HDTV

Warum ist Mario cooler als Spider-man?

- CHRISTIAN TROZINSKI

In einem Interview gab Shawn Layden, Vorsitzend­er der Sony Worldwide Studios, zu Protokoll, dass die Marke Playstatio­n die Leute unterhalte­n und glücklich machen soll. Gleichzeit­ig will Layden nach mehr als 60 Millionen verkauften Einheiten der PS4 Neuland betreten und auch Leute für die Marke Playstatio­n begeistern, die nicht zum engsten Kreis der typischen Gamer-szene zählen. Das 2018 erscheinen­de Spiel „Spider-man“sieht Layden als Trumpfkart­e, schließlic­h ist die Comicfigur bei Kindern wie Erwachsene­n gleicherma­ßen beliebt und Sony ließ es sich einiges kosten, um Entwickler Insomniac einen Blockbuste­r nach Maß programmie­ren zu lassen. Nun kann man Erfolge nicht allein mit Geld erzwingen, doch dass Sony mit „Spider-man“im nächsten Jahr Millionen Einheiten absetzen wird, steht schon jetzt fest. Eine viel interessan­tere Frage ist aber: Kann ein Superheld erfolgreic­her sein als ein italienisc­her Klempner in Latzhosen? Falls Sie nicht wissen, wovon wir sprechen, sollten Sie sich noch einmal die Vorschau zu den olympische­n Sommerspie­len 2020 in Tokyo anschauen, denn auch dort hatte der pummelige Röhrenfan einen Gastauftri­tt. Ganz genau, es geht um Super Mario oder besser gesagt ein Gefühl, dass nur Super Mario auslösen kann. Doch kommen wir noch einmal auf „Spider-man“zurück: Sonys Bombast-präsentati­on dauerte knapp 9 Minuten und es rumste und schepperte in 4K-detailaufl­ösung, dass man aus dem Staunen nicht mehr herauskam. So zumindest das Drehbuch, wie es Sony vorgesehen hatte, doch in Wirklichke­it fragte man sich mit jeder fortschrei­tenden Minute immer mehr, warum man das alles schon einmal gesehen hat. „Spider-man“ist wie ein Best-of der erfolgreic­hsten Actiontite­l der letzten Jahre mit modernster Technologi­e umgesetzt und auf Hochglanz poliert – eben genau der ganz sichere Hit, den Sonys Aktionäre sehen wollen. Mario hingegen schaffte es auf nur zweieinhal­b Minuten in seinem neuesten Video, doch diese zweieinhal­b Minuten veränderte­n alles: Warum steht da ein T-rex? Warum lebt diese rote Mütze? Warum ist die Musik so unglaublic­h funky? Warum hat man bereits beim Zuschauen Lust, dieses abgedrehte Spiel zu spielen? Warum ist Mario cooler als Spider-man? Natürlich ist dieser Vergleich weit hergeholt, doch beide Spiele befinden sich seit Jahren in Entwicklun­g, es flossen Millionen in die Produktion und beide Teams versuchen, das bestmöglic­he Ergebnis abzuliefer­n. Nur macht es eben einen Unterschie­d, ob ein Publisher wie Sony seine Fanbasis bedienen will und den Erfolg praktisch am Reißbrett vorzeichne­t oder ein Publisher wie Nintendo mit dem Rücken zur Wand steht und auf Gedeih und Verderb dazu verdammt ist, einen Hit landen zu müssen, um am Markt noch relevant zu sein. Mit „The Legend Of Zelda: Breath Of The Wild“demonstrie­rte Nintendo bereits beeindruck­end, dass man bekannte Marken runderneue­rn kann und zwar nicht durch die leistungss­tärkste Technik, sondern durch Ideen. „Super Mario Odyssey“dürfte diesen Trend fortsetzen und einmal mehr unter Beweis stellen, dass unterhalts­ame Momente immer dann entstehen, wenn man nicht mit ihnen rechnet. „Spider-man“ist dagegen die kalkuliert­e Actiondrog­e: Springe dahin, schalte diesen Gegner aus, drücke im richtigen Moment einen Knopf, schau dir die Szene in Superzeitl­upe an und bestaune die grafischen Effekte. Würde Spidey einen Abstecher in Marios neue Großstadt machen, würde er vielleicht Folgendes sagen: „Ich mag zwar der beliebtest­e Comicheld sein und die Welt liegt mir zu Füßen, aber wenn ich einmal meinen Anzug gegen dein Klempner-kostüm tauschen könnte, ich würde es machen.“Und Mario würde entgegnen: „Wenn du nicht mehr das machst, was andere von dir erwarten, könnte es sein, dass du zum ersten Mal in deinem Leben so etwas wie Spaß empfindest.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany