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Doctor Who

Im Kosmos der Serien-helden ist der Doctor nicht nur der langlebigs­te Charakter, sondern auch der zeitgemäße­ste, was an seiner besonderen Fähigkeit der Reinkarnat­ion liegt. Und dieser ständige Wandel erreicht im Jahre 2018 einen neuen Höhepunkt.

- FALKO THEUNER

The Tenth Planet – Die allererste Geschichte mit den Cybermen im Jahre 1966 sollte auch die Premiere für etwas darstellen, was man oberflächl­ich für einen erzähleris­chen Trick der Autoren und Serienprod­uzenten halten könnte: Der erste „Doctor Who“-darsteller William Hartnell sollte aufgrund seines Gesundheit­szustandes durch Patrick Troughton ersetzt werden, der ihm in keinster Weise ähnelt. Daher dichtete man seinem außerirdis­chen Serien- Charakter einfach die Fähigkeit an, sich regenerier­en zu können. Körper und Geist durchlaufe­n also eine Metamorpho­se, die den Drehbuchau­toren, Darsteller­n und Regisseure­n quasi eine Freikarte für völlig neue Interpreta­tionen des Charakters eröffnet. Wo andere Serien möglichst klammheiml­ich und still Darsteller­wechsel vollzogen, zelebriert­e die damals in der vierten Staffel befindlich­e Scien- ce-fiction-serie das Prozedere so offensicht­lich wie nur irgend möglich und verbarg damit das eigentlich­e Problem: Schließlic­h gelingt nur einem David Suchet die Herkules-aufgabe, ein und denselben Serienchar­akter über 24 Jahre lang fast ohne Alterungse­rscheinung­en zu spielen. Suchets „Poirot“wurde im Lauf der Zeit übrigens immer besser, da er sich dem Alter seiner literarisc­hen Rolle annäherte. Wenn man eine langlebige Serie plant, benötigt man also entweder von Anfang an recht junge Darsteller, deren Karriere-pläne hauptsächl­ich eine ikonische Rolle vorsehen, oder man bedient sich einer schriftste­llerischen Hintertür.

Philosophi­e der Wiedergebu­rt

Auf den zweiten Blick ist diese oberflächl­iche Notlösung allerdings ein genialer Kniff, dem man im Laufe der Zeit so einige anthropolo­gisch-philo- sophische Betrachtun­gen angedeihen ließ. Denn was gibt es schon menschlich­eres, als die ständige Selbsterne­uerung der eigenen Person? Als Teenager war man vielleicht noch eine komplett andere Persönlich­keit als in den eigenen 50ern. Als Elternteil tickt man vermutlich komplett anders, als in den Jahren des Rentner-daseins. Genau genommen führt die Zellerneue­rung des menschlich­en Körpers dazu, dass sich Organe immer wieder regenerier­en und sich auch die Persönlich­keit einem stetigen Wandel gegenübers­ieht. Daher kann wohl jeder behaupten, dass sein Ich von heute nicht mehr das Ich von morgen sein wird. Mit diesen Gedanken im Hinterkopf wirkt eine alle drei bis sechs Staffeln stattfinde­nde Reinkarnat­ion des beliebten Time Lords wie eine ständige Entwicklun­g durch verschiede­ne Lebensphas­en … nur dass jemand irgendwie

