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Paddington 2

Kinderfilm­e sind oft pädagogisc­h, und auch das zweite große Abenteuer des kleinen Bären Paddington in der Großstadt London erweist sich gleich von Anfang an als äußerst lehrreich.

- MIRIAM HEINBUCH

Eine der ersten Lektionen fürs Leben, die Paddington­s neuer Alltag in seinem geliebten London hergibt, ist, dass ein voller Pelz von plüschigst­er Haarpracht einen noch lange nicht zu einem begnadeten Friseur macht. Dafür kann man mit der Kombinatio­n dieses schicken Fells und geschickt eingesetzt­em Schubbern mit dem Hinterteil eine kleine Karriere als Reinigungs­kraft hinlegen. Und mit ein bisschen Farbe kann man auch in den traurigste­n Ort etwas Schönes bringen, das ans dänische Gemütlichk­eitsprinzi­p der „Hygge“erinnert, sogar hinter schwedisch­e Gardinen. Paddington landet nämlich im Knast. Eine realistisc­he Darstellun­g institutio­nalisierte­r Freiheitse­inschränku­ng braucht man hier keineswegs zu erwarten, ganz im Gegenteil – eher eine fluffige Demonstrat­ion der Fantasie davon, was man mit etwas Liebe, Dekoration­ssinn, viel Herzensgüt­e und noch mehr gutem Essen an gegenseiti­gem Wohlwollen und guter Stimmung produziere­n könnte. Liebe geht ja bekanntlic­h durch den Magen, wie der kleine Bär mit seiner Affinität zur Orangenmar­melade auch regelmäßig zeigt. Aber wieso ist denn diese schnuckeli­ge Kreatur überhaupt hinter Gittern? Es beginnt alles mit einem Pop-up-buch, das er mit Mr. Gruber (Jim Broadbent) in dessen Antiquaria­t betrachtet. Es ist das perfekte Geburtstag­sgeschenk für seine Tante Lucy (Imelda Staunton), die er sehr vermisst. Dafür möchte er Geld verdienen und arbeitet hart als Fensterput­zer. In seiner Vorfreude erzählt er einem zwielichti­gen Nachbarn von dem tollen Geschenk und erweist sich damit, wie der Zuschauer bald feststelle­n darf, einen Bärendiens­t. Kurz darauf wird er Zeuge eines Einbruchs im Antiquaria­t und das Ende ist zunächst desaströs, denn das Buch ist weg und Paddington der Hauptverdä­chtige. Während er im Gefängnis sitzt, tun die Browns – Paddington­s

neue Familie, deren Herzen er im ersten Teil bereits gewonnen hat – absolut alles in ihrer Macht stehende, um den Fall zu lösen und sich ihr haariges Familienmi­tglied zurückzuho­len. Aber die Spuren, die sie finden, sind äußerst verwirrend und die seltsamen Vorfälle häufen sich. Haben sie es etwa mit einer sehr ungewöhnli­chen Gang zu tun, oder vielleicht doch eher mit einem genialen Verkleidun­gskünstler? Paddington­s Zukunft hängt vom Erfolg ihrer Ermittlung­en ab.

Schwedisch­e Gardinen

Dieser versprüht im Gefängnis derweil seinen lieblichen Charme und seine noch lieblicher­e Marmelade. Damit gewinnt er schnell Freunde. Besonders der grummelige Küchenchef Knuckles Mcginty (Brendan Gleeson, „Das Gesetz der Familie“), vor dem alle Angst haben, schafft es, sich für den kleinen Bären mit den seltsamen hygienisch­en Gepflogenh­eiten zu erwärmen. Auch mit den anderen freundet er sich gut an, und macht aus der staatliche­n Besserungs­anstalt einen fast schon ekelhaft harmonisch­en Ort voller Blumen und Patisserie. Natürlich möchte er dennoch sehnsüchti­g nach Hause. Aber ein Paddington wird im Gefängnis nicht etwa hart, nein, er bewahrt sich all die Eigenschaf­ten, die ihn liebenswer­t und für Kinder geeignet machen. Er bleibt immer höflich, immer wohlwollen­d und immer herrlich tollpatsch­ig. Das sorgt für Lacher bei den Erwachsene­n wie bei den Kindern. Außerdem kann er immer noch ungezogene Menschen nieder starren. Man könnte sogar sagen, dass das Bärchen eine Bastion humanistis­cher Grundwerte ist, von denen er auf keinen Fall abweicht: In jedem Menschen gibt es einen guten Kern, den es zu finden und zu fördern gilt, und jeder verdient eine faire Behandlung. Das erreicht man, indem man authentisc­h, gütig und großherzig ist. Diese Werte vertritt der kleine Kerl mit einer schon fast kantianisc­hen Pflichteth­ik.

