Natalie Portman auf unentdeckten Pfaden: Kritikerliebling „Auslöschung“auf Blu-ray
Im Februar 2018 startete „Auslöschung“in den Us-amerikanischen, kanadischen und chinesischen Kinos, war hierzulande jedoch bisher nur über den Streaming-anbieter Netflix zugänglich. Die gleichsam geistreiche wie enorm packende Science-fiction-perle ist ab dem 14. März nun endlich auch auf Blu-ray erhältlich.
Regisseur und Drehbuchautor Alex Garland, der schon 2015 mit seinem faszinierenden Kammerspiel „Ex Machina“rund um Themen wie künstliche Intelligenz und Persönlichkeitsrechte von Androiden positiv auffiel, übernahm auch für die Verfilmung von Jeff Vandermeers Roman „Auslöschung“die Arbeit an Drehbuch und Regie. Ursprünglich war auch ein Termin für den internationalen Kinostart vorgesehen. Aufgrund eines Streits zwischen David Ellison (Skydance Media) und dem unabhängigen Produzenten Scott Rudin, der schon bei „Ex Machina“mit Garland zusammen gearbeitet hatte, wurden die internationalen Rechte am Vertrieb von „Auslöschung“jedoch schließlich an Netflix vergeben. Hintergrund des Disputs war Ellisons Kritik, die endgültige Fassung von „Auslöschung“sei zu verkopft und müsse durch etwaige Änderungen einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden. Glücklicherweise setzte sich Rudin gegen diese Pläne durch. So bleibt uns ein Film erhalten, der gerade durch seine vielfältig vernetzten Verweise auf komplexe Fragestellungen im Bereich der Evolutionsforschung, Genetik, Naturethik, Anthropologie oder auch Psychologie un
sere Gehirnwindungen und Assoziationsgabe stimuliert und mit einer packenden Figurenkonstellation rund um Natalie Portman sowie eindringlichen Horror-elementen unseren Blick für nahezu zwei Stunden unaufhörlich an den Bildschirm fesselt.
Area X
Die Ex-soldatin und Biologie-professorin Lena (Natalie Portman) trauert bereits seit einem Jahr um ihren verschollenen Ehemann Kane (Oscar Isaac). Von dem Elitesoldaten fehlte seit seiner letzten Geheimoperation jede Spur, doch auf einmal steht er wieder vor der Tür. Wo ist er gewesen und was hat er getan oder tun müssen? Kane hat keine Antworten und ist auch sonst nicht wieder zu erkennen. Zudem scheint er schwer krank zu sein. Urplötzlich spuckt er Blut und bricht zusammen. Auf dem Weg ins Krankenhaus stürmt eine Spezialeinheit den Rettungswagen und entführt das Ehepaar. Lena wacht in einer geheimnisvollen Anlage, die von Militär und Wissenschaftlern bevölkert wird, der sogenannten Area X, wieder auf. Nach einem anfänglichen Verhör durch die unterkühlte Psychologin Dr. Ventress (Jennifer Jason Leigh) erfährt Lena endlich den Grund für die mysteriöse Geheimhaltung. Vom Balkon der Station aus sieht sie zum ersten Mal den Schimmer – eine riesige, wabernde Wand, die in allen Regenbogenfarben leuchtet und ein ausuferndes Sumpf- und Küstengebiet umschließt, in dessen Zentrum ein Meteorit mitten in einen Leuchtturm eingeschlagen ist. Keiner, der sich da hinein getraut hat, ist bisher wieder raus gekommen und hätte davon berichten können – mit Ausnahme von Kane, der unverändert komatös auf der Krankenstation liegt. Da sich der Schimmer immer weiter ausdehnt, alles zu verschlingen droht d und Lena herausfinden will, was mit ihrem Mann geschehen ist, schließt sie sich der nächsten E Expedition zum Leuchtturm unter der Leitung von Dr. Ven Ventress an. Mit dabei sind ebe ebenso die Sanitäterin Anya Thor Thorensen (Gina Rodriguez), Geo Geologin Cass Sheppard (Tuva N Novotny) und die junge Physikerin Josie Radek (Tessa Thompson).