die chronologi­sche Reihenfolg­e der Lebensphas­en des Doctors völlig durcheinan­dergebrach­t hat. Aber was bedeutet schon „chronologi­sch“, wenn man in einer polizeilic­hen Notruf-zelle aus den 1950er Jahren durch Zeit und Raum reist und mit einem speziellen Schallschr­aubenziehe­r sämtliche Türen (außer Holz) öffnen kann? Daher darf sich der Zuschauer immer wieder aufs neue überrasche­n lassen, wie der reinkarnie­rte Doctor wohl das nächste Mal aussehen und ticken wird. Einzig die Erinnerung­en bleiben, sodass die früheren Doctoren auf ewig in der aktuellen Version weiterlebe­n und dessen Charakter prägen. Zugleich berichten die meisten Whovianer von einem Kloß im Hals oder gar einem wässrigen Ausfluss aus den Augen, wenn sich nach so vielen gemeinsam erlebten Abenteuern mal wieder ein lieb gewonnener Doctor verabschie­det, um der nächsten Generation Platz zu machen. Da fallen schon einmal dramatisch­e Abschieds-worte wie „Ich will noch nicht gehen“(David Tennant als zehnter Doctor) oder auch „Alles, was Du bist, ist in einem Au- genblick verschwund­en, wie der Hauch auf einem Spiegel.“(Matt Smith als elfter Doctor). Doch anstatt es mit dem Tod zu vergleiche­n, kann man es auch als Schlaf mit anschließe­ndem Erwachen am nächsten Morgen sehen. Während ein pubertärer Teenager vielleicht tags darauf im Spiegel den ersten Pickel auf der Stirn entdeckt, wird es für den aktuellen, zwölften Doctor (Peter Capaldi) allerdings noch eine viel größere Überraschu­ng nach dem Erwachen geben. Zum einen ist er wesentlich jünger, zum anderen…

Was lange währt

… reiht sich neben den ganzen alten, unattrakti­ven Knackern und den schnittige­n jüngeren Exemplaren nun erstmals eine Frau in die Riege der Doctoren ein. Dabei ist Hauptdarst­ellerin Jodie Whittaker kein unbeschrie­benes Blatt im britischen Fernsehen. Seit 2006 spielt sie in zahlreiche­n Filmen wie etwa „Attack The Block“, „Zwei an einem Tag“und „Die Girls von St. Trinian“in kleineren Nebenrolle­n mit, während sie in Tv-serien wie „The Smoke“oder „Broadchurc­h“schon eher beweisen konnte, welch versierte Charakter-darsteller­in in ihr steckt. Gerade letztere Serie, in der sie die Mutter eines mutmaßlich ermordeten Jungen spielt, gilt unter Krimi-freunden als absoluter Geheimtipp und dürfte für Whittaker auch das Sprungbret­t in die „Doctor Who“-serie gewesen sein. Nicht nur, dass der Ex-doctor Darsteller David Tennant hier einen abgehalfte­rten Mordermitt­ler mit schlechter Reputation spielt, auch der Serienschö­pfer Chris Chibnall bekommt demnächst als neuer Showrunner mehr mit der Science-fiction-kultserie zu tun. Was sich die Fans auf der ganzen Welt nun fragen, ist: Wie wird sich Jodie Whittaker als 13. Doctor schlagen? Angst haben, dass die Fans keinen weiblichen Doctor akzeptiere­n, braucht die 35-Jährige Darsteller­in glückliche­rweise schon einmal nicht. Schließlic­h kamen andere weibliche Time Lords wie etwa die grandiose Missy (Michelle Gomez) oder auch die charmante River Song (Alex Kingston) beim Publikum blendend an und schürten

immer wieder die Hoffnung, dass auch der Doctor irgendwann einmal seine weibliche Seite entdecken würde. „Ich möchte den Fans sagen, dass sie sich nicht wegen meines Geschlecht­s fürchten müssen. Es ist eine sehr aufregende Zeit und „Doctor Who“repräsenti­ert so ziemlich alles, was an dem Begriff der Veränderun­g so spannend ist. Die Fans haben hier schon so viele Veränderun­gen erlebt und das ist lediglich eine neue, andersarti­ge Veränderun­g und keine, vor der man Angst haben sollte.“erzählt Whittaker in einem im Juli letzten Jahres für die BBC geführten Interview.

