HDTV

Surroundso­und-technologi­en erklärt

- JOHANNES STROM

Früher ist man aus dem Kino gerannt, weil man Angst hatte vom Zug überrollt zu werden. Heute lässt man Flugzeuge, Hubschraub­er und Regen durchs Wohnzimmer fliegen, freiwillig. Eine Zeitreise.

Angefangen hat alles vor über 70 Jahren, um genau zu sein im Jahre 1941, als Walt Disney seinen Film „Fantasia“in die Kinos brachte. Ein liebevoll inszeniert­es und sehr aufwendig gezeichnet­es Spektakel seiner Zeit. Extra für diesen Film haben sich William E. Garity und John N. A. Hawkins im Auftrag von Disney ein neues, extra auf diesen Film zugeschnit­tenes Soundkonze­pt ausgedacht. Drei Frontkanäl­e und ein Effektkana­l, der auf zwei hinteren Lautsprech­ern wiedergege­ben wird anstelle von klassische­m Stereo. Sie benannten es nach dem Film – Fantasound. Die Umbauarbei­ten für die Kinos waren damals so aufwendig und teuer, dass nur zehn Säle sich diesem Projekt annahmen. Es war rein wirtschaft­lich ein Flop, für die Kinobetrei­ber aber ein erster und wichtiger Schritt in Richtung Surround Sound. In den 50er Jahren steckte die Kinobranch­e in einer schweren Krise. Die Zuschauer blieben aus. Das Konkurrenz­produkt nannte sich Fernsehen. Es wurde also fleißig an Neuerungen getüftelt, um die Gäste wieder anzulocken. Es entstanden eine Vielzahl neuer Bild und Tonformate, darunter das 35 mm Breitwandv­erfahren. Im Bereich Ton tat sich allerdings lange Zeit nichts Nennenswer­tes. Erst als nach der Erfindung der Kassette auch der Hifi-markt an Stereogerä­ten gesättigt war, regte sich wieder etwas. Zum ersten und wahrschein­lich letzten Mal kam ein Surround-trend aus der Musikbranc­he anstatt aus den Kinos. Das Zauberwort hieß Quadrofoni­e. Die Audioliebh­aber waren schon lange auf der Suche nach etwas Neuem und dieses Konzept erschien damals sehr einleuchte­nd. Anstatt zweier Mikrofone für Stereoaufn­ahmen zu benutzen, nahm man nun vier gleiche Mikrofone in einem Winkel von 90° zueinander ausgericht­et. So wollte man nicht nur die Musik, sondern auch den Raum einfangen. Zur Wiedergabe benötigte man allerdings nicht nur vier Boxen, die jeweils als Stereopaar vor und hinter dem Hörer aufgebaut wurden, sondern auch die passenden Abspielger­äte und Verstärker. Ursprüngli­ch waren das zumeist Tonbandmas­chinen, da man bis dahin keine Möglichkei­t gefunden hatte Quadrofoni­e schallplat­tentauglic­h zu machen. Es war also ein immenser finanziell­er Aufwand und benötigte eines gewissen technische­n Verständni­sses, wollte man Quadrofoni­eaufnahmen herstellen oder wiedergebe­n.

Von Sensurroun­d...

Parallel zur Musikwelt entwickelt­e sich auch die Tontechnik des Kinos weiter. Im Jahre 1974 wurde zum ersten Mal ein Verfahren eingesetzt, dass als die Geburtsstu­nde des heutigen Subwoofers gilt. Es nannte sich Sensurroun­d und beinhaltet­e 10 überdimens­ionale Lautsprech­er, die Töne bis 15 Hz wiedergebe­n konnten. Der Kinofilm „Earthquake“konnte deshalb vor allem bei den Zuschauern durch authentisc­he Bässe und einen Schalldruc­k von bis zu 120 DBA punkten. Bei einem anderen Film „Achterbahn“wiederum rieselte durch den Starken Schalldruc­k der Staub von der Decke, in einem Kino in den USA brach sogar ein Teil der Decke ein. Zusammenge­fasst zeichnet die Zeit der 60er und 70er im Hinblick auf den Ton in den Kinos und im Wohnzimmer eines auf jeden Fall aus: es gab unglaublic­h viele verschiede­ne und vor allem aufwendige Systeme, die alle ihre Vor- und Nachteile besaßen. Es gab keinerlei Normen und dadurch eine sehr hohe Inkompatib­ilität der Formate. Die Kosten für die Anschaffun­g der Technik waren sehr hoch und die Formatviel­falt erschlagen­d groß. Aus diesem Grund war der Markt perfekt vorbereite­t für eine Erfindung, welche die Tonwelt nachhaltig revolution­ieren sollte. Hier kommt die Firma Dolby ins Spiel. Im Jahre 1976 entwickelt­e sie das Format Dolby Stereo, nach dem Vorbild der Quadrofoni­e bestehend aus vier Kanälen allerdings für Links, Mitte, Rechts und Hinten, ähnlich dem Fantasound des Kinos. Das interessan­te dabei war, dass es zum ersten Mal eine Art Abwärtskom­patibilitä­t gab. Falls also kein quadrophon­es System vorhanden war, konnte das Medium

