Doctor Who
Im Kosmos der Serien-helden ist der Doctor nicht nur der langlebigste Charakter, sondern auch der zeitgemäßeste, was an seiner besonderen Fähigkeit der Reinkarnation liegt. Und dieser ständige Wandel erreicht im Jahre 2018 einen neuen Höhepunkt.
The Tenth Planet – Die allererste Geschichte mit den Cybermen im Jahre 1966 sollte auch die Premiere für etwas darstellen, was man oberflächlich für einen erzählerischen Trick der Autoren und Serienproduzenten halten könnte: Der erste „Doctor Who“-darsteller William Hartnell sollte aufgrund seines Gesundheitszustandes durch Patrick Troughton ersetzt werden, der ihm in keinster Weise ähnelt. Daher dichtete man seinem außerirdischen Serien- Charakter einfach die Fähigkeit an, sich regenerieren zu können. Körper und Geist durchlaufen also eine Metamorphose, die den Drehbuchautoren, Darstellern und Regisseuren quasi eine Freikarte für völlig neue Interpretationen des Charakters eröffnet. Wo andere Serien möglichst klammheimlich und still Darstellerwechsel vollzogen, zelebrierte die damals in der vierten Staffel befindliche Scien- ce-fiction-serie das Prozedere so offensichtlich wie nur irgend möglich und verbarg damit das eigentliche Problem: Schließlich gelingt nur einem David Suchet die Herkules-aufgabe, ein und denselben Seriencharakter über 24 Jahre lang fast ohne Alterungserscheinungen zu spielen. Suchets „Poirot“wurde im Lauf der Zeit übrigens immer besser, da er sich dem Alter seiner literarischen Rolle annäherte. Wenn man eine langlebige Serie plant, benötigt man also entweder von Anfang an recht junge Darsteller, deren Karriere-pläne hauptsächlich eine ikonische Rolle vorsehen, oder man bedient sich einer schriftstellerischen Hintertür.
Philosophie der Wiedergeburt
Auf den zweiten Blick ist diese oberflächliche Notlösung allerdings ein genialer Kniff, dem man im Laufe der Zeit so einige anthropologisch-philo- sophische Betrachtungen angedeihen ließ. Denn was gibt es schon menschlicheres, als die ständige Selbsterneuerung der eigenen Person? Als Teenager war man vielleicht noch eine komplett andere Persönlichkeit als in den eigenen 50ern. Als Elternteil tickt man vermutlich komplett anders, als in den Jahren des Rentner-daseins. Genau genommen führt die Zellerneuerung des menschlichen Körpers dazu, dass sich Organe immer wieder regenerieren und sich auch die Persönlichkeit einem stetigen Wandel gegenübersieht. Daher kann wohl jeder behaupten, dass sein Ich von heute nicht mehr das Ich von morgen sein wird. Mit diesen Gedanken im Hinterkopf wirkt eine alle drei bis sechs Staffeln stattfindende Reinkarnation des beliebten Time Lords wie eine ständige Entwicklung durch verschiedene Lebensphasen … nur dass jemand irgendwie
die chronologische Reihenfolge der Lebensphasen des Doctors völlig durcheinandergebracht hat. Aber was bedeutet schon „chronologisch“, wenn man in einer polizeilichen Notruf-zelle aus den 1950er Jahren durch Zeit und Raum reist und mit einem speziellen Schallschraubenzieher sämtliche Türen (außer Holz) öffnen kann? Daher darf sich der Zuschauer immer wieder aufs neue überraschen lassen, wie der reinkarnierte Doctor wohl das nächste Mal aussehen und ticken wird. Einzig die Erinnerungen bleiben, sodass die früheren Doctoren auf ewig in der aktuellen Version weiterleben und dessen Charakter prägen. Zugleich berichten die meisten Whovianer von einem Kloß im Hals oder gar einem wässrigen Ausfluss aus den Augen, wenn sich nach so vielen gemeinsam erlebten Abenteuern mal wieder ein lieb gewonnener Doctor verabschiedet, um der nächsten Generation Platz zu machen. Da fallen schon einmal dramatische Abschieds-worte wie „Ich will noch nicht gehen“(David Tennant als zehnter Doctor) oder auch „Alles, was Du bist, ist in einem Au- genblick verschwunden, wie der Hauch auf einem Spiegel.