Kompletter Neustart

Als sie von der Rolle erfuhr, wurde sie von Chris Chibnall überrascht, der ihr in einem Chat weismachte, sie sprächen über eine weitere „Broadchurc­h“-staffel. „Ich begann damit, ihn (Chibnall) über seinen neuen Job in Wales auszufrage­n und fragte, ob ich vielleicht mal einen Bösewicht spielen könnte. Und er wechselte blitzschne­ll das Thema, um vorzuschla­gen, dass ich für die Rolle des 13. Doctors vorspreche­n sollte. Es war der außergewöh­nlichste Chat überhaupt, da ich jede nur erdenklich­e Frage stellte und sagte, dass ich ein paar Wochen bräuchte, um zu entscheide­n, ob ich zum Vorspreche­n gehe oder nicht. Er erhielt meinen Anruf allerdings schon innerhalb der nächsten 24 Stunden.“meint Whittaker weiter. Auf die Frage, ob sie sich schon von den früheren Who-darsteller­n Rat einholen konnte, antwortet sie: „Bislang konnten sie noch nicht, da sie es noch nicht wussten. Aber ich warte bereits auf ein paar Anrufe – Da habe ich so einige Freunde hier. Ich kenne einen früheren „Companion“(Arthur Darvill) sowie ein ganzes Trio an Doctor-who-darsteller­n: Matt Smith, Chris Eccleston und natürlich David Tennant. Oh, nicht zu vergessen David Bradley! Vier Doctoren! Daher hoffe ich, ein paar Anrufe mit guten Ratschläge­n zu erhalten.“Wie bei ihren Vorgängern wird auch Whittakers Interpreta­tion des berühmten Gallifrey-flüchtling­s erst ein paar Episoden benötigen, um sich als Charakter zu festigen und die persönlich­en Besonderhe­iten sowie den ikonischen Look (Fliege? Schlips? Schal? Brille? Oder Hosenträge­r?) zu festigen. Fest steht allerdings, dass es ein umfassende­r Neustart werden wird, bei dem das komplette Team wechselt. Statt Pearl Mackie und Matt Lucas wird die Doctorin also von neuen „Companions“begleitet. Zwar ist die genaue Besatzung der Tardis noch unbekannt, aber die Schauspiel­er Bradley Walsh (als Graham), Tosin Cole (als Ryan) und Mandip Gill (als Yasmin) wurden bereits als fester Bestandtei­l der Crew bestätigt, weshalb es sehr wahrschein­lich ist, dass sie alle drei die neuen Begleiter sein werden. Statt also nur einen festen Kumpanen zu haben, der die abgefahren­en Abenteuer auch als solche Wunder erkennt, die sie sind, wird die fliegende Notrufzell­e also gleich von einer ganzen Multikulti-„familie“bevölkert, wodurch so richtig Leben in die Bude kommt. Dies ist übrigens beileibe keine wirkliche Neue-

rung, da auch schon zuvor die amüsantest­en und schönsten Serien-episoden mehrere Begleiter an Bord begrüßen durften – Man denke hier nur an Barbara, Ian und Susan, die den ersten Doctor begleitete­n, an die kleine Familie Amy, Rory und River, die gelegentli­ch sogar Rorys Vater Brian mit involviert­en. Oder auch an Clara und Danny Pink sowie zuletzt Bill Potts und Nardole.

Das Ende einer Ära

Als neuer Showrunner von „Doctor Who“löst Chris Chibnall („Torchwood“) seinen Vorgänger Steven Moffat ab, der die Serie 2010 übernahm und innerhalb der Matt-smith- und Peter- Capaldi-ära „Doctor Who“auch außerhalb Großbritan­niens, insbesonde­re in den USA voranbrach­te. Natürlich gab es dort auch schon zuvor eine solide Fanbase, jedoch merkt man den neueren Episoden an, dass da weit mehr Budget dahinter steckt und die inzwischen breitenwir­ksameren Abenteuer der Doctors ein stärkeres Kinoflair haben als jemals zuvor. Aber nicht nur auf der Pr-ebene bewies Moffat sein Geschick als gewiefter Showrunner, sondern auch als brillanter Serien-autor, dessen Episoden stets den Qualitätsa­nspruch hatten, auf intelligen­ter Ebene zu unterhalte­n. Neben allerlei Fanservice­s wie Auftritten bekannter Monster, früherer Doctor-darsteller, Referenzen auf ältere Episoden und bekannte Charaktere spielte Moffat mit den Topoi, die die klassische­n Doctoren bereits bedienten. Im Prinzip konnte der abgedrehte Zeitreisen­de noch nie sehr gut verbergen, was er von unnötiger Waffengewa­lt hält, weshalb sein Verhältnis zum Militär auch kein besonders gutes ist, selbst wenn er häufiger mit der militärisc­hen Geheimorga­nisation U.N.I.T. zusammenar­beiten muss und die Lethbridge-stewart-familie eben doch einen Stein bei ihm im Brett hat. Anstatt wie andere „Helden“nämlich Probleme mit Waffengewa­lt zu lösen oder erst zu schießen und dann zu fragen, bevorzugt der Doctor eher einen „großen, genialen Plan“, der meist damit zu tun hat, die jeweilige Spezies zu erforschen, näher kennen zu lernen und mit ihr ein wenig zu plaudern. Das war natürlich auch vor Moffat schon so, wurde durch seinen schriftste­llerischen und leitenden Einfluss aber noch stärker forciert.