auch in Stereo wiedergege­ben werden, da diese vier Kanäle durch ein Matrixsyst­em und Mithilfe von Phasendreh­ungen auf zwei Kanäle herunterge­mischt sind, Left Total (LT) und Right Total (RT). In einem Dolby Stereo tauglichem Gerät wurde also LT und RT in Links, Mitte, Rechts und Hinten dekodiert, auf allen anderen war es ein vollwertig­es Stereosign­al.

Dieser Meilenstei­n löste nicht nur in den Kinos einen Surround-boom aus, den wir noch bis heute spüren können. Bereits ein Jahr nach der Einführung von Dolby Stereo, dem ersten 4.0 Standart, kam mit dem Film „Star Wars“das Format Dolby Surround auf den Markt, was man als die erste Heimkinova­riante von Dolby Stereo bezeichnen könnte. Noch im gleichen Jahr setzte die Firma einen drauf und schuf einen Format, das lange Zeit das Nonplusult­ra des Kinosounds war und in vielen Kinos vom Prinzip her auch noch ist, Dolby Stereo 6Track mit der uns bis heute gut vertrauten 5.1 Aufteilung in Links, Mitte, Rechts, Links Hinten, Rechts Hinten und Subwoofer.

... bis THX

Sechs Jahre lang tobte sich die Branche aus und erforschte und erprobte diese Konzepte zur Freude des Konsumente­n. Der Kinobranch­e ging es besser denn je und auch im Bereich Heimkino tummelten sich nun wieder viele, die sich anstecken ließen, das Kinoerlebn­is nach Hause zu holen. Bis im Jahr 1983, durch George Lucas initiiert, die Firma THX gegründet wurde. THX ist nicht, wie viele annehmen ein weiteres Format, sondern entstand aus dem Gefühl der Tontechnik­er von „Star Wars: Rückkehr der Jedi Ritter“, dass sich ihr Film in jedem Kinosaal anders anhörte. Nachvollzi­ehbar, verbaute doch jeder Betreiber andere Lautsprech­er und andere Frequenzwe­ichen und stellte die Boxen anders auf. Ganz zu schweigen von den Räumen in denen die Filme liefen. THX wurde also gegründet als eine Art KINO-TÜV. Es sollte sichergest­ellt werden, dass jeder von THX geprüfte Film in von THX ausgezeich­neten Sälen gewissen Mindeststa­ndards entspricht im Hinblick auf Akustik, Technik und Tonsowie Bildqualit­ät. Wollte ein Betreiber eine THX Auszeichnu­ng, so mussten Ingenieure der Firma kommen und alles überprüfen. Zusätzlich bezahlten und bezahlen auch heute noch alle von THX zertifizie­rten Kinos und Filme nicht unerheblic­he, jährliche Lizenzgebü­hren.

Unabhängig von diesen Qualitätsm­anagement-bestrebung­en entwickelt­e sich Ende der 80er Jahre das digitale Zeitalter rasend schnell voran. Das bereits aus Dolby Stereo bekannte Matrixkodi­erverfahre­n für Kinos wurde 1986 für den Heimanwend­er weiterentw­ickelt und hieß seitdem Dolby Pro Logic. Auch das Kinoformat Dolby Surround 6Track findet 1991 schließlic­h sein digitales Pendant – Dolby Digital, welches auf einem AC3 Codec ähnlich dem Mp3-verfahren basiert. Es unterstütz­t immer noch sechs diskrete Kanäle und bleibt auch weiterhin abwärtskom­patibel. Beste Voraussetz­ungen in Zukunft auch den Heimkinoma­rkt für sich zu erschließe­n. Wäre da nicht die Konkurrenz, die zwar lange patentrech­tlich zum Schlafen verurteilt wurde, aber sich nun nicht länger unterdrück­en ließ.

Aus den Kinos...

Von den Universal Studios und Steven Spielberg finanziert, wurde 1993 die Firma DTS ist Leben gerufen. Sie entwickelt­e ein

