Ocean’s 8
Ein volles Jahrzehnt ist es her, seit 2007 der letzte Film der „Ocean’s“-reihe, „Ocean’s 13“über die Leinwände flackerte. Nun wird mit „Ocean’s 8“weiter gegaunert, und im Mittelpunkt stehen diesmal die Frauen um Danny Oceans Schwester Debbie.
Ein ganz einfaches Leben möchte Debbie genießen. Spazieren gehen und ihre Rechnungen bezahlen. Wer will das nicht? Ein beschaulicher Alltag in bescheidener Zufriedenheit, ist das nicht DER Traum? Es sei denn natürlich man ist eine erstklassige Ganovin und behauptet das alles nur, um auf Bewährung aus dem Gefängnis zu kommen. Debbie Ocean (Sandra Bullock, „Blind Side – Die große Chance“) ist die Schwester von Danny Ocean (George Clooney), dem berühmten Protagonisten der anderen „Ocean’s“-filme. Und sie gedenkt wirklich, ihre frisch gewonnene Freiheit dazu zu nutzen, ein besserer Mensch zu werden – zumindest wenn damit gemeint ist, dass sie eine noch bessere Kriminelle wird, die eine noch größere Nummer abzieht als sie es je zuvor getan hat. Debbie Ocean denkt nämlich groß, oder zumindest schwer. Ganz viele Diamanten schwer. Nachdem sie sich auf mehr oder weniger legale Art ein paar wohlduftende, schicke Lebensnotwendigkeiten und ein wenig Erholung verschafft hat, sucht sie erst die Ruhestätte ihres vor kurzem verblichenen, bereits erwähnten Bruders auf, und dann ihre gute alte Freundin, die geradlinige Lou (Cate Blanchett, „Thor: Tag der Entscheidung“). Gemeinsam planen sie den Kern dessen, was diesen Heist Movie ausmachen wird: Sie überlegen sich, wie sie an ein Collier von Cartier im Wert von 150 Millionen Dollar kommen. Der eigentliche Kern von „Ocean’s 8“besteht aber, wie bereits die Besetzung mit Sandra Bullock und Cate Blanchett vermuten lässt, in der hochkarätigen Aufstellung von charismatischen Schauspielerinnen, die fast alle auch einen Film alleine tragen könnten.
Die Girl-gang
Um an die Klunker zu gelangen, brauchen die beiden jemanden aus der Modewelt. Die Wahl fällt auf Rose Weil, eine schräge Designerin am finanziellen und mentalen Abgrund, gespielt von keiner anderen als der wunderbaren Helena Bonham Carter („Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln“). Ihre Rolle ist nicht nur eine Freude, weil sich Frauen weltweit mit der Frustmahlzeit ihrer Wahl identifizieren können, sondern auch weil kaum jemand so gut schrullig spielen kann wie Bonham Carter. Sie soll das Schmuckstück am prominenten Hals von Schauspielerin Daphne Kluger (Anne Hathaway, „Colossal“) platzieren, die es zur Gala des Metropolitan Museum tragen wird, wo die Ladies sie um das schwere Teil erleichtern wollen. Das Team muss natürlich noch um ein paar weitere Spezialistinnen ergänzt werden. So stoßen die mittlerweile als Vorstadt-mama lebende Tammy (Sarah Poulson, „American Horror Story), die Schmuckspezialistin Amita (Comedy-star Mindy Kaling), Hackerin Nine Ball (Rihanna) und Taschendiebin Constance (Awkwafina, „Crazy Rich“) dazu. Zusammen verbreiten sie unheimlich viel Stil. Um dies gleich vorwegzunehmen: „Ocean’s 8“hat seine Fehler. Die Story quillt nicht vor Sub- stanz über, es gibt keine großen Konflikte und irgendwie geht auch immer alles ein wenig zu glatt. Ein paar mehr Furchen in der polierten Oberfläche würden da definitiv für mehr Spannung sorgen.
Es ist kompliziert
Vor allem würde ein komplexeres Drehbuch den Schauspielerinnen mehr Gelegenheit geben, um zu zeigen was sie können. Allerdings machen sie den Film auch so schon sehenswert genug und daher können sich gerade die Frauen im Publikum auch über eine gewisse Genugtuung freuen. Es macht nämlich riesigen Spaß, so viel weibliche Coolness auf einmal auf dem Bildschirm zu sehen. Insbesondere Cate Blanchett und Sandra Bullock strotzen vor Stil und Charisma. Auch Rihanna, deren schauspielerisches Talent nicht an ihr musikalisches herankommt, gibt zwar nicht viel Tiefe, aber sie wirkt eben – um das Pferd, beziehungsweise das Wort tot zu reiten – ziemlich cool. Zu beobachten, wie sich die Ladies mit Charme, Witz und Intelligenz durch die Handlung gaunern ist der größte Reiz des Films. Es ist ein Genuss, in den man selbst heutzutage noch relativ selten kommt. Wenn Franchises, in denen zuvor die Herren die Hauptrollen besetzt haben, von Leading Ladies übernommen werden, dann ist das meist schwierig, ob man nun von den „Ghostbusters“oder „Doctor Who“spricht. Auf der einen Seite ist der Durst nach Filmen und Serien, die Vielfalt in der Besetzung und dem Storytelling aufweisen, sehr groß. Alle wollen sich fair und realistisch repräsentiert sehen, aber es gibt noch selten Gelegenheiten dafür. Die Erwartungen werden oft enttäuscht, weil kaum ein Film beispielsweise alle ethnischen und sexuellen Identitäten ausreichend gut abbildet. Auch „Ocean’s 8“schafft das nicht
so ganz, er ist eben erst einer von hoffentlich noch ganz vielen Filmen dieser Art, denn auch die Menge macht es. Auf der anderen Seite wird oft verlangt, dass wenn schon Frauen das Franchise übernehmen, es doch bitte besser sein soll als vorher – was aber nicht fair ist, denn der selbe Anspruch an steigende Qualität wird nicht zwingend an Fortsetzungen mit männlicher Besetzung gestellt.
Feel-good-heist
So kann festgestellt werden: Ja, „Ocean’s 8“ist eine leichte Kriminalkomödie mit etwas zu flacher Spannungskurve. Aber er tut, was er soll: Unterhalten, zwar nicht großartig, aber doch gut, und mit sympathischen Figuren. Vom visuellen Stil bis zur dynamischen Filmmusik, der Ausstattung und den beliebten Schauspielerinnen arbeitet alles darauf hin, dass der Film einen amüsanten Feel- Good-fluss hat. Die Farben und der Schwarzwert sind schön, die Schliffe an den edlen Steinchen kristallklar zu erkennen und man darf sich über Dolby-atmos-sound freuen. Der Humor ist von der subtilen Art, mit vielen kleinen Seitenhieben, über die man schmunzeln kann. Regie führte Gary Ross, der vielen durch „Die Tribute von Panem“in guter Erinnerung sein dürfte. Im Bonusmaterial gibt es drei Featurettes und nicht verwendete Szenen zu begutachten. Letztendlich ist „Ocean’s 8“genau passend für einen Abend mit Popcorn-kino, er ist lustig, temporeich, und strotzt – an dieser Stelle kollabiert das Pferd endgültig – vor weiblicher Coolness.