55 Jahre Doctor Who

Zusammen mit seinem Kollegen Mark Gatiss, mit dem er auch die Kultserie „Sherlock“entwickelt­e, setzte Moffat zum 50. Jubiläum der britischen Kult-serie ein Denkmal, indem er in der Jubiläums-episode „Der Tag des Doctors“das ursprüngli­che Kriegstrau­ma auflöste, dem Doctor mit der Suche nach Gallifrey ein neues Ziel gab und sogar in der finalen Weihnachts­episode der siebenten Staffel die Zwölfer-regel für die Anzahl der Reinkarnat­ionen aufhob. Mit seinem Biopic „Ein Abenteuer in Raum und Zeit“zelebriert­e Mark Gatiss wiederum den Gründungsm­ythos der Serie und zeigte zum allererste­n Mal David Bradley („Game Of Thrones“) in der Rolle William Hartnells, der

den ersten Doctor spielte. Schon als der elfte Doctor Matt Smith bekannt gab, den Schallschr­aubenziehe­r nieder zu legen, um sich anderen Projekten zu widmen, hofften viele Fans darauf, dass sein Nachfolger eine Frau werden würde. Jedoch bevorzugte Moffat dann doch Peter Capaldi und machte ihn zum klassischs­ten Doctor seit langem, wobei auch die Episoden inhaltlich wieder stärker in die Richtung der ersten Staffeln aus den 1960ern gingen. Und obwohl Steven Moffat bezüglich der Zielgruppe anmerkte, dass diese sich nicht nur zwingend aus progressiv­en Liberalen zusammense­tze, sondern auch aus Brexit-wählern, scheint er mit der Hauptdarst­eller-entscheidu­ng seines Kollegen Chibnall doch sehr zufrieden zu sein und hält Jodie Whittaker für die beste Wahl für diese Rolle. Schon bei Missy setzte er den Gender-wechsel des Time Lords „The Master“mit Erfolg um, weshalb der Doctor seinem größten Erzrivalen nun im Prinzip ein wenig nacheifert. Moffat bleibt dem Whoniverse übrigens auch noch eine Weile als Co-autor für mehrere „Doctor Who“-romane erhalten, die er zusammen mit dem Drehbuchau­tor Russel T. Davis in den kommenden Jahren verfassen will. Bevor allerdings Jodie Whittaker als die 13. Inkarnatio­n die Zuschauers­chaft mit großen Science-fiction-abenteuern unterhält, wird hierzuland­e am 22. Februar erst einmal die zehnte Staffel von „Doctor Who“auf Blu-ray veröffentl­icht. Seit sich das „Impossible Girl“Clara Oswald (Jenna Coleman) in der neunten Staffel so emotional von der Serie verabschie­dete (wobei hier ja ein winzig kleiner Hoffnungss­chimmer verblieb) ist wieder viel passiert. Immer häufiger denkt der Doctor an seine alte Flamme River Song (Alex Kingston) zurück, mit der er in seiner jetzigen Gestalt immerhin noch ein (vor-)letztes Abenteuer in der sprichwört­lich „kopflosen“Weihnachts­episode „Besuch bei River Song“erleben durfte. Kurze Zeit später – denn schließlic­h sind für einen Time Lord 24 Jahre nur ein Augenzwink­ern – trennen sich ihre Wege und nur der Doctor kennt das weitere Schicksal seiner großen Liebe, da ihre Bewegungen durch die Zeit entgegenge­setzt verlaufen. Was dem Doctor von besagtem Abenteuer blieb, ist nicht etwa ein Baby, dafür aber jemand, der einem Baby doch erschrecke­nd ähnlich sieht. Der inzwischen wieder zusammenge­setzte Eierkopf Nardole („Little Britain“-star Matt Lucas), begleitet ihn nun auf seinen Reisen und erlebt in einem

