Vikings
„Vikings“begann mit dem Streben eines Familienvaters nach Fortschritt und neuen Gefilden. Viele Jahre später ist er König und auch ansonsten lebt er ein ganz anderes Leben. Aber die nächste Generation klopft bereits an die Tür und will sich ausleben. Es wird sich also manches ändern.
Es sind spannende Zeiten für Serienfans. Man weiß nie, worauf man sich verlassen kann. Entweder die liebste Serie wird abgesetzt, oder sie entwickelt einen Status, der es ihr erlaubt, für viele Staffeln zu laufen. Dann riskieren die Showrunner aber, dass sich das Erfolgsrezept abnutzt und beginnt, schal zu schmecken. Im Falle von „Vikings“hat der Protagonist Ragnar Lothbrok (Travis Fimmel) alles erreicht, was es für ihn zu erreichen gab, und sieht vielleicht gerade deshalb so aus, als ob sein Leben einen solchen schalen Beigeschmack bekommen hat. Auch die anderen Charaktere (außer Lagertha) sind von den Jahren deutlich gezeichnet. Es ist also Zeit, neue Wege zu gehen. Aber wie kann eine Show inmitten der vierten Staffel Neuland betreten? Hier passiert das auf eine recht gewagte Art: Indem man den bisherigen Kern der Serie entfernt und eine Ära enden lässt, aber dennoch altbewährte Themen der Serie beibehält. Rivalität ist schon seit der ersten Staffel so ein Thema in „Vikings“. Zu Beginn war es die zwischen Ragnar Lothbrok und seinem Bruder Rollo (Clive Standen), später die zwischen den Frauen in Ragnars Leben, Lagertha (Katheryn Winnick) und Aslaug (Alyssa Sutherland). Mittlerweile sind es seine Söhne, die an die Macht wollen. Und Nachkommen hat er genug, denn Ragnar hat sein Erbgut ausreichend verstreut: Nicht nur zwischen Aslaug und Lagertha, sondern auch in England soll er einen Sohn haben. Ebenso sind Beziehungen, die beginnen und enden durchgängige Themen, die viel von der Dynamik bestimmt haben. Dann wäre da der Wunsch nach Macht, und die spannenden Gedanken über Religon. Auf alles, was nun kommt, hat die erste Hälfte der viertel Staffel schon hingearbeitet. Wie kommt das alles zusammen?
Ende einer Ära
Nun, es ist kein SPOILER, dass jeder Mensch sterben muss. Das folgende aber schon, weiterlesen gilt also auf eigene Gefahr: Sogar Le-
genden müssen manchmal sterben, und das gilt auch für den König Ragnar Lothbrok. Die erste Hälfte der Staffel hat bereits darauf vorbereitet, dass seine Söhne an seine Stelle treten werden und in ihre eigenen Rollen finden müssen. Aber Sohn des großen Ragnar Lothbrok zu sein, ist nicht leicht. Dass der Abschied naht, ist zu jeder Zeit spürbar in dieser Staffel, denn Ragnar selbst bereitet sich darauf vor, als er zurück nach Kattegat kommt. Er sucht die Nähe seiner Söhne, bedankt sich bei seiner Königin Aslaug für alles, was sie von ihm ertragen hat. Zudem schließt er seinen Frieden mit seinem alten Freund Floki (Gustaf Skarsgård), der ihn seines geliebten Diskussionspartners Athelstan (George Blagden) beraubt hatte. Und er sucht seine Ex-frau Lagertha für ein Gespräch auf. Lagertha hat jedoch ihre ganz eigene Mission, die sie zu Ende bringen muss und ein Leben, das sie sich wiederholen will. Denn während Ragnars Söhne mit Aslaug ihm gegenüber in den ersten zehn Folgen der 20teiligen Staffel aufgrund seiner ständigen Abwesenheit viele ungute Gefühle entwickelt haben, trägt Lagertha schon mindestens genauso lange ihr ganz eigenes Rachebedürfnis mit sich herum. Und auch für die Brüder scheiden sich zunächst die Wege: Ivar (Alex Høgh Andersen), der Krüppel, segelt mit Ragnar nach England, Hvitserk (Marco Ilsø) begleitet Björn (Alexander Ludwig) auf seinem Weg nach Frankreich. Ubbe (Jordan Patrick Smith) und Sigurd (David Lindström) bleiben in Kattegat.
