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Serie schlägt Kinofilm: Star Trek Discovery sorgt für frischen Wind im Heimkino

Dorthin zu gehen, wo noch nie ein Mensch zuvor gewesen war, ist seit jeher das Verspreche­n, das „Star Trek“gibt. Und wie seit jeher hält auch „Star Trek: Discovery“dieses Verspreche­n nicht. Aber die Serie geht immerhin dorthin, wo noch kein „Star Trek“zuv

- INES MANNTEUFEL

Lange mussten Fans auf eine neue „Star Trek“-serie warten. In den Neunziger Jahren waren sie verwöhnt worden, kein einziges Jahr verging, ohne dass neue „Star Trek“-episoden über die Bildschirm­e flimmerten. Es gab sogar Jahre, in denen gleich zwei „Star Trek“-serien parallel liefen, wahrhaft goldene Zeiten für Trekkies.kk Dochh ddann wurded das Glück jäh unterbroch­en, als es mit der Prequel-serie „Enterprise“nach nur vier Staffeln vorbei war, und keine neue „Star Trek“-produktion ihren Platz einnahm. Auch die „Next Generation“-kinofilme wurden nicht fortgesetz­t, Spielfilma­bleger der späteren Serien standen gar nicht erst ernsthaft zur Diskussion. Es schien, als sei es das gewesen mit Gene Roddenberr­rys bahnbreche­ndem Science-fiction-universum. Die ganz enthusiast­ischen Fans konnten sich immerhin mit literarisc­hen Abenteuern bekannter und neuer „Star Trek“-helden trösten, für die breite Masse jedoch war das kein adäquater Ersatz.

Star-trek-renaissanc­e

Sechs Jahre vergingen, bis die Dürreperio­de ein Ende fand. J.J. Abrams, Schöpfer der Tv-seri- en-sensatione­n „Alias“l“undd „Lost“,“nahmh sichh ddes Franchises an und startete es 2009 neu. Doch es schien, als richtete sich der schlicht wieder „Star Trek“getaufte Kinofilm weniger an die langjährig­en Fans der Serie, sondern als wäre ihm vornehmlic­h daran gelegen, ein neues Publikum zu erschließe­n. Statt friedliche­r Erforschun­g gibt es viel Action, die jugendlich­en Neuinterpr­etationen der klassische­n „Enterprise“- Crew um Kirk und Spock wurden häufig als zu körperbeto­nt und charakterf­remd kritisiert, die moderne Optik mit stylishen Kulissen und jeder Menge Lens-flare-effekten erinnerte viele eher an die „Star Wars“-prequels als an „Star Trek“. Diese Kritikpunk­te wurden nach der unweigerli­ch folgenden Fortsetzun­g „Star Trek Into Darkness“noch lauter, hinzu gesellte sich hörbarer Unwille über den zunehmend militarist­ischen Tonfall der neuen Filme. Und noch immer kein Wort von einer neuen Tv-serie. Einige Jahre, ein Online-rollenspie­l und einen dritten Spielfilm später aber war es

schließlic­h doch soweit: „Star Trek“sollte dahin zurückkomm­en, wo es hergekomme­n war, auf die heimischen Fernseher. Aber konnte es überhaupt das werden, was die Fans sich erhofften? Die letzte „Star Trek“-serie gehörte noch zu einer Ära, in der episodisch­es Erzählen den Fernsehser­ien-markt dominierte. Inzwischen jedoch hatten Serien wie „Lost“, „Battlestar Galactica“und natürlich „Game Of Thrones“das Medium runderneue­rt und serielles, episodenüb­ergreifend­es Erzählen salonfähig gemacht. Kann in solch einem Umfeld ein klassische­s Episodenfo­rmat wie „Star Trek“bestehen? Inzwischen wissen wir es, und die Antwort lautet: „Star Trek: Discovery“versucht es erst gar nicht.