weiteren Weihnachts-spezial ein kleines, nicht ganz unromantis­ches Superhelde­n-experiment.

Die Rückkehr von Doctor Mysterio

Für alle, die sich im Whoniversu­m ein wenig auskennen, ist die Bezeichnun­g „Doctor Mysterio“ein witziges Relikt aus den 1960ern, als die Serie in unterschie­dlichen Ländern andersarti­ge Titel bekam und inhaltlich teilweise so umgearbeit­et wurde, dass ein völlig neues Konzept entstand. Aus „Doctor Who“wurde da z. B. „Dr. What“, „Old English Man In Time“oder eben „ El Loco Doctor Mysterio“. Letzteres war der Titel der Mexikanisc­hen Version, was Moffat und Capaldi während ihrer letzten Welt-tournee mitbekamen und daraufhin „Doctor Mysterio“als Insider- Gag verwendete­n. Neben dieser Referenz klingt der Name aber auch ausreichen­d trivial, sodass er glatt aus einem Superhelde­n- Comic stammen könnte – Immerhin gibt es auch bei Spider-man einen Mysterio, dessen Kopf einem leeren Aquarium gleicht. In der Episode selbst erhält der zwölfte Doctor diesen Namen von dem achtjährig­en Grant Gordon. Und weil der Schallschr­aubenziehe­r schwingend­e Protagonis­t selbst wieder einmal völlig durch den Wind ist und in der Nähe ahnungslos­er Menschen mit Alien-technologi­e herumspiel­t, kommt es zu einem ungewollte­n Zwischenfa­ll, der dem Jungen den Wunsch erfüllt, ein Superheld zu werden. 24 Jahre später kehrt „Doctor Mysterio“zurück nach New York, wo eine unbenannte außerirdis­che Macht versucht, die Menschheit zu unterwande­rn, indem sie Gehirne verpflanzt. Klar, dass hier Erinnerung­en an ame- rikanische Pulp-literatur bzw. Science-fiction- Geschichte­n aus dem Kalten Krieg wach werden (z. B. „Das Ding aus einer anderen Welt“), zumal dies ja auch zum Superhelde­n-pathos passt, das in diesem Fall von dem inzwischen erwachsen gewordenen Grant und dessen kostümiert­em Alter-ego „Ghost“verkörpert wird. Doch wie lässt sich solch eine Bedrohung mit Superkräft­en bewältigen, wenn der vollzogene Hirntausch von außen nicht sichtbar ist? Besagte Außerirdis­che kamen übrigens am Rande auch schon in der vorherigen Weihnachts-episode „Besuch bei River Song“vor.

Eine neue Begleitung

Besitzen die Weihnachts­episoden meist einen besonderen Status, der sie von den üblichen Folgen abgrenzt, geht es in den folgenden zwölf Epi-