Gekaufte Zeit
Während Ragnar mit seinem Leben abschließt, ist es eine Wohltat zu sehen, wie Lagertha sich wieder in ihrem Leben neu einrichtet. Das ist nicht nur der Fall, weil sie seit jeher eine Sympathieträgerin ist und man gern mit ihr mitfiebert. Sogar in der Serie ist sie diejenige, der andere Frauen nacheifern wollen. Es tut auch gut, weil „Vikings“eine so von ihren Figuren angetriebene Serie ist. Die persönliche Entwicklung der Rollen hat die Handlung bestimmt, und wie auch Ragnar und Floki hat sie enorme Sprünge gemacht und Veränderungen durchlaufen. Wir haben erlebt, wie Ragnar von einem neugierigen und abenteuerlustigen Bauern, der vom Leben und vom Ruhm nicht genug kriegen konnte, zu einem müden, aber strategisch brillanten König geworden ist. Genauso durften wir beobachten, wie Lagertha von einer kampferprobten und liebevollen Ehefrau zu einer Frau in einer Machtposition geworden ist, die man niemals hintergehen sollte. Aber Ragnars Söhne haben einen Grund, sich an ihr rächen zu wollen. Noch kann man sich also freuen, immerhin die eine oder andere vertraute Lieblingsfigur auch nach dem Ableben des großen Ragnar behalten zu dürfen. Es fragt sich allerdings, wie lange noch – dicht gefolgt davon, ob die Serie ihre hohe Qualität und ihren Spannungsfaktor beibehalten kann, wenn ihr der Kern, nämlich die über Jahre liebgewonnenen Charaktere, fehlt.
So weit, so gut
Für die vierte Staffel stellt all das aber kein echtes Problem dar. Björn und Ivar weisen ausreichend Komplexität auf, um Hoffnung auf ihre weiteren Entwicklungen zu machen. Insbesondere Björn hat etwas von der neugierigen, ehrgeizigen Art seines Vaters geerbt. Und noch bietet die Serie genug Machtspiele, Action und Überlegungen über die Götter, das Schicksal und das Leben um den Zuschauer bei der Stange zu halten. Zudem liegt die Latte hier bezüglich der schauspielerischen Leistungen schon ziemlich weit oben. Gustaf Skarsgård konnte als Floki schon immer die genau richtige Menge an Wahnsinn vermitteln, und Katheryn Winnick hat den Kontrast aus Warmherzigkeit, Intelligenz und kriegerischer Härte wirklich raus. Auch ansonsten lässt sich hier niemand etwas zu Schulden kommen. Trotzdem wird Travis Fimmel fehlen, der seinen Ragnar so sehr perfektioniert hat, dass jeder Blick, jede kleine Gesichtsregung unheimlich viel aussagen. Dass „Vikings“wie eh und je auch noch fantastisch aussieht, tut ihr übriges, um der Serie die Treue zu halten. Man hört die Wellen, als würden sie um einen herum rauschen. Die Geräusche der wachsenden Handelsstadt Kattegat suggerieren wirklich reges Treiben. Der Soundtrack passt perfekt und das Bild ist so scharf wie manche Klinge, die hier geschwungen wird. Zwar sind die Farben wie eh und je blass gehalten, aber das Bild ist detailreich genug, um jede Narbe zu sehen. Es lohnt sich also auf jeden Fall, die vierte Staffel zu schauen. Und es bleibt spannend zu sehen, wie sich der Generationenwechsel vollzieht. Von hier an kann es nur anders werden.