Hamburger Morgenpost

Ein RAF-Terrorist im Schanzenpa­rk

Peter-Jürgen Boock bekam später „lebenslang“

- Von THOMAS HIRSCHBIEG­EL

Der Bundesgren­zschutz-Hubschraub­er knattert im Tiefflug über die Schanze. Die Maschine landet auf dem Polizeispo­rtplatz im Schanzenpa­rk und ein MEK-Polizist im langen schwarzen Ledermante­l, in der Hand einen schweren „Smith & Wesson“-Revolver, führt einen gefesselte­n schnauzbär­tigen Mann ab. Nein, das ist keine Filmszene, sondern es trug sich genau so im Januar 1981 zu. Und der Verhaftete war der RAF-Terrorist Peter-Jürgen Boock.

Die RAF-Zeit Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre war für mich herausford­ernd. Einerseits gab es Schießerei­en, Durchsuchu­ngen und Festnahmen. Gleichzeit­ig herrschte aber auch eine gewisse Hysterie, und dauernd meldeten irgendwelc­he Anrufer bei der Polizei, sie hätten einen der damals 16 steckbrief­lich gesuchten Terroriste­n gesehen. „Vorsicht, Schusswaff­en“stand auf den Fahndungsp­lakaten, die zu Hunderten aufgehängt worden waren. Und beinahe jede Woche riegelten nach solchen Hinweisen mit Maschinenp­istolen bewaffnete Beamte irgendeine­n Bahnhof oder sogar ein ganzes Kaufhaus ab. So gab es für einen jungen MOPO-Polizeirep­orter also genug zu tun. Aber tatsächlic­h einmal einen verhaftete­n RAF-Terroriste­n vor der Kamera-Linse hatte ich lange nicht. Dann kam der Anruf eines Polizisten: „Postier dich mal am SV-Polizei-Sportplatz und warte auf die Landung eines Helis.“Mehr verriet der Mann nicht, doch ich kannte den Fahnder, und der war immer bestens informiert. So lauerte ich abends im Gebüsch des Schanzenpa­rks und schraubte ein lichtstark­es 200er Tele auf meine Pentax Spotmatic II. Bald landete der Hubschraub­er und ich schoss die ersehnten Bilder. Terrorist Peter-Jürgen Boock versuchte noch, sich wegzudrehe­n, doch ich war schneller. Der Beamte im Ledermante­l war übrigens einer der erfahrenst­en Angehörige­n des Mobilen Einsatzkom­mandos (MEK), sein interner Spitzname war „ Bello“….

Peter-Jürgen Boock war am 22. Januar 1981 vor dem Wilhelmsbu­rger Kommunikat­ionszentru­m „Honigfabri­k“verhaftet worden. Der 29-Jährige war dort mit einem klapprigen VW-Bus, dem ausgemuste­rten Post-Fahrzeug seiner Freundin, vorgefahre­n. Die junge Frau wusste nicht, mit wem sie sich gerade eine kleine Wohnung an der Neuhöfer Straße in Wilhelmsbu­rg eingericht­et hatte. Ermittler teilten mir damals mit, dass Boock schon seit Mitte 1980 als „RAF-Aussteiger“galt. Dafür sprach, dass er unbewaffne­t war und sich widerstand­slos festnehmen ließ. In Hamburg lebte er unter dem Namen „Josephus van der Hevel“. Er besaß einen gefälschte­n Pass auf diesen Namen.

Der 1951 im schleswig-holsteinis­chen Garding geborene Boock ha atte als 17-jähriger Insase se eines Jugendheim­s 1969 di ie späteren Top-Terroisten i Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Astid ThomasHirs­chbiegel i Proll kennengele­rnt. Boock B war damals Konsument Foto: harter Drogen. 1975 sc chloss er sich der RAF an nd ging in den Unterrund. r Boock war an den Morden an DresdnerBa­nk-Chef Jürgen Ponto und Arbeitgebe­r-Präsident d Hanns Martin Schleyer 1977 beteiligt. 984 9 wurde er zu „lebensang“a verurteilt und saß 1 7 Jahre in Haft.

Der „RAF-Aussteiger“äußerte ä sich danach oft zur Terror-Zeit. Der Wahrheitsg­ehalt seiner Aussagen wurde aber sowohl von seinen ehemaligen Komplizen als auch von Ermittlern in Zweifel gezogen. Boock soll heute am Lago Maggiore in Italien leben, an Leukämie erkrankt sein und als „freier Autor“arbeiten.

Boock wurde wegen der Morde an Bankchef Jürgen Ponto und Arbeitgebe­r-Präsident Hanns Martin Schleyer verurteilt.

 ?? ?? Im Januar 1981 wird RAF-Terrorist Peter-Jürgen Boock im Schanzenpa­rk von einem MEK-Beamten (l.) und einem Staatsschü­tzer vom Hubschraub­er zum Gefangenen­transporte­r gebracht. Der MEK-Polizist hält seinen Revolver in der rechten Hand.
Im Januar 1981 wird RAF-Terrorist Peter-Jürgen Boock im Schanzenpa­rk von einem MEK-Beamten (l.) und einem Staatsschü­tzer vom Hubschraub­er zum Gefangenen­transporte­r gebracht. Der MEK-Polizist hält seinen Revolver in der rechten Hand.

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