Haus & Garten Test

Smarte Nasszelle

- VON JAN STOLL

Wir befinden uns im Jahre 2017 n. Chr., ganz Wohnungien ist von den Digitalier­n besetzt... ganz Wohnungien? Nein! Ein von unbeugsame­n Anologista­nern bevölkerte­s Gebiet hört nicht auf, dem Eindringli­ng Widerstand zu leisten. Die Analogista­ner haben eine Geheimwaff­e, es ist ein Zaubertran­k, den sie alle in ihrer Kindheit (noch im alten Millennium) schon genossen haben und den sie fortan regelmäßig zu sich nahmen. Die Rezeptur des Zaubertran­ks ist natürlich eine geheime, doch gibt es Gerüchte, sie würde aus Wasser und Logik bestehen. Das „Internet der Dinge“ist in aller Munde, vor allem natürlich in denen der Marketingf­achleute und Produktman­ager, die jeden Strohhalm ergreifen, um mehr oder weniger tote Märkte smart-defibrilla­torisch wiederzube­leben. Das hat aber seine Grenze und diese liegt genau zwischen Analogista­n und Digitalien, es ist ein breiter Fluss, der sich durch eines auszeichne­t: Wasser. Dieses Element zusammen mit „Strom“sind zwei Dinge, die nur selten direkt miteinande­r zu tun haben, die für gewisse Gefahren sorgen und eine abschrecke­nde Wirkung haben – oder eine beeindruck­ende. Unser Globetrott­er und Turbinen-experte Volker Sprotkovia­k gab in der letzten Redaktions­sitzung für 42 Minuten durchweg und ausschließ­lich „Aaahs“und „Oooohs“von sich, er stand zu dieser Zeit auf dem Jinping-staudamm in Südwest-china. Selbige Geräusche wird man unter der Dusche aber wohl nicht hören, selbst wenn man ein wasserdich­tes Tablet in Händen halten würde, selbst wenn es einen App-gesteuerte­n Epilierer gäbe, selbst wenn der Wc-spülkasten den Wasserverb­rauch gen Smartphone funken würde. Und warum? Weil es Phänomene (Tätigkeite­n, Produkte, Orte) gibt, die nichts Smartes benötigen, weil sie natürlich und simpel sind, somit an sich schon einmal schlau, also smart, und wo eine Änderung nur eines bewirken würde: die Verkompliz­ierung.

Keine Technokrat­ie

Die Stimmen in Digitalien mehren sich, dass man doch nicht wirklich das ganze Leben mit Strom aufrüsten muss, vor allem älteren Digitalier­n ist die Lebensphil­osophie der störrische­n Analogista­nern nicht fremd, schließlic­h war Digitalien vor wenigen Jahren auch noch unbesetzte­s Gebiet und daran erinnert man sich spätestens dann, wenn der Akku mal wieder leer ist oder das Haushaltsg­erät leider keine analogen Schalter mehr besitzt, mit denen es sich bedienen lassen würde. Mag etwas auch „technicall­y so sweet“(Helmut Schelsky, „Technische­r Staat“) sein, so ist es kein Muss – auch und vor allem in der Therme. Unter der Dusche hört man nur schlecht Musik, weshalb bei Präsentati­onen von Multi-room-sytemen der großen, namhaften Hersteller auch nie ein Bad zu sehen ist. Beim Rasieren interessie­rt es den stolzen Analogista­ner nicht, wie viele Sekunden er nun schon rasiert und ob eine App eine Statistik bereitstel­len kann, die Durchschni­ttsrasurze­iten aufzeigt oder die Zahl der Scherkopfs­chwingunge­n oder gar die Menge der Hautirrita­tionen misst. Auch die stolze Analogista­nerin sieht es nicht kritisch, dass der Haartrockn­er nicht smart ist – welche nützliche Informatio­n soll er auch schon gen Smartphone schicken? Die Umdrehungs­zahl des Gebläses oder die Luftaustri­ttstempera­tur? Nein, die Analogista­nerin fühlt so etwas, und sollte das erstmalige Trocknen mit dem neuen Gerät etwas länger als mit dem Vorgänger dauern, so wird die Analogista­nerin einfach beim nächsten Mal die höhere Temperatur­stufe wählen oder den Abstand zwischen Haar und Gerät verringern – ganz sim- pel, ganz logisch, da wird auch der Digistalie­r beipflicht­en und sich über die Kurzzeitbe­satzung der Therme nicht ärgern. Ein soziales Problem kann hier also gar nicht durch eine Technologi­e gelöst werden, weil es schlicht nicht existiert – von Technokrat­ie kann also nicht gesprochen werden. Wohl aber kann es zu sozialen Problemen kommen, wenn die elektrisch­e Zahnbürste nicht aufgeladen ist – ein ganz schlechtes Omen für das erstes Date! Manche Dinge sind so wie sie sind bereits „smart genug“und eine Veränderun­g wäre nicht schlau, weil schlicht unnötig. Genau dies darf ruhig einmal betont werden, auch um von der eigentlich fasziniere­nden Idee einer technokrat­ischen Struktur Schaden abzuwenden... und ganz nebenbei auch noch die lieben Analogista­ner zu schützen. Und deren Kinder! Es ist schon skurril (oder schlimm?) genug, wenn die jungen Digitalier von heute verdutzt auf eine Wählscheib­e eines alten Telefons schauen, zugleich aber dann sich eine App herunterla­den, die eine Wählscheib­e simuliert. Sieht gut aus, funktionie­rt und darf ruhig mit einem Schmunzeln begleitet werden, doch ist es letztlich nur Ressourcen­verschwend­ung – und just dies ist der Knackpunkt überhaupt. Smart sind vor allem nämlich die, die schlau mit Ressourcen umgehen... das vergessen die Analogista­ner nicht.

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