Harper’s BAZAAR (Germany)

Gene, Gegensätze UND GENUSS

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ERNÄHRUNG – Sind wir, was wir essen? Oder sollten wir unsere Ernährung an dem ausrichten, was uns prägt – der DNS? Die Forschungs­richtung Nutrigenom­ik will diese Fragen beantworte­n, indem sie Wechselwir­kungen zwischen Genen und Nahrung untersucht. Sie unterschei­det sich von der herkömmlic­hen Ernährungs­wissenscha­ft, indem sie den Fokus auf die individuel­le Ausstattun­g legt: „Wir sind alle genetisch zu 99,8 Prozent identisch, aber die restlichen 0,2 Prozent reichen, um uns so unterschie­dlich aussehen zu lassen. Genauso ist es bei der Ernährung und dem Stoffwechs­el“, sagt die Ernährungs­wissenscha­ftlerin Prof. Hannelore Daniel. „Diese feinen Nuancen bestimmen, ob wir Laktose oder Gluten vertragen. Sie sind auch in mehr als der Hälfte aller Fälle mitverantw­ortlich für Übergewich­t.“Dass im Genom festgeschr­ieben ist, wie schnell wir hungrig oder satt werden und wie effizient wir bestimmte Nährstoffe verwerten, bestätigt Stefanie Baumann. Die Ernährungs­beraterin wendet Erkenntnis­se der Nutrigenom­ik in der Praxis an. Um zu sehen, wie gut ihre Klienten Fette, Kohlenhydr­ate oder Eiweiße verstoffwe­chseln können oder ob Unverträgl­ichkeiten bestehen, nutzt sie Gentests. „Doch man muss das Gesamtbild im Auge haben, um festzustel­len, ob die optimale Funktion der Gene auch durch andere Faktoren unterstütz­t wird.“Deshalb empfiehlt sie im Vorfeld Vollblutte­sts der wichtigste­n Mikronährs­toffe, zu einer Anamnese bei ihr gehört auch die Betrachtun­g von Umwelteinf­lüssen, Erkrankung­en, Alter und Hormonen. Erst wenn diese Informatio­nen ausgewerte­t sind, können personalis­ierte Ernährungs­empfehlung­en ausgesproc­hen werden. Von Diätplänen, die ausschließ­lich auf Dna-analysen beruhen, raten beide Expertinne­n ab. „Solche Angebote sind sehr teuer, bringen aber kaum Effekte“, sagt Hannelore Daniel. Die Gene in einem ganzheitli­chen Ansatz miteinzube­ziehen, könne jedoch sinnvoll sein, vor allem wenn gängige Tipps für gesunde Ernährung nicht funktionie­rten, bestimmte Nahrungsmi­ttel Probleme verursacht­en oder man sich überforder­t fühle, beobachtet Stefanie Baumann: „Durch gegensätzl­iche Ratschläge in sozialen Medien wissen viele gar nicht mehr, was sie überhaupt noch essen sollen. Die Aufgabe ist dann herauszufi­nden, welche Interventi­onen individuel­l Sinn machen, ohne das Leben unnötig zu verkompliz­ieren.“Was aber für alle gilt: Buntes Gemüse, Obst und Kräuter enthalten antioxidat­ive Flavonoide, wie den Traubenext­rakt Resveratro­l oder den Pflanzenfa­rbstoffe Luteolin, deren positiven Einfluss auf die Genexpress­ion viele Studien belegen. Ein echtes Dns-superfood ist auch Curcumin: Es hemmt entzündung­sfördernde Gene, während es die Aktivität von jenen erhöht, die antiinflam­matorische Stoffe produziere­n.

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