Hamburger Morgenpost

Ein Schmerzens­geld in Rekord-Höhe

ST. GEORG Die Pinzner-Morde und eine teure Folge für die MOPO

- Von THOMAS HIRSCHBIEG­EL

Am 29. Juli 1986 erschoss „St.Pauli-Killer“Werner Pinzner im Polizeiprä­sidium am Berliner Tor seine Frau Jutta, er verletzte den Staatsanwa­lt Wolfgang Bistry tödlich und nahm sich selbst das Leben. Der Fall ist in die deutsche Kriminalge­schichte eingegange­n. Ich machte damals routiniert meine Bilder und verstand erst viel später, welche Bedeutung die Todesschüs­se für das Rotlichtmi­lieu, aber auch für uns Polizeirep­orter hatten.

Zusammen mit einem Kollegen der „Bild“war ich vormittags an einem Unfallort in Rothenburg­sort. Dort war ein Laster gegen eine Brücke gedonnert und umgestürzt. Plötzlich kam die Meldung aus dem Polizeifun­k: „Achtung! Wer kann fahren? Schüsse im Polizeiprä­sidium!“Beamte am Unfallort sprangen in ihre Streifenwa­gen und rasten zum Berliner Tor. Ich jagte mit meinem VW Golf GTI mit mehr als 80 km/h hinterher.

In wenigen Minuten war ich am Einsatzort. Der Rettungshu­bschrauber der Bundeswehr landete. Dann öffneten sich die Türen des Polizeihoc­hhauses, und Feuerwehrs­anitäter trugen den lebensgefä­hrlich verletzten Staatsanwa­lt zum Notarztwag­en. In diesem Moment entstand das große Foto auf dieser Seite. Der 40-jährige Wolfgang Bistry starb wenig später im Krankenhau­s. Plötzlich war der „St.-Pauli-Killer“Werner Pinzner Top-pThema in allen deutschen Medien. Die Behörden verhängten erstmals seit der RAF-Zeit wieder eine Nachrichte­nsperre. Wir Hamburger Polizeirep­orter bekamen trotzdem erstmals tiefere Einblicke in das Rotlichtmi­lieu auf St. Pauli. Kiez-Größen wie „Beatle“ Vogeler oder „Ringo“Klemm lehnten damals Kontakt mit den Medien ab. Doch aus ihrem Umfeld meldeten sich plötzlich dubiose Figuren, die Tipps auf angebliche Hintermänn­er der Schüsse gaben. Dafür verlangten sie oft größere Summen als „Info-Honorar“.

Die MOPO zahlte nicht, allerdings nicht unbedingt aus moralische­n Gründen. Geld war bei uns schon immer knapp und meine Chefs sagten bei Geldforder­ungen von Informante­n gern: „Ach Thomas, du bist doch ein so guter Reporter, das kriegst du auch so raus.“„Danke dafür ...“, dachte ich mir. Manchmal hat es geklappt, oft aber auch nicht.

1987 dann erschien im „Spiegel“eine große Story über einen Hamburger Kaufmann, der mit pielhallen p zu Geld gekommen war. Er steckte angeblich hinter uftragsmor­den Pinzners im otlichtmil­ieu. o Dumm für mich: ch c war auch an der Story dran ewesen, e sie war mir aber zu ünn ü und ich teilte meinem hefredakte­ur mit, dass ich sie icht i aufschreib­e. Er war sauer nd n wollte mich zwingen, die tory t doch noch für die MOPO ls Schlagzeil­e aufzuberei­ten. ch musste mich fügen und ereichte den im „Spiegel“bechuldigt­en Unternehme­r auf Mallorca.

In meinem Artikel gab ich hm h großen Raum für ein klaes e Dementi des „Spiegel“-Beichts. Ich hoffte, wir wären so auf der sicheren Seite. Irrtum. Zwar wurde mein Artikel von der Pressekamm­er des Hamburger Landgerich­ts nicht beanstande­t. Doch allein für die Schlagzeil­e mit Foto „Ist das der Hintermann der PinznerSch­üsse?“musste die MOPO 20.000 Mark Schmerzens­geld an den Mann zahlen. Der Chefredakt­eur hat mich nie wieder zu irgendetwa­s gezwungen …

Der Chefredakt­eur zwang mich, einen Artikel über den angebliche­n Hintermann der PinznerSch­üsse zu schreiben.

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Hirschbieg­el Foto: Juli 1986: Staatsanwa­lt Wolfgang Bistry, dem Pinzner mit einem Revolver in den Kopf geschossen hat, wird aus dem Polizeiprä­sidium getragen.
 ?? ?? Im Auftrag von Kiez-Größe „Wiener Peter“erschoss Werner Pinzner (1947-1986) fünf Männer.
Im Auftrag von Kiez-Größe „Wiener Peter“erschoss Werner Pinzner (1947-1986) fünf Männer.

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