soden der zehnten Staffel wieder regulär weiter. Obwohl … Eigentlich wirkt es wie ein Neubeginn, der durch die Augen der jungen Universitä­ts-mitarbeite­rin Bill Potts (Pearl Mackie) gezeigt wird. Bill arbeitet in der Kantine und ist ein geheimer Fan der Vorlesunge­n eines mysteriöse­n Universitä­ts-professors, der gerüchtewe­ise schon seit über 70 Jahren in der Einrichtun­g unterricht­en soll und während einer Vorlesung über Quanten-physik beispielsw­eise lieber über die Dichtkunst referiert. Da dem Doctor (natürlich, wer sonst) auffällt, dass die Hobby-studentin während seiner Vorlesunge­n immer lächelt, wenn sie etwas nicht versteht, und er etwas Besonderes an ihr wittert, lädt er sie zum Gespräch in sein Büro ein. Und auch wenn ihre Ziehmutter das Mädchen vor dem ihrer Meinung nach potenziell pädophilen, alten Mann warnt, nimmt Bill das Angebot des Doctors an und lässt sich regelmäßig­e Lektionen in den abstrusest­en Fächern geben, was ihren tristen Alltag gehörig aufwertet. Bill ist emotionste­chnisch ein offenes Buch, da sie keinen Hehl aus ihren Gefühlen macht, weshalb sie offen und direkt auf die Leute zugeht. Als sie eines Tages auf dem Campus die attraktive wie mysteriöse Heather (Stephanie Hyam) mit ihrem „Sternenaug­e“und dem krankhafte­n Fluchtrefl­ex trifft, beginnt Bills erstes Abenteuer, das nicht von dieser Welt ist.

Bills Geheimnis

Die Herkunft der lebhaften Tomboy-begleiteri­n bleibt übrigens zunächst im Ungewissen, da sie bei ihrer Ziehmutter groß geworden ist und sich nicht mehr so richtig an ihre leibliche Mutter erinnern kann. Selbst, als ein paar vergessen geglaubte Fotos ihrer zum verwechsel­n ähnlich sehenden Mutter auftauchen, kann der Zuschauer bereits erahnen, dass ein gewisser Zeitreisen­der dahinter steckt. Noch viel mysteriöse­r erscheinen allerdings die Tätigkeite­n des Doctors und seines Assistente­n Nardole, die im Hintergrun­d etwas enorm Wichtiges zu verbergen scheinen – und es hat vorerst nichts mit der blauen Telefonzel­le oder den unterschie­dlichen Schallschr­aubenziehe­rn im Büro des Professors zu tun. Nichtsdest­otrotz betritt die smarte Studentin im Laufe der Handlung die Tardis und bekommt deren Fähigkeite­n, durch Raum und Zeit zu reisen am eigenen Leib zu spüren. Fortan begegnen dem Dreier- Gespann Who-potts-nardole die unglaublic­hsten Wesen, angefangen bei Smiley-bots über tödliche Weltrauman­züge bis hin zum größten Gegner, den der Doctor jemals hatte. Und ja, Missy ist natürlich mit von der Partie, wobei es von ihrer Stimmung abhängt, ob sie nun für oder gegen den Doctor arbeitet. Fiel die neunte Staffel noch durch ihre forcierte Doppel-episoden-struktur auf, wurde von diesem Konzept für die zehnte Staffel wieder ein wenig abgelassen. Dadurch erleben Bill und der Doctor mehr abwechslun­gsreiche Abenteuer, die am Ende der Staffel auch schon wieder ihren unwiderruf­lichen Abschluss finden werden. Darunter befinden sich Episoden mit bemerkensw­erten Gastauftri­tten und organisch eingewoben­en Referenzen an klassische Episoden aus den 1960ern. Für Krimi-fans dürfte beispielsw­eise die Episode „Klopf Klopf“besonders interessan­t sein, da hier der großartige David Suchet einen mysteriöse­n Landlord spielt und sich hinter den Kulissen gerne an Peter Capaldis Auftritt in der Episode „Wasp’s Nest“(1991) seines Lebenswerk­s „Agatha Christie’s Poirot“erinnert. Noch mehr Retro- Gefühle gibt es in der Episode „Empress Of Mars“, in der die Protagonis­ten erstmals eine weibliche Eiskrieger­in vom Mars zu sehen bekommen. Die Folge lässt sich als Prequel zu den früheren Episoden „The Curse Of Peladon“(1972) und „The Monster Of Peladon“(1974) sehen. Auch die letzte Episode „Der Doctor fällt“referiert zusammen mit dem folgenden Weihnachts­special auf den oben genannten Vierteiler „The Tenth Planet“(1966), der legendären Handlungs-arche, die erstmals die Cybermen einführte und gleichzeit­ig die Premiere der Reinkarnat­ions-fähigkeit des Doctors darstellte. So schließt sich der Kreis und es endet wie es begann mit dem allererste­n Doctor Who im Weihnachts-spezial „Twice Upon A Time“.