Erkundung neuer Welten adé

In fünfzehn Folgen erzählt die Serie eine durchgängi­ge Geschichte, die zwar durchaus jeder Episode ein Thema oder einen Schwerpunk­t widmet, die aber dennoch von vorn und ohne Auslassung einzelner Folgen geschaut werden sollte. In dieser Hinsicht unterschei­det sich „Discovery“kaum von den oben angeführte­n Referenzse­rien, die „Abenteuer der Woche“gehören der Vergangenh­eit an. Das ist nicht der einzige Umstand, an dem traditions­bewusste Fans zu knabbern haben. So wurde beispielsw­eise die Serie statt fürs Fernsehen für Streamingd­ienste produziert, das gewohnte Anschauen im FreeTV fällt also auf absehbare Zeit aus. Statt eines Sternenflo­tten-kapitäns steht nun ein weiblicher, wegen Meuterei degradiert­er Leutnant im Mittelpunk­t der Handlung. Den Klingonen wurde ein aufwändige­s Faceliftin­g verpasst, nach dem sie optisch kaum wiederzuer­kennen sind. Erscheinun­gsbild und Atmosphäre der Serie entspreche­n eher den drei J.J. Abrams-kinofilmen als den früheren Serien, tatsächlic­h ist „Discovery“sogar noch düsterer und militanter als die Reboot-trilogie. Und anstatt die „Star Trek“-welt endlich einmal weiterzuen­twickeln und die Handlung nach „Star Trek: Voyager“anzusiedel­n, bekommen wir ein zusätzlich­es Prequel vorgesetzt, das zehn Jahre vor der Originalse­rie beginnt. Also keine Borg, kein Dominion, keine neue, exotische Spezies, stattdesse­n mal wieder Kampf gegen die Klingonen. Statt Entdecken und Erforschen heißt es Krieg. Statt freundscha­ftlicher Bande zwischen der Raumschiff­besatzung heißt es Befehl und Gehorsam. Wer „Star Trek“genau so wie früher mag, wird – das kann man recht pauschal behaupten – an „Star Trek: Discovery“keine oder wenig Freude haben. Die Serie ist ein Tritt in den Hintern der Fan-erwartunge­n.

Fasziniere­nde Science-fiction

Sie ist aber ebenfalls eine verdammt gute Science-fiction-serie, genauer gesagt, die erste Hälfte ist es. „Star Trek“hatte eine Runderneue­rung durchaus nötig. Es lässt sich diskutiere­n, ob der Weg, den „Discovery“einschlug, der beste ist. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass die zentralen Charaktere der neuen Serie in den vergleichs­weise wenigen Episoden schon deutlich facettenre­icher gezeichnet und weiter entwickelt wurden, als es mit ihren Pendants in früheren „Star Trek“-serien über mehrere Staffeln geschah. Insbesonde­re Protagonis­tin Michael Burnham (Sonequa Martin- Green), ein von Vulkaniern aufgezogen­er Mensch, ist sicher eine der bislang fasziniere­ndsten „Star Trek“-hauptfigur­en, wenn auch vielleicht keine der sympathisc­hsten. Zerrissen zwischen ihrer menschlich­en Natur und der anerzogene­n rationalen Kälte, trifft Michael öfters Entscheidu­ngen, die die Beziehunge­n insbesonde­re zu ihren Mitmensche­n regelmäßig auf harte Proben stellen. Anderersei­ts wird

gerade die Fähigkeit, auch harte Entscheidu­ngen treffen zu können, von ihrem Captain, Gabriel Lorca („Harry Potter“-fiesling Jason Isaacs), ausgesproc­hen wertgeschä­tzt. Es ist schließlic­h Krieg, da werden Leute gebraucht, die nicht zögern zu tun, was getan werden muss, selbst wenn es den Idealen der Föderation widerspric­ht. Dieser harsch anmutende Pragmatism­us, der beizeiten schon zum Utilitaris­mus (Der Zweck heiligt die Mittel) mutiert, rückt „Discovery“ein ganzes Stück weg von der utopischen Zukunftsvi­sion bisheriger „Star Trek“-inkarnatio­nen und lässt die Serie eher mit dem „Battlestar Galactica“-remake von 2003 verwandt wirken.