“(Matt Smith als elfter Doctor). Doch anstatt es mit dem Tod zu vergleichen, kann man es auch als Schlaf mit anschließendem Erwachen am nächsten Morgen sehen. Während ein pubertärer Teenager vielleicht tags darauf im Spiegel den ersten Pickel auf der Stirn entdeckt, wird es für den aktuellen, zwölften Doctor (Peter Capaldi) allerdings noch eine viel größere Überraschung nach dem Erwachen geben. Zum einen ist er wesentlich jünger, zum anderen…
Was lange währt
… reiht sich neben den ganzen alten, unattraktiven Knackern und den schnittigen jüngeren Exemplaren nun erstmals eine Frau in die Riege der Doctoren ein. Dabei ist Hauptdarstellerin Jodie Whittaker kein unbeschriebenes Blatt im britischen Fernsehen. Seit 2006 spielt sie in zahlreichen Filmen wie etwa „Attack The Block“, „Zwei an einem Tag“und „Die Girls von St. Trinian“in kleineren Nebenrollen mit, während sie in Tv-serien wie „The Smoke“oder „Broadchurch“schon eher beweisen konnte, welch versierte Charakter-darstellerin in ihr steckt. Gerade letztere Serie, in der sie die Mutter eines mutmaßlich ermordeten Jungen spielt, gilt unter Krimi-freunden als absoluter Geheimtipp und dürfte für Whittaker auch das Sprungbrett in die „Doctor Who“-serie gewesen sein. Nicht nur, dass der Ex-doctor Darsteller David Tennant hier einen abgehalfterten Mordermittler mit schlechter Reputation spielt, auch der Serienschöpfer Chris Chibnall bekommt demnächst als neuer Showrunner mehr mit der Science-fiction-kultserie zu tun. Was sich die Fans auf der ganzen Welt nun fragen, ist: Wie wird sich Jodie Whittaker als 13. Doctor schlagen? Angst haben, dass die Fans keinen weiblichen Doctor akzeptieren, braucht die 35-Jährige Darstellerin glücklicherweise schon einmal nicht. Schließlich kamen andere weibliche Time Lords wie etwa die grandiose Missy (Michelle Gomez) oder auch die charmante River Song (Alex Kingston) beim Publikum blendend an und schürten
immer wieder die Hoffnung, dass auch der Doctor irgendwann einmal seine weibliche Seite entdecken würde. „Ich möchte den Fans sagen, dass sie sich nicht wegen meines Geschlechts fürchten müssen. Es ist eine sehr aufregende Zeit und „Doctor Who“repräsentiert so ziemlich alles, was an dem Begriff der Veränderung so spannend ist. Die Fans haben hier schon so viele Veränderungen erlebt und das ist lediglich eine neue, andersartige Veränderung und keine, vor der man Angst haben sollte.“erzählt Whittaker in einem im Juli letzten Jahres für die BBC geführten Interview.
Kompletter Neustart
Als sie von der Rolle erfuhr, wurde sie von Chris Chibnall überrascht, der ihr in einem Chat weismachte, sie sprächen über eine weitere „Broadchurch“-staffel. „Ich begann damit, ihn (Chibnall) über seinen neuen Job in Wales auszufragen und fragte, ob ich vielleicht mal einen Bösewicht spielen könnte. Und er wechselte blitzschnell das Thema, um vorzuschlagen, dass ich für die Rolle des 13. Doctors vorsprechen sollte. Es war der außergewöhnlichste Chat überhaupt, da ich jede nur erdenkliche Frage stellte und sagte, dass ich ein paar Wochen bräuchte, um zu entscheiden, ob ich zum Vorsprechen gehe oder nicht. Er erhielt meinen Anruf allerdings schon innerhalb der nächsten 24 Stunden.