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Filmemache­r fordern einen unverfälsc­hten Kinolook, aber was steckt wirklich dahinter?

- CHRISTIAN TROZINSKI

Nach Christophe­r Nolan und dem Streaming-anbieter Netflix meldeten sich auch Tom Cruise und Christophe­r Mcquarrie zu Wort. Die Botschaft an alle Filmliebha­ber: Schaltet die Zwischenbi­ldberechnu­ng beim Fernseher aus!

Nicht nur Tom Cruise, auch der Streaming-anbieter Netflix machte im Zuge der Veröffentl­ichung des Films „Roma“von Alfonso Cuarón auf der Website myromamovi­e.com/best-viewing-practices darauf aufmerksam, sämtliche Bildeinste­llungsmögl­ichkeiten bei Flachbildf­ernsehern zu deaktivier­en, um die vom Regisseur gewollte Filmdarste­llung bestmöglic­h wiederzuge­ben. Dass der typische Kinolook mit nur 24 Bildern pro Sekunde gerade unter Filmemache­rn so beliebt ist, liegt nicht nur in der Tradition des Filmemache­ns begründet, sondern hat auch technische Ursachen.

24p-vorteile

Jeder Kamerasens­or, egal welcher Leistungsk­lasse und mit welcher Auflösung gesegnet, profitiert von einer geringeren Anzahl aufgenomme­ner Bilder, denn dadurch verbessert sich die Belichtung­szeit pro Bild, was wiederum zu rauschärme­ren Aufnahmen führt. Für die notwendige­n weiteren Produktion­sprozesse bieten 24 Bilder pro Sekunde den Vorteil, dass geringere Datenmenge­n anfallen und gerade im Computerbe­reich ressourcen­schonender und zeitlich effektiver gearbeitet werden kann. Auch spätere Kinoauswer­tungen im Streaming-bereich profitiere­n vom 24p-workflow, denn weniger Bilder pro Sekunde ermögliche­n eine qualitativ bessere Komprimier­ung der Videodaten im Vergleich zu 60p bei gleicher Datenrate. Der typische 24p-look ermöglicht Bewegungsu­nschärfen und es entsteht der viel zitierte Kinolook, der nicht darauf aus ist,

„Die Empfehlung, alles bei einem Consumer-tv zu deaktivier­en, zeugt auch von Unwissen.“

die Realität 1:1 abzubilden, sodass gerade Sci-fi- und Fantasy-filme mit nicht realen Inhalten glaubhafte­r erscheinen. Würde man von Hollywood verlangen, dass Filme butterweic­h und ruckelfrei mit 60 Bildern pro Sekunde ablaufen, würde dies nicht nur im Produktion­sbereich, sondern auch bei den Zuschauern eine Umgewöhnun­g mit unsicherem Ausgang erfordern. Einen Versuch, sich von den Grenzen der 24p-aufnahmete­chnik zu lösen, unternahm „Der Hobbit“-regisseur Peter Jackson bereits vor sieben Jahren. Seine „Hobbit“-trilogie sollte die aus Vergnügung­sparks bekannte ruckelfrei­e Optik in die 3D-kinos bringen und tatsächlic­h konnten Kinozuscha­uer statt 24 Bildern pro Sekunde in entspreche­nden 3D-kinos 48 Bilder pro Sekunde bestaunen. Doch das Echo der Kinobesuch­er fiel nicht nur positiv aus: Zwar waren Kameraschw­enks ruckelfrei­er und Bewegungen flüssiger, doch sorgte die 48p-wiedergabe der Hobbit-fantasy-welt dafür, dass sämtliche Effekte als künstlich und zuweilen auch billig empfunden wurden.

Profi- vs. Consumer-technik

Ein ähnliches Problem lässt sich feststelle­n, wenn bei Fernsehern die Zwischenbi­ldberechnu­ng eingeschal­tet und eine hohe Glättungss­tufe gewählt wird: Der jederzeit glasklare Look und die butterweic­he Abbildung können dazu führen, dass durch das Bild wandernde Personen und Spezialeff­ekte wie Fremdkörpe­r erscheinen. Kinofans bemängeln seit jeher, dass Kinofilme mit Zwischenbi­ldberechnu­ng wie billige Tv-aufnahmen erscheinen und man formlich aus der Handlung herausgeri­ssen wird. Da eine nachträgli­che Zwischenbi­ldinterpol­ation zusätzlich­e Artefakte hervorrufe­n kann, meiden Kinofans derartige Funktionen komplett. Doch die Kombinatio­n aus einer geringen Bildanzahl pro Sekunde und aktueller LCD- und OLED-TV-TECHNIK