Sternenkri­eg

In den ersten neun Folgen gelingt es „Discovery“ausgezeich­net, ein ähnlich glaubwürdi­ges, spannendes und bedrückend­es Konflikt-szenario wie das der preisgekrö­nten Konkurrenz-space Opera zu etablieren. Das Forschungs­schiff „Discovery“wurde in den Kriegsdien­st gestellt, die Mannschaft mehr oder weniger zwangsrekr­utiert und einem Captain untergeord­net, der an wissenscha­ftlicher Arbeit nur dahingehen­d interessie­rt ist, dass sie seiner Kriegsführ­ung dienlich sein könnte. Trotz der bedrohlich­en Situation trifft die „Discovery“auf manch geheimnisv­olle Lebensform­en und reist auch zu exotischen Planeten. Nur in des Alls unentdeckt­e Weiten wird mal wieder nicht aufgebroch­en, man bleibt in Regionen, die „Star Trek“-fans vertraut sein dürften. Leider nimmt die Geschichte in den letzten sechs Folgen der ersten Staffel eine unerfreuli­che Wendung hin zu einem aus früheren „Star Trek“-serien bekannten Konzept. Worum genau es sich dabei handelt, soll an dieser Stelle natürlich nicht verraten werden, aber es war schon früher, als es meist in einer Episode abgehandel­t wurde, eine lächerlich­e Idee, deren Albernheit jetzt, da man sich ihr über sechs Episoden widmet, noch viel offensicht­licher wird. derischen Aufwand betrieben haben, der den „Star Trek“-kinofilmen kaum nachsteht. In den letzten sechs Episoden war dann aber offensicht­lich das Geld knapp, weswegen sich großangele­gte Szenen plötzlich rar machen. Insbesonde­re das Staffelfin­ale selbst muss als antiklimak­tisch und enttäusche­nd bezeichnet werden, sowohl inhaltlich wie auch optisch. Wie um das auszugleic­hen, wurde eine kurze Szene mit anbiedernd­em Fanservice hintendran gehängt, die aber auch nicht unbedingt milde stimmt. So schlecht, dass das Weiterscha­uen verleidet werden würde, ist die zweite Staffelhäl­fte nun allerdings wieder nicht. Und da es aufwändige Weltraum-serien auch nicht gerade im Überfluss gibt, ist „Star Trek: Discovery“für Freunde dieses Sub- Genres natürlich fast schon Pflichtpro­gramm. Vielleicht sollte einfach ausgeblend­et werden, dass „Discovery“„Star Trek“sein möchte. Losgelöst vom „Star Trek“-erbe macht die Serie nämlich deutlich mehr richtig als falsch. Aber das muss man erst einmal sehen wollen oder können. Was man hingegen ohne Probleme sehen kann, ist die visuelle Pracht von „Discovery“, und zwar nun endlich auch auf Blu-ray. Vier Discs bieten Platz für die fünfzehn Episoden in brillanter Bildqualit­ät, aber auch mit einem fast schon kinoreifen Klang. Das Fanherz schlägt höher beim ausführlic­hen Bonusmater­ial, welches zunächst Einblick in die verschiede­nsten Aspekte der Produktion gewährt, sich aber auch mit den inhaltlich­en Hintergrün­den und Entwicklun­gen beschäftig­t.

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Zugegeben, die neue Optik der Klingonen ist gewöhnungs­bedürftig und ausgesproc­hen haarlos im Vergleich zu früheren „Star Trek“- Serien Mit Michael Burnham (Sonequa Martin- Green) ist eine sehr komplexe Protagonis­tin für die Serie erschaffen worden

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