“meint Whittaker weiter. Auf die Frage, ob sie sich schon von den früheren Who-darstellern Rat einholen konnte, antwortet sie: „Bislang konnten sie noch nicht, da sie es noch nicht wussten. Aber ich warte bereits auf ein paar Anrufe – Da habe ich so einige Freunde hier. Ich kenne einen früheren „Companion“(Arthur Darvill) sowie ein ganzes Trio an Doctor-who-darstellern: Matt Smith, Chris Eccleston und natürlich David Tennant. Oh, nicht zu vergessen David Bradley! Vier Doctoren! Daher hoffe ich, ein paar Anrufe mit guten Ratschlägen zu erhalten.“Wie bei ihren Vorgängern wird auch Whittakers Interpretation des berühmten Gallifrey-flüchtlings erst ein paar Episoden benötigen, um sich als Charakter zu festigen und die persönlichen Besonderheiten sowie den ikonischen Look (Fliege? Schlips? Schal? Brille? Oder Hosenträger?) zu festigen. Fest steht allerdings, dass es ein umfassender Neustart werden wird, bei dem das komplette Team wechselt. Statt Pearl Mackie und Matt Lucas wird die Doctorin also von neuen „Companions“begleitet. Zwar ist die genaue Besatzung der Tardis noch unbekannt, aber die Schauspieler Bradley Walsh (als Graham), Tosin Cole (als Ryan) und Mandip Gill (als Yasmin) wurden bereits als fester Bestandteil der Crew bestätigt, weshalb es sehr wahrscheinlich ist, dass sie alle drei die neuen Begleiter sein werden. Statt also nur einen festen Kumpanen zu haben, der die abgefahrenen Abenteuer auch als solche Wunder erkennt, die sie sind, wird die fliegende Notrufzelle also gleich von einer ganzen Multikulti-„familie“bevölkert, wodurch so richtig Leben in die Bude kommt. Dies ist übrigens beileibe keine wirkliche Neue-
rung, da auch schon zuvor die amüsantesten und schönsten Serien-episoden mehrere Begleiter an Bord begrüßen durften – Man denke hier nur an Barbara, Ian und Susan, die den ersten Doctor begleiteten, an die kleine Familie Amy, Rory und River, die gelegentlich sogar Rorys Vater Brian mit involvierten. Oder auch an Clara und Danny Pink sowie zuletzt Bill Potts und Nardole.
Das Ende einer Ära
Als neuer Showrunner von „Doctor Who“löst Chris Chibnall („Torchwood“) seinen Vorgänger Steven Moffat ab, der die Serie 2010 übernahm und innerhalb der Matt-smith- und Peter- Capaldi-ära „Doctor Who“auch außerhalb Großbritanniens, insbesondere in den USA voranbrachte. Natürlich gab es dort auch schon zuvor eine solide Fanbase, jedoch merkt man den neueren Episoden an, dass da weit mehr Budget dahinter steckt und die inzwischen breitenwirksameren Abenteuer der Doctors ein stärkeres Kinoflair haben als jemals zuvor. Aber nicht nur auf der Pr-ebene bewies Moffat sein Geschick als gewiefter Showrunner, sondern auch als brillanter Serien-autor, dessen Episoden stets den Qualitätsanspruch hatten, auf intelligenter Ebene zu unterhalten. Neben allerlei Fanservices wie Auftritten bekannter Monster, früherer Doctor-darsteller, Referenzen auf ältere Episoden und bekannte Charaktere spielte Moffat mit den Topoi, die die klassischen Doctoren bereits bedienten. Im Prinzip konnte der abgedrehte Zeitreisende noch nie sehr gut verbergen, was er von unnötiger Waffengewalt hält, weshalb sein Verhältnis zum Militär auch kein besonders gutes ist, selbst wenn er häufiger mit der militärischen Geheimorganisation U.N.I.T. zusammenarbeiten muss und die Lethbridge-stewart-familie eben doch einen Stein bei ihm im Brett hat. Anstatt wie andere „Helden“nämlich Probleme mit Waffengewalt zu lösen oder erst zu schießen und dann zu fragen, bevorzugt der Doctor eher einen „großen, genialen Plan“, der meist damit zu tun hat, die jeweilige Spezies zu erforschen, näher kennen zu lernen und mit ihr ein wenig zu plaudern. Das war natürlich auch vor Moffat schon so, wurde durch seinen schriftstellerischen und leitenden Einfluss aber noch stärker forciert.