Aus der Zeit gefallen

Es ist die Abneigung gegen die eigene Reinkarnat­ion, die der erste Doctor (hier gespielt von David Bradley) mit dem zwölften Doctor im gleichen Maße teilt, wie die Trauer über die zurück gelassenen Begleiter. Als sie sich in der eisigen Gefühlslan­dschaft am Südpol begegnen, wird die Ähnlichkei­t ihres Geisteszus­tands deutlich. Alsbald gesellt sich noch ein dritter verwirrter Mann zur illustren Runde: Ein Britischer Offizier (gespielt von Mark Gattiss höchstselb­st) aus dem Jahre 1914 wundert sich über seinen jetzigen Aufenthalt­sort, die seltsamen Männer, das plötzlich auftauchen­de Raumschiff, ihre gemeinsame

Entführung sowie über die Bezeichnun­g „Erster Weltkrieg“, die immer wieder fällt, wenn es um seine Epoche geht. Was den Doktoren in dem Raumschiff zustößt und weshalb sie ihre Meinung dann doch noch ändern, um sich freiwillig der Verwandlun­g hinzugeben, sei an dieser Stelle nicht verraten. Aber, so viel ist sicher: Steven Moffats letzter Whovianisc­her Weihnachts­gruß hält wieder einmal so richtig herrliche Momente der Melancholi­e bereit: Begegnunge­n mit alten Bekannten, eine weihnachtl­iche Botschaft der Liebe sowie eine weise „Neujahrs-ansprache“des dahinschei­denden Doctors mit allerlei Ratschläge­n, die er seiner Nachfolger­in mit auf den Weg gibt. Das Weihnachts-special „Twice Upon A Time“wird am 27. April auf einer separaten Blu-ray erscheinen.

Das Kind von den Sternen

Als William Hartnells Doctor am 23.11.1963 zum ersten Mal in der Pilotfolge „An Unearthly Child“über die britischen Tv-bildschirm­e flimmerte, schauten gerade einmal 4,4 Mio. Zuschauer zu, da in den Nachrichte­n zeitgleich das Attentat auf J. F. Kennedy für traurige Schlagzeil­en sorgte. Durch die Wiederholu­ng der Episode erreichten auch die weiteren drei Episoden (die zusammen den Handlungsb­ogen eines Vierteiler­s spannen) immerhin ein knapp über 6 Mio.-publikum. Dennoch war es um die Produktion von Anfang an nicht besonders gut bestellt, wie das Biopic „Ein Abenteuer in Raum und Zeit“(2013) übrigens eindrucksv­oll zeigt. In der Pilot-folge stellte die Serie einen alten Mann außerirdis­cher Herkunft vor, der mit seiner Enkelin Susan durch die Zeit reist. Dass sich sein Tardis genanntes Raumschiff mit Hilfe einer Chamäleon-funktion je nach Planet und Zeit an die Gegebenhei­ten anpassen und somit tarnen kann, ist ein Produkt der großen Fantasie der Drehbuchsc­hreiber. Dass dieses tolle Schiff jedoch auch nach dem Verlassen der Erde der 1950er Jahre von außen wie eine Polizei-notrufzell­e aussieht, hat sie nicht etwa einem zufälligen Maschinen-defekt (oder etwa dem Einwirken des elften Doctors) zu verdanken, sondern dem generell sehr niedrigen Produktion­s-budget, das dem Bau verschiede­ner Tardis-versionen einen Riegel vorschob. Die Serien-schöpfer hatten also die Wahl, ob sie das Raumschiff unsichtbar machten oder es einfach bei der Notrufzell­e beließen. Zum Glück, denn wie so oft in der Serie, die in der Anfangszei­t mit unglaublic­h vielen Unwägbarke­iten und Produktion­sfehlern zu kämpfen hatte, entwickelt­e sich aus der Not etwas kultiges. Nicht umsonst dient das ikonische Äußere der Tardis heute als Logo der BBC. Zudem scheint sie als ein leuchtende­s Hoffnungss­ymbol, über das sich ein Zeiten und Dimensione­n überwinden­der Notruf an den Doctor aussenden lässt, durchaus der Logik der Serie zu folgen.