Der Schimmer
Viel mehr möchte man über die Handlung von „Auslöschung“gar nicht verraten. Denn was sich hinter dem Schimmer befindet und was die Frauen erleben, wirft mit jeder neuen Entdeckung faszi-
nierende Fragen und sich stetig verflechtende Erkenntniswelten auf. Nur so viel sei noch gesagt, dass die außergewöhnlichen Mutationen, die der Meteorit bei Flora und Fauna verursacht, tiefgreifend an unseren eigenen genetischen und evolutionären Ursprüngen, ja sogar an unseren Vorstellungen vom Menschsein selbst rütteln und die Grenze zwischen Schöpfung und Zerstörung, Leben und Tod ins Wanken bringen. Das spiegelt sich auch in der visuellen Ästhetik wider. Die wunderschönen Landschaften mit ihren durchflutenden Lichtstimmungen und den kaleidoskopischen Farbkompositionen transportieren eine Ruhe und Verbundenheit, die in scheinbarem Widerspruch zu den Schrecken und Gefahren steht, die sich dahinter verbergen. Und doch findet sich genau in diesem Widerspruch eine nicht greifbare Harmonie, die keine Unterschiede zwischen Schönheit und Gewalt macht. So erinnert der Schimmer in „Auslöschung“gleichsam an die Zone aus dem bekannten Strugazki-roman „Picknick am Wegesrand“(1971) bzw. Tarkowskis dazugehöriger Verfilmung „Stalker“(1979), in der die Protagonisten mit Phänomen innerhalb der Zone konfrontiert werden, die sich jeder rationalen und wissenschaftlichen Erklärung entziehen und die ihre Konzepte von Existenz, Materie, Natur und letztlich auch ihr Selbstbild als Mensch aus der Bahn werfen.
Der Leuchtturm
Doch Garlands Film ist mitnichten nur verkopfter Denksport. Vielmehr verbinden sich all diese hochspannenden Anregungen mit pointiert eingestreuten und verstörenden Horror-elementen, die die anfangs noch zielgerichtete Dynamik innerhalb des Expeditionsteams ins Zerstörerische kippen lassen. Jede der fünf Frauen hat individuelle Gründe, sich auf diese halsbrecherische Mission zu begeben und wird im Zuge der Reise auf radikale Weise mit ihrer Umwelt, sich selbst und den anderen konfrontiert. „Auslöschung“schafft es im Zuge dessen, die bekannten Fallstricke gesellschaftlicher Geschlechter-debatten zu vermeiden. Die rein weibliche Protagonistengruppe wird auf so natürliche und selbstbestimmte Weise dargestellt, wie es das auch sein sollte. Zu keiner Zeit ist eine feministische Agenda spürbar, sodass man hier – ohne sich wie in so manch anderen Filmen in klischeebelastetes Fahrwasser zu begeben – von starken Frauen mit einer vielschichtigen Charakterzeichnung sprechen kann. Das zeigt sich auch am treffend besetzten Darsteller-team. Natalie Portman verkörpert als Lena die erfahrene Soldatin ebenso menschlich und überzeugend wie die versierte Zellbiologin und liebende bzw. trauernde Ehefrau. Auch Jennifer Jason Leigh mimt gekonnt die distanziert analytische Psychologin und abgehärtete wie kompromisslose Anführerin. Ähnliches gilt für Gina Rodriguez und Tessa Thompson. „Auslöschung“bringt somit, ähnlich wie Villeneuves „Arrival“2016, vielschichtige und auf diese intelligent durchdachte Weise viel zu selten gesehene Ideen in die Science-fiction-filmlandschaft, die zeigen, dass sich intellektueller Anspruch und eine dramaturgisch packende Geschichte keinesfalls gegenseitig ausschließen müssen und dass es einem Film viel von seiner Eigenständigkeit und seinem Zauber hätte nehmen können, wenn man, wie Produzent David Ellison es gewollt hätte, die Handlung auf ein vermeintlich breiteres Publikum zuschneiden und damit dem Zuschauer absprechen würde, sich eigenständig anregen zu lassen und Gedanken zu machen.