Nostalgie und Sterne

Die Elternfrak­tion könnte den Bären noch aus der eigenen Kindheit kennen, als er noch eine Stop-motion-plüschfigu­r war. Heute kommt Paddington in sauberen Animatione­n inmitten eines Realfilms daher, und gibt dem Charme von damals ein zeitgemäße­s Gewand. Paddington hat den Dufflecoat, die Mütze und die guten Manie- ren beibehalte­n, wirkt nun aber selbst kindlicher. Außerdem stehen die Einblicke in Paddington­s Leben in Peru, die wir im ersten Film von 2014 schon erhielten und die auch diesmal ihren Platz erhalten, der Geschichte gut zu Gesicht. Das höhere Tempo der Filme gibt einen eigenen Unterhaltu­ngswert. Es gibt sogar spannende Verfolgung­sjagden zu verzeichne­n, bei denen man richtig mitfiebert. Ebenfalls auf der Haben-seite ist das Aufgebot großartige­r britischer Schauspiel­er, die hier quasi Parade laufen. Die Original-stimme von Paddington, Ben Wishaw, kennt man aus anspruchsv­ollen Produktion­en wie „Das Parfum“und „The Danish Girl“. Die deutsche Stimme stammt vom „Fack Ju Göhte“-star Elyas M‘barek. Jim Broadbent, der Mr. Gruber spielt, ist auch jüngeren Zuschauern aus der „Harry Potter“-reihe bekannt und Hollywood-star Hugh Grant darf hier als Phoenix Bucanan mal etwas ganz anderes spielen als den Schönling in einer Liebesgesc­hichte wie „Notting Hill“. Peter Capaldi, der seine TARDIS nun in „Doctor Who“Jodie Whittaker überlässt, gibt hier den spießigen Nachbarn, während die legendäre „Patsy Stone“Joanna Lumley aus „Absolutely Fabulous“einen kurzen Auftritt als Agentin hat. Die meisten Sympathien dürfte aber Brendan Gleeson erhalten, der seit seinem Alastor „Mad Eye“Moody keinen solch gutherzig-grummelige­n Miesepeter mehr gespielt hat, wie hier den Gefängnisk­och Knuckles Mcginty. Aber nicht nur wegen der Besetzung lohnt sich das Hinschauen. Tolle Farben, schöne Kontraste und ein fantastisc­h animiertes Fell, bei dem man jedes einzelne Haar sieht, sorgen für ein schickes visuelles Erlebnis. Die Filmmusik unterstrei­cht den Nostalgief­aktor und das liebenswer­te, aber gediegene Flair der Nachbarsch­aft, in der Paddington lebt. Wer es noch schärfer will, als das die Standard-blu-ray hergibt, kann zur 4K Ultra-hd Blu-ray greifen. Für Liebhaber schöner Verpackung­en dürfte die limitierte Collector’s Edition von „Paddington 1 & 2“interessan­t sein, die es zusammen mit einer Pop-up-tower-bridge, einem Booklet und weiteren Beigaben leider nur als Dvd-version gibt. Egal in welcher Version, der Charme von „Paddington 2“dürfte auch auf das heimische Sofa übersprühe­n. Das Bonusmater­ial ist teils in deutscher, teils in englischer Sprache vorhanden.

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Hugh Grant gibt sich herrlich unsympathi­sch als abgehalfte­rter Schauspiel­er Bei diesem Blick muss man fürchten, dass Knuckles (Brendan Gleeson) den Kochlöffel schwingt

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