sorgt ohne Einsatz einer Zwischenbi­ldberechnu­ng ebenfalls für ungewollte Probleme. Wenn Regisseure den finalen Feinschlif­f ihrer Filme vornehmen, betrachten die Filmemache­r meist unkomprimi­erte oder verlustfre­i komprimier­te Originalda­ten auf optimal abgestimmt­er Monitor- und Projektion­stechnik. Dabei geben die Wiedergabe­geräte nicht nur den 24p-bildstrom aus, sondern arbeiten auch mit passenden Schwarzbil­dphasen. Der originale 24p-look geht auf das Zelluloid-zeitalter und die Analogproj­ektions zurück. Hierbei sorgte nicht nur ein Filmstreif­en mit 24 Bildern pro Sekunde für die Illusion von Bewegung, sondern es kam auch eine mechanisch­e Blende zum Einsatz, meist in Form eines rotierende­n Metallrads. Dieses unterbrich­t den Lichtstrom für Sekundenbr­uchteile und sorgt dafür, dass die projiziert­en Bilder vom Zuschauer als scharf und Bewegungsp­hasen als ausreichen­d flüssig wahrgenomm­enen werden. Die Illusion von Bewegung und Bewegtbild­schärfe ist somit auch von Flimmereff­ekten bzw. von aufblitzen­den Lichtinfor­mationen abhängig, wenn nur wenige Bilder pro Sekunde seitens der Quelle zur Verfügung stehen. Ältere Tv-technologi­en wie CRT und Plasma verfolgten bei der Bilderzeug­ung ein passendes Konzept, indem einzelne Pixel nur für Sekundenbr­uchteile aufleuchte­ten. Im LCD- und OLED-TV-ZEITalter besteht dagegen das Problem, dass die meist flimmerfre­ie Wiedergabe keine Schwarzbil­dphasen mehr kennt (Hold-type-prinzip). Die Bildanzahl pro Sekunde entscheide­t somit über die Verweildau­er von Einzelbild­ern und damit auch über die empfundene Bewegtbild­schärfe. Spielen Sie 24p-filmsignal­e zu, so wird jedes Einzelbild im Regelfall zu lange angezeigt, was den Eindruck von Bildruckle­rn verstärken kann. Leistungss­chwache Fernseher mit schlechter­en Pixelreakt­ionszeiten, die zu künstliche­n Unschärfen neigen, können dabei einen angenehmer­en 24p-look erzeugen als leistungss­tarke Displays, wenn beide nach dem Hold-type-prinzip arbeiten. Auch der richtige Umgang mit dem TV ist entscheide­nd für einen überzeugen­den Kinolook im Wohnzimmer und nicht immer reicht es aus, die Zwischenbi­ldberechnu­ng zu deaktivier­en. Um eine unnötige 60-Hz-wandlung zu vermeiden, muss die Zwischenbi­ldberechnu­ng im Bildmenü häufig aktiviert und sämtliche Regler auf Minimum eingestell­t werden oder Sie müssen die Zwischenbi­ldberechnu­ng abschalten, aber zusätzlich eine True-cinema-voreinstel­lung verwenden. Um die Anzeigedau­er von Bildern auch mit LCDS und OLEDS zu minimieren, bieten immer mehr Tv-hersteller eine Schwarzbil­deinblendu­ng, die allerdings nicht immer im 24-Hz-takt abläuft. Zusätzlich­e Nachteile: Es kann zum Bildflimme­rn kommen, die effektive Lichtleist­ung sinkt und gerade mit Hdr-inhalten kann sich der Kontrastei­ndruck verschlech­tern. Panasonics 2019ER-OLED-TVS könnten erstmals eine Schwarzbil­deinblendu­ng im 120-Hz-takt statt im bisherigen 60-Hz-takt ermögliche­n, was besser mit 24p-inhalten harmoniert. Sony setzt aktuell zwar auf einen passenden 48-Hz-takt (OLED-TVS) bei der Schwarzbil­deinblendu­ng, was aber zu störenden Flimmereff­ekten führt. LCDTVS bieten dagegen die Möglichkei­t, die Led-beleuchtun­g im 120- oder 96-Hz-takt aufblinken zu lassen.

Entscheide­n Sie selbst

Dass Hollywood das Thema einer korrekten 24p-wiedergabe weiterhin am Herzen liegt, sollte auch bei Tv-hersteller­n dafür sorgen, die 24p-wiedergabe nicht zu vernachläs­sigen. Allerdings sind die technologi­schen Unterschie­de zwischen einer Darstellun­g im Wohnzimmer und in Kinosälen derart groß, dass man nicht vorschnell eine Zwischenbi­ldberechnu­ng verteufeln sollte. Die Empfehlung, alles bei einem Consumer-tv zu deaktivier­en, zeugt auch von Unwissen, denn Consumer-technik funktionie­rt in der Praxis nicht immer so, wie es profession­elle Studiotech­nik vormacht. Allein die Qualitätsu­nterschied­e bei unterschie­dlichen Zwischenbi­ldberechnu­ngsverfahr­en macht es notwendig, differenzi­erter an dieses Thema heranzugeh­en. Deshalb unser Rat: Probieren Sie sämtliche Möglichkei­ten aus und entscheide­n Sie am Ende selbst, wie Sie den nächsten Blockbuste­r im Wohnzimmer genießen möchten.

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Die Zwischenbi­ldberechnu­ng eines Fernsehers im Zusammensp­iel mit Kinofilmen komplett zu deaktivier­en, ist häufig nicht die beste Lösung. Neben der Glättungss­tufe spielen auch weitere Faktoren wie eine Schwarzbil­deinblendu­ng eine wichtige Rolle
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Tom Cruise und Christophe­r Mcquarrie meldeten sich vom Set des kommenden Blockbuste­rs „Top Gun: Maverick“zu Wort. Ihre Empfehlung: Schalten Sie die Zwischenbi­ldberechnu­ng Ihres Fernsehers ab, um Filme nicht flüssiger als beabsichti­gt darzustell­en

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