55 Jahre Doctor Who
Zusammen mit seinem Kollegen Mark Gatiss, mit dem er auch die Kultserie „Sherlock“entwickelte, setzte Moffat zum 50. Jubiläum der britischen Kult-serie ein Denkmal, indem er in der Jubiläums-episode „Der Tag des Doctors“das ursprüngliche Kriegstrauma auflöste, dem Doctor mit der Suche nach Gallifrey ein neues Ziel gab und sogar in der finalen Weihnachtsepisode der siebenten Staffel die Zwölfer-regel für die Anzahl der Reinkarnationen aufhob. Mit seinem Biopic „Ein Abenteuer in Raum und Zeit“zelebrierte Mark Gatiss wiederum den Gründungsmythos der Serie und zeigte zum allerersten Mal David Bradley („Game Of Thrones“) in der Rolle William Hartnells, der
den ersten Doctor spielte. Schon als der elfte Doctor Matt Smith bekannt gab, den Schallschraubenzieher nieder zu legen, um sich anderen Projekten zu widmen, hofften viele Fans darauf, dass sein Nachfolger eine Frau werden würde. Jedoch bevorzugte Moffat dann doch Peter Capaldi und machte ihn zum klassischsten Doctor seit langem, wobei auch die Episoden inhaltlich wieder stärker in die Richtung der ersten Staffeln aus den 1960ern gingen. Und obwohl Steven Moffat bezüglich der Zielgruppe anmerkte, dass diese sich nicht nur zwingend aus progressiven Liberalen zusammensetze, sondern auch aus Brexit-wählern, scheint er mit der Hauptdarsteller-entscheidung seines Kollegen Chibnall doch sehr zufrieden zu sein und hält Jodie Whittaker für die beste Wahl für diese Rolle. Schon bei Missy setzte er den Gender-wechsel des Time Lords „The Master“mit Erfolg um, weshalb der Doctor seinem größten Erzrivalen nun im Prinzip ein wenig nacheifert. Moffat bleibt dem Whoniverse übrigens auch noch eine Weile als Co-autor für mehrere „Doctor Who“-romane erhalten, die er zusammen mit dem Drehbuchautor Russel T. Davis in den kommenden Jahren verfassen will. Bevor allerdings Jodie Whittaker als die 13. Inkarnation die Zuschauerschaft mit großen Science-fiction-abenteuern unterhält, wird hierzulande am 22. Februar erst einmal die zehnte Staffel von „Doctor Who“auf Blu-ray veröffentlicht. Seit sich das „Impossible Girl“Clara Oswald (Jenna Coleman) in der neunten Staffel so emotional von der Serie verabschiedete (wobei hier ja ein winzig kleiner Hoffnungsschimmer verblieb) ist wieder viel passiert. Immer häufiger denkt der Doctor an seine alte Flamme River Song (Alex Kingston) zurück, mit der er in seiner jetzigen Gestalt immerhin noch ein (vor-)letztes Abenteuer in der sprichwörtlich „kopflosen“Weihnachtsepisode „Besuch bei River Song“erleben durfte. Kurze Zeit später – denn schließlich sind für einen Time Lord 24 Jahre nur ein Augenzwinkern – trennen sich ihre Wege und nur der Doctor kennt das weitere Schicksal seiner großen Liebe, da ihre Bewegungen durch die Zeit entgegengesetzt verlaufen. Was dem Doctor von besagtem Abenteuer blieb, ist nicht etwa ein Baby, dafür aber jemand, der einem Baby doch erschreckend ähnlich sieht. Der inzwischen wieder zusammengesetzte Eierkopf Nardole („Little Britain“-star Matt Lucas), begleitet ihn nun auf seinen Reisen und erlebt in einem
weiteren Weihnachts-spezial ein kleines, nicht ganz unromantisches Superhelden-experiment.
