Der Aufstand im U-Boot
„Verurteilter, wollen Sie noch etwas sagen?“, fragt ein Richter. „Nein“, antwortet Oskar Kusch.
Ein Marinepfarrer segnet den Verurteilten. Das Exekutionskommando hebt die Gewehre. Um 6.32 Uhr hallen zehn Schüsse über den Hof.
80 Jahre später erinnert man nun in Kiel dank der Initiative des Vereins „Maritimes Viertel“an den Mut und Anstand eines UBoot-Kommandanten, den die Nazis hinrichten ließen. „Widerstand und Verantwortung“heißt die Ausstellung zu seinen Ehren. Ein passender Name. Denn was an Bord von U-154 während der sogenannten „Feindfahrten“im Nordatlantik geschah, ist das Aufbegehren eines Einzelnen gegen die Maschinerie eines monströsen Krieges. Oberleutnant zur See Oskar Kusch, Mitte 20, blond, blauäugig, der aussah wie eine Kunstfigur des Reichspropagandaministeriums, riskierte Dinge, die andere sich nicht zu denken getrauen. Adolf Hitler nannte er einen „Idioten“, dessen Porträt er in der Offiziersmesse abhängen ließ. Der junge Kommandant erzählte derbe Witze darüber, was Nationalsozialisten mit Bandwürmern verbindet: Beide hätten mit brauner Masse zu tun. Aus den Lautsprechern an Bord des U-Boots schepperte nicht die Propaganda des Joseph Goebbels, sondern die
Nachrichten der BBC. Kusch erklärte seinen Offizieren, dass sie für die falsche Sache unterwegs seien. Dass kein gebildeter Mensch den Blödsinn vom „Weltjudentum“glauben könne. Und dies zu einer Zeit, in der die U-Boote
„schwimmende Särge“genannt wurden und ein falsches Wort vors Kriegsgericht führte. Weil die Crew den jungen Kommandanten mochte und ihm vertraute, ging es einige Zeit gut. Kusch operierte besonnen, ohne feige zu sein, und brachte das Boot sicher in den Stützpunkt in der Normandie zurück. Bis er von seinem Stellvertreter, einem überzeugten Nazi, nach Ankunft von
U-154 in Lorient verraten, in einem Schauprozess abgeurteilt und hingerichtet wurde. Erst viele Jahre später, im Jahr 1996, wurde Kusch rehabilitiert, dank der Recherchen des Bonner Militärhistorikers Heinrich Walle. Den Richter, der ihn verurteilte, sprach ein Gericht im September 1950 frei. Die alten Seilschaften des Dritten Reiches funktionierten noch. „Ein unglaublicher Vorgang“, sagt der Historiker Walle, „Kusch wurde nach dem Krieg noch einmal kriminalisiert.“Nun endlich erfährt der Kommandant eine späte Würdigung.
Die Kieler Ausstellung im Innenhof der Rostocker Straße 1 ist bis Anfang September mittwochs bis freitags von 14 bis 17 Uhr und samstags von 11 bis 17 Uhr geöffnet.
Die ausführliche Geschichte zu Kommandant Kusch erschien im „Kleinen Buch vom Meer: Helden der See“bei Ankerherz. Überall im Handel und auf www.ankerherz.de