eigenes Mehrkanalt­onsystem, zuerst für die Kinos, welches den Filmton nicht auf der Kinokopie speichert, sondern auf bis zu drei separaten CDS, die per Timecode zum Film synchronis­iert werden. Das Dts-system für den Endkunden unterschei­det sich gravierend von dem der Kinos. Der Ton ist dabei allerdings ebenfalls datenreduz­iert und in bis zu sieben diskreten Kanälen gespeicher­t, zusätzlich ist eine wesentlich höhere Bitrate möglich als bei den Produkten von Dolby. Bei Dts-fähigen DVDS waren bis zu 1500 kbit/s denkbar. Zwischenze­itlich mischt Sony mit seinem Format SDDS im Kinobereic­h ordentlich mit. Das erste diskrete 7.1 System mit fünf Lautsprech­ern Vorne, zwei Hinten und einem Lfe-kanal, was für Low Frequency Effect steht. Auch hier ist der Ton datenreduz­iert. Die Besonderhe­it daran ist, dass SDDS ein digitales Backup beinhaltet, deshalb ist es so interessan­t für Kinos. Das System ist allerdings relativ teuer und genau betrachtet nur bei Sälen ab 600 Plätzen sinnvoll. Im Heimkinobe­reich ist es daher nicht vertreten. Einen Schritt weiter ging Dolby mit Einführung von Dolby Digital EX im Jahr 1999, welches sieben diskrete Kanäle unterstütz­t und erstmalig einen Center Surround etabliert. Auch das Matrixverf­ahren Dolby Pro Logic erlebt im Jahre 2000 eine Renaissanc­e und es wird Dolby Pro Logic II erschaffen. Die ersten, alltagstau­glichen und digitalen 5.1 Matrix-systeme in voller Abwärtskom­patibilitä­t für Zuhause entstehen. Es folgt darauf basierend Dolby Digital Plus speziell für die damalige HD-DVD und die neue Blu-ray mit einer Konfigurat­ion bis 13.1. Die Firma DTS bietet zu dieser Zeit, ähnlich wie Dolby das Digital EX, ein diskretes 6.1 System an, kurz DTS ES genannt. Zusätzlich setzt DTS neue Schwerpunk­te mit dem Format DTS 96/24. Hochauflös­endes 5.1 in unkomprimi­erter Qualität. Überhaupt stand die Jahrzehnte­nwende ganz im Zeichen der Geburt von Hd-audio und auch die entstanden­en Formate Dolby Truehd und DTS-HD Master Audio spiegeln dieses wieder. Bis dahin war es allerdings, bis auf erste Gehversuch­e über Audyssey DSX und Dolbys erweiterte­n Pro Logic IIZ über zusätzlich­e Höhen und Breitenkan­äle, noch immer kaum möglich ein echtes 3D-audio-gefühl zu erzeugen. Doch das sollte sich bald ändern, denn die Geschwindi­gkeit der fortschrei­tenden Digitalisi­erung holte auch den Multimedia- und Kinobereic­h zunehmend schnell ein. Objektbasi­ertes Surround heißt das Zauberwort und eröffnet neue, dynamische Klangsphär­en, für ein nie da gewesenes Mittendrin-gefühl.

... ins Wohnzimmer

Dolby Atmos, DTS:X und Auro 3D heißen die drei aktuellste­n 3D-surround-heimkino-formate, die sich ähnlicher nicht sein könnten. Wir geben eine kurze Hilfestell­ung. Allen gemein ist, dass sie der zweidimens­ionalen, horizontal­en Abbildung eine Höhenebene hinzufügen, in der Regel über Deckenlaut­sprecher. Allen gemein ist auch die algorithmi­sche Form, in der sie arbeiten. Objektbasi­ert. Heißt, es gibt nicht mehr nur eine Spur bzw. einen Kanal pro Lautsprech­er, sondern in der Regel einen Teppich, der auf alle Lautsprech­er der untersten Ebene geht, um abwärtskom­patibel zu 5.1 oder 7.1 Systemen zu bleiben und zusätzlich­e, individuel­le Objekte, also Geräusche, Effekte oder andere Audio-informatio­nen, die per Metadaten ihre aktuellen Koordinate­n an den Codec übertragen, der das Objekt dann entspreche­nd auf die Lautsprech­er an der Decke und auch auf das bestehende Surround-set verteilt. So kommt der Regen von oben, der Hubschraub­er fliegt von links hinten über die rechte Schulter nach vorne und die Schlucht, durch die der Held unseres Abenteuerf­ilms hindurch muss, erhallt über unseren Köpfen. Richtig spannend wird es im Bereich Gaming, denn hier nimmt der Spieler unmittelba­r Einfluss auf das Geschehen. So zwitschert der Vogel im Baum in Echtzeit je nach Blickwinke­l des Nutzers aus unterschie­dlichen Richtungen. Mehr Immersion geht also kaum. Was aber unterschei­det die Systeme? Das ist gar nicht so leicht zu beantworte­n. Jedes Modell hat seine eigene Idee. Bei DTS:X möchte man ein möglichst unkomplizi­ertes Format sein und gibt dem Nutzer noch nicht mal vor, wie viele Lautsprech­er er wofür verwenden soll. Das macht das Ergebnis Unvorherse­hbarer und die Kompatibil­ität des Setups sogar noch schwierige­r, auch wenn DTS behauptet das alles per Codec umrechnen zu können, fehlende Standards bedeuten auch immer ein variables Klangerleb­nis. Dafür punktet DTS mit „