Die Rückkehr von Doctor Mysterio
Für alle, die sich im Whoniversum ein wenig auskennen, ist die Bezeichnung „Doctor Mysterio“ein witziges Relikt aus den 1960ern, als die Serie in unterschiedlichen Ländern andersartige Titel bekam und inhaltlich teilweise so umgearbeitet wurde, dass ein völlig neues Konzept entstand. Aus „Doctor Who“wurde da z. B. „Dr. What“, „Old English Man In Time“oder eben „ El Loco Doctor Mysterio“. Letzteres war der Titel der Mexikanischen Version, was Moffat und Capaldi während ihrer letzten Welt-tournee mitbekamen und daraufhin „Doctor Mysterio“als Insider- Gag verwendeten. Neben dieser Referenz klingt der Name aber auch ausreichend trivial, sodass er glatt aus einem Superhelden- Comic stammen könnte – Immerhin gibt es auch bei Spider-man einen Mysterio, dessen Kopf einem leeren Aquarium gleicht. In der Episode selbst erhält der zwölfte Doctor diesen Namen von dem achtjährigen Grant Gordon. Und weil der Schallschraubenzieher schwingende Protagonist selbst wieder einmal völlig durch den Wind ist und in der Nähe ahnungsloser Menschen mit Alien-technologie herumspielt, kommt es zu einem ungewollten Zwischenfall, der dem Jungen den Wunsch erfüllt, ein Superheld zu werden. 24 Jahre später kehrt „Doctor Mysterio“zurück nach New York, wo eine unbenannte außerirdische Macht versucht, die Menschheit zu unterwandern, indem sie Gehirne verpflanzt. Klar, dass hier Erinnerungen an ame- rikanische Pulp-literatur bzw. Science-fiction- Geschichten aus dem Kalten Krieg wach werden (z. B. „Das Ding aus einer anderen Welt“), zumal dies ja auch zum Superhelden-pathos passt, das in diesem Fall von dem inzwischen erwachsen gewordenen Grant und dessen kostümiertem Alter-ego „Ghost“verkörpert wird. Doch wie lässt sich solch eine Bedrohung mit Superkräften bewältigen, wenn der vollzogene Hirntausch von außen nicht sichtbar ist? Besagte Außerirdische kamen übrigens am Rande auch schon in der vorherigen Weihnachts-episode „Besuch bei River Song“vor.
Eine neue Begleitung
Besitzen die Weihnachtsepisoden meist einen besonderen Status, der sie von den üblichen Folgen abgrenzt, geht es in den folgenden zwölf Epi-
soden der zehnten Staffel wieder regulär weiter. Obwohl … Eigentlich wirkt es wie ein Neubeginn, der durch die Augen der jungen Universitäts-mitarbeiterin Bill Potts (Pearl Mackie) gezeigt wird. Bill arbeitet in der Kantine und ist ein geheimer Fan der Vorlesungen eines mysteriösen Universitäts-professors, der gerüchteweise schon seit über 70 Jahren in der Einrichtung unterrichten soll und während einer Vorlesung über Quanten-physik beispielsweise lieber über die Dichtkunst referiert. Da dem Doctor (natürlich, wer sonst) auffällt, dass die Hobby-studentin während seiner Vorlesungen immer lächelt, wenn sie etwas nicht versteht, und er etwas Besonderes an ihr wittert, lädt er sie zum Gespräch in sein Büro ein. Und auch wenn ihre Ziehmutter das Mädchen vor dem ihrer Meinung nach potenziell pädophilen, alten Mann warnt, nimmt Bill das Angebot des Doctors an und lässt sich regelmäßige Lektionen in den abstrusesten Fächern geben, was ihren tristen Alltag gehörig aufwertet. Bill ist emotionstechnisch ein offenes Buch, da sie keinen Hehl aus ihren Gefühlen macht, weshalb sie offen und direkt auf die Leute zugeht. Als sie eines Tages auf dem Campus die attraktive wie mysteriöse Heather (Stephanie Hyam) mit ihrem „Sternenauge“und dem krankhaften Fluchtreflex trifft, beginnt Bills erstes Abenteuer, das nicht von dieser Welt ist.
Bills Geheimnis
Die Herkunft der lebhaften Tomboy-begleiterin bleibt übrigens zunächst im Ungewissen, da sie bei ihrer Ziehmutter groß geworden ist und sich nicht mehr so richtig an ihre leibliche Mutter erinnern kann. Selbst, als ein paar vergessen geglaubte Fotos ihrer zum verwechseln ähnlich sehenden Mutter auftauchen, kann der Zuschauer bereits erahnen, dass ein gewisser Zeitreisender dahinter steckt. Noch viel mysteriöser erscheinen allerdings die Tätigkeiten des Doctors und seines Assistenten Nardole, die im Hintergrund etwas enorm Wichtiges zu verbergen scheinen – und es hat vorerst nichts mit der blauen Telefonzelle oder den unterschiedlichen Schallschraubenziehern im Büro des Professors zu tun. Nichtsdestotrotz betritt die smarte Studentin im Laufe der Handlung die Tardis und bekommt deren Fähigkeiten, durch Raum und Zeit zu reisen am eigenen Leib zu spüren. Fortan begegnen dem Dreier- Gespann Who-potts-nardole die unglaublichsten Wesen, angefangen bei Smiley-bots über tödliche Weltraumanzüge bis hin zum größten Gegner, den der Doctor jemals hatte. Und ja, Missy ist natürlich mit von der Partie, wobei es von ihrer Stimmung abhängt, ob sie nun für oder gegen den Doctor arbeitet. Fiel die neunte Staffel noch durch ihre forcierte Doppel-episoden-struktur auf, wurde von diesem Konzept für die zehnte Staffel wieder ein wenig abgelassen. Dadurch erleben Bill und der Doctor mehr abwechslungsreiche Abenteuer, die am Ende der Staffel auch schon wieder ihren unwiderruflichen Abschluss finden werden. Darunter befinden sich Episoden mit bemerkenswerten Gastauftritten und organisch eingewobenen Referenzen an klassische Episoden aus den 1960ern. Für Krimi-fans dürfte beispielsweise die Episode „Klopf Klopf“besonders interessant sein, da hier der großartige David Suchet einen mysteriösen Landlord spielt und sich hinter den Kulissen gerne an Peter Capaldis Auftritt in der Episode „Wasp’s Nest“(1991) seines Lebenswerks „Agatha Christie’s Poirot“erinnert. Noch mehr Retro- Gefühle gibt es in der Episode „Empress Of Mars“, in der die Protagonisten erstmals eine weibliche Eiskriegerin vom Mars zu sehen bekommen. Die Folge lässt sich als Prequel zu den früheren Episoden „The Curse Of Peladon“(1972) und „The Monster Of Peladon“(1974) sehen. Auch die letzte Episode „Der Doctor fällt“referiert zusammen mit dem folgenden Weihnachtsspecial auf den oben genannten Vierteiler „The Tenth Planet“(1966), der legendären Handlungs-arche, die erstmals die Cybermen einführte und gleichzeitig die Premiere der Reinkarnations-fähigkeit des Doctors darstellte. So schließt sich der Kreis und es endet wie es begann mit dem allerersten Doctor Who im Weihnachts-spezial „Twice Upon A Time“.
Aus der Zeit gefallen
Es ist die Abneigung gegen die eigene Reinkarnation, die der erste Doctor (hier gespielt von David Bradley) mit dem zwölften Doctor im gleichen Maße teilt, wie die Trauer über die zurück gelassenen Begleiter. Als sie sich in der eisigen Gefühlslandschaft am Südpol begegnen, wird die Ähnlichkeit ihres Geisteszustands deutlich. Alsbald gesellt sich noch ein dritter verwirrter Mann zur illustren Runde: Ein Britischer Offizier (gespielt von Mark Gattiss höchstselbst) aus dem Jahre 1914 wundert sich über seinen jetzigen Aufenthaltsort, die seltsamen Männer, das plötzlich auftauchende Raumschiff, ihre gemeinsame
Entführung sowie über die Bezeichnung „Erster Weltkrieg“, die immer wieder fällt, wenn es um seine Epoche geht. Was den Doktoren in dem Raumschiff zustößt und weshalb sie ihre Meinung dann doch noch ändern, um sich freiwillig der Verwandlung hinzugeben, sei an dieser Stelle nicht verraten. Aber, so viel ist sicher: Steven Moffats letzter Whovianischer Weihnachtsgruß hält wieder einmal so richtig herrliche Momente der Melancholie bereit: Begegnungen mit alten Bekannten, eine weihnachtliche Botschaft der Liebe sowie eine weise „Neujahrs-ansprache“des dahinscheidenden Doctors mit allerlei Ratschlägen, die er seiner Nachfolgerin mit auf den Weg gibt. Das Weihnachts-special „Twice Upon A Time“wird am 27. April auf einer separaten Blu-ray erscheinen.
Das Kind von den Sternen
Als William Hartnells Doctor am 23.11.1963 zum ersten Mal in der Pilotfolge „An Unearthly Child“über die britischen Tv-bildschirme flimmerte, schauten gerade einmal 4,4 Mio. Zuschauer zu, da in den Nachrichten zeitgleich das Attentat auf J. F. Kennedy für traurige Schlagzeilen sorgte. Durch die Wiederholung der Episode erreichten auch die weiteren drei Episoden (die zusammen den Handlungsbogen eines Vierteilers spannen) immerhin ein knapp über 6 Mio.-publikum. Dennoch war es um die Produktion von Anfang an nicht besonders gut bestellt, wie das Biopic „Ein Abenteuer in Raum und Zeit“(2013) übrigens eindrucksvoll zeigt. In der Pilot-folge stellte die Serie einen alten Mann außerirdischer Herkunft vor, der mit seiner Enkelin Susan durch die Zeit reist. Dass sich sein Tardis genanntes Raumschiff mit Hilfe einer Chamäleon-funktion je nach Planet und Zeit an die Gegebenheiten anpassen und somit tarnen kann, ist ein Produkt der großen Fantasie der Drehbuchschreiber. Dass dieses tolle Schiff jedoch auch nach dem Verlassen der Erde der 1950er Jahre von außen wie eine Polizei-notrufzelle aussieht, hat sie nicht etwa einem zufälligen Maschinen-defekt (oder etwa dem Einwirken des elften Doctors) zu verdanken, sondern dem generell sehr niedrigen Produktions-budget, das dem Bau verschiedener Tardis-versionen einen Riegel vorschob. Die Serien-schöpfer hatten also die Wahl, ob sie das Raumschiff unsichtbar machten oder es einfach bei der Notrufzelle beließen. Zum Glück, denn wie so oft in der Serie, die in der Anfangszeit mit unglaublich vielen Unwägbarkeiten und Produktionsfehlern zu kämpfen hatte, entwickelte sich aus der Not etwas kultiges. Nicht umsonst dient das ikonische Äußere der Tardis heute als Logo der BBC. Zudem scheint sie als ein leuchtendes Hoffnungssymbol, über das sich ein Zeiten und Dimensionen überwindender Notruf an den Doctor aussenden lässt, durchaus der Logik der Serie zu folgen.
Retro-kult
Die am 23. März erscheinende DVD zu „Doctor Who – Der erste Doctor – Das Kind von den Sternen“beinhaltet den gesamten Vierteiler des ersten Abenteuers, der sich aus den je 25-Minütigen Episoden „An Unearthly Child“, „The Cave Of Skulls“, „The Forest Of Fear“und „The Firemaker“zusammensetzt. Hierin wundern sich die beiden Lehrer der Coal Hill Schule, Barbara Wright (Jacqueline Hill) und Ian Chesterton (William Russell), über ihre äußerst talentierte Schülerin Susan Foreman (Carole Ann Ford). Nicht nur, dass sie offenbar mehr über die Naturwissenschaften weiß, als ihre Lehrer, und regelmäßig Geschichtsbücher korrigiert, auch ihr angegebener Wohnort stellt sich als Schrottplatz heraus, auf dem lediglich eine merkwürdig surrende, blaue Polizeibox steht. Als sie das Mädchen verfolgen, erscheint es ihnen so, als würde Susans Großvater seine Enkelin in der Notrufzelle gefangen halten. Kaum bietet sich die Gelegenheit, stürmen sie in das Objekt und … sie erleben zusammen mit den Zuschauern den allerersten „von drinnen viel größer als von außen“-moment. Um die Lehrer zu überzeugen, dass es tatsächlich Zeitreisen gibt, betätigt der Doctor einige Hebel und Schalter, was der Tardis herzlich egal ist, da sie eh das macht, was sie will. Dennoch landet die Gruppe in der Urzeit, wo sie Bekanntschaft mit ein paar Höhlenmenschen macht, die gerade die Vorzüge des Feuers für sich entdecken. Wie auch einige weitere William-hartnell-episoden gibt es diese in Britannien schon seit einiger Zeit auf digitalen Datenträgern in SD- Qualität. Die jetzige Dvd-veröffentlichung im schmucken Digipack wiederum wird hierzulande erstmals mit deutscher Synchronisation erhältlich sein. Der beiliegende Sammelschuber ebnet zudem den Weg, mit „Die Daleks“und „Am Rande der Vernichtung“noch zwei weitere klassische „Doctor Who“-episoden der Hartnell-ära nach Deutschland zu holen.