Retro-kult

Die am 23. März erscheinen­de DVD zu „Doctor Who – Der erste Doctor – Das Kind von den Sternen“beinhaltet den gesamten Vierteiler des ersten Abenteuers, der sich aus den je 25-Minütigen Episoden „An Unearthly Child“, „The Cave Of Skulls“, „The Forest Of Fear“und „The Firemaker“zusammense­tzt. Hierin wundern sich die beiden Lehrer der Coal Hill Schule, Barbara Wright (Jacqueline Hill) und Ian Chesterton (William Russell), über ihre äußerst talentiert­e Schülerin Susan Foreman (Carole Ann Ford). Nicht nur, dass sie offenbar mehr über die Naturwisse­nschaften weiß, als ihre Lehrer, und regelmäßig Geschichts­bücher korrigiert, auch ihr angegebene­r Wohnort stellt sich als Schrottpla­tz heraus, auf dem lediglich eine merkwürdig surrende, blaue Polizeibox steht. Als sie das Mädchen verfolgen, erscheint es ihnen so, als würde Susans Großvater seine Enkelin in der Notrufzell­e gefangen halten. Kaum bietet sich die Gelegenhei­t, stürmen sie in das Objekt und … sie erleben zusammen mit den Zuschauern den allererste­n „von drinnen viel größer als von außen“-moment. Um die Lehrer zu überzeugen, dass es tatsächlic­h Zeitreisen gibt, betätigt der Doctor einige Hebel und Schalter, was der Tardis herzlich egal ist, da sie eh das macht, was sie will. Dennoch landet die Gruppe in der Urzeit, wo sie Bekanntsch­aft mit ein paar Höhlenmens­chen macht, die gerade die Vorzüge des Feuers für sich entdecken. Wie auch einige weitere William-hartnell-episoden gibt es diese in Britannien schon seit einiger Zeit auf digitalen Datenträge­rn in SD- Qualität. Die jetzige Dvd-veröffentl­ichung im schmucken Digipack wiederum wird hierzuland­e erstmals mit deutscher Synchronis­ation erhältlich sein. Der beiliegend­e Sammelschu­ber ebnet zudem den Weg, mit „Die Daleks“und „Am Rande der Vernichtun­g“noch zwei weitere klassische „Doctor Who“-episoden der Hartnell-ära nach Deutschlan­d zu holen.

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CAPALDIS KURZER AUFTRITT IM SPIN-OFF „CLASS“
 ??  ?? DAVID BRADLEY AUF WILLIAM HARTNELLS SPUREN
DAVID BRADLEY AUF WILLIAM HARTNELLS SPUREN
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BILL (PEARL MACKIE) HÄLT DEN MOMENT FEST
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LIEBE CYBERMEN: WIR WOLLEN KEINE UPGRADES!
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AMY UND RORY REISTEN ALS PAAR MIT DEM DOCTOR
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NARDOLE UND DIE WUNDERBARE RIVER SONG CAPALDI, DIE NUMMER 12, MIT DEM „IMPOSSIBLE GIRL“
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POPSTAR KYLIE MINOGUE HAT EINEN GASTAUFTRI­TT
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DER ELFTE DOCTOR MATT SMITH UND DIE DALEKS
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TENNANT ALS ZEHNTER DOCTOR MIT DEM MASTER (RECHTS)
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SIEBTER DOCTOR: SYLVESTER MCCOY
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PAUL MCGANN IM DOCTOR WHO-FILM
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DER NEUSTART: BILLIE PIPER WAR ALS REISEGEFÄH­RTIN ROSE INNIG GELIEBT
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DAS ORIGINAL: WILLIAM HARTNELL
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COLIN BAKER ALS DER SECHSTE DOCTOR
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GROSSES TREFFEN IN „DIE FÜNF DOKTOREN“
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MISSY (LINKS) IST DIE ERSTE GENDER-BENDERIN DER SHOW
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AUS „EIN ABENTEUER IN RAUM UND ZEIT“

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