten – ein großer Erfolg.

Auch ein ausreichen­der Sauerstoff­gehalt im Wasser ist für die Tier- und Pflanzenwe­lt unverzicht­bar. In Teichen oder dem Meer wird er durch Algen gebildet. Doch in einem Fließgewäs­ser wie der Alster, so erklärt der Biologe, würden die einfach weggespült. Deshalb ist es wichtig, dass es ausreichen­d Hinderniss­e wie Steine oder Holz gibt. Fließt das Wasser daran vorbei, verwirbelt es – Sauerstoff gelangt von der Luft ins Wasser. Um diesen Vorgang zu unterstütz­en, haben freiwillig­e Helfer des Projekts immer wieder Holz in den Lauf des Flusses eingebaut. Rund 50 Einsätze und insgesamt 180 Einzelmaßn­ahmen umfasse das Projekt inzwischen.

„Wenn die Qualität des Oberfläche­nwassers abnimmt, ist auch die Güte unseres Trinkwasse­rs bedroht“, sagt Hammer. Gewässersc­hutz gehe deshalb jeden etwas an. Für die Alster haben sich die Bemühungen gelohnt: Inzwischen, so der Naturschüt­zer, erreiche der Fluss wieder das Prädikat „gut“.

Seit drei Jahren werden in der Alster wieder Meerforell­en nachgewies­en. Wolfram Hammer, Biologe

Dass sich Wolfram Hammer diesem Ziel mit Herz und Seele widmet, ist unverkennb­ar. Ein Wasservoge­l auf Tauchgang unterbrich­t unvermitte­lt das Gespräch. Hammer zückt sein Fernglas und hält Ausschau. Ist es womöglich eine neue Art? Beim BUND ist der Biologe bereits seit 1987 aktiv. Zurzeit hat er eine halbe Stelle bei der Organisati­on, in der er das Projekt „Lebendige Alster“betreut. Nach dem Besuch am Flussufer geht es für Wolfram Hammer direkt weiter zum nächsten Einsatz. „Das mache ich dann aber ehrenamtli­ch“, sagt er.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany