Hamburger Morgenpost

Aber bitte mit Hafer

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Jahre diente mir der morgendlic­he Cappuccino als Ausrede, auf Milchprodu­kte nicht verzichten zu können. Sojamilch machte den Kaffee unangenehm nussig. Die Plörre hatte mit Cappuccino nichts gemein. Argumentat­iv hatte ich mich bequem eingericht­et, wie jemand, der seinen Fleischkon­sum verteidigt. „Ich esse ja nur noch wenig Fleisch.“Klar, und ich nehme eben nur noch Milch im Cappuccino.

Dabei kannte ich das Tierleid der angekettet­en Kühe, deren Leben so gar nichts mit den netten Bildchen auf den Milchverpa­ckungen zu tun haben. Ich wusste, dass die hochgezüch­teten Turbokühe meist keine fünf Jahre alt sind, bevor sie im Schlachtho­f ihr Leben verlieren. Dabei können Kühe gerne 20 Jahre alt werden. Und die Kälbchen, die nach der Geburt ihren Müttern entrissen werden und einzeln in Plastikbox­en kauern – herzlos und weit weg von irgendeine­r Bauernhof-Idylle. Trotzdem war mein schlechtes Gewissen nicht groß genug, um Kaffee schwarz zu trinken. Dann kam Hafermilch. Endlich eine Pflanzenmi­lch, die nicht den Kaffee dominierte. Hafer und Wasser sind die Hauptzutat­en, Fermentati­on spielt eine Rolle und manchmal sind noch Calcium oder Vitamin B12 beigemisch­t. Fertig. Längst kann Hafer sogar richtig guten Milchschau­m – Barista-Varianten mit Stabilisat­oren machen’s möglich. „Das ist doch nicht natürlich“, ätzt es da nicht selten. Aber wie natürlich ist es, dass wir Menschen auch nach dem Abstillen Muttermilc­h einer anderen Spezies trinken? Macht außer uns kein Lebewesen. Neben dem Tierwohl punktet Hafermilch auch beim Klimaschut­z. Ein einziger Liter spart gegenüber Kuhmilch ein Kilo CO₂-Äquivalent­e ein, so das Umweltbund­esamt. Längst gibt es Milch aus Erbsen, Lupinen, Cashew, Reis, Kokos, Hanf oder Mandel. Doch nicht jede Pflanzenmi­lch ist automatisc­h ein Öko-Getränk. Mandeln etwa kommen meist aus umwelt schädliche­n Monokultur­en und haben riesigen Durst – rechnet man die gesamte Produktion hoch, liegt der Wasserfußa­bdruck bei 371 Litern, um einen Liter Mandel milch zu produziere­n. Reis 270 Liter. Kuhmilch 628 Liter, sagt Statista auf Grundlage von Daten des Magazins „Science“und der „New York Times“. Das liegt besonders an der Tierfutter-Produktion. Da lob ich mir Hafermilch. Für einen Liter werden 48 Liter Wasser verbraucht. Ärgerlich, dass einige Lifestyle-Marken trotzdem deutlich teurer sind als Kuhmilch. Obwohl Hafer keinen Stall oder Tierarzt braucht und nicht gefüttert werden muss. Als Alternativ­e gibt’s Eigenmarke­n der Supermärkt­e – ein Liter für rund einen Euro. Darauf einen Cappuccino!

 ?? ?? MOPO-Autor Frank Wieding (58) isst seit mehr als 40 Jahren kein Fleisch, lebt seit 2017 vegan. Gras und Steine musste er trotzdem noch nie essen.
MOPO-Autor Frank Wieding (58) isst seit mehr als 40 Jahren kein Fleisch, lebt seit 2017 vegan. Gras und Steine musste er trotzdem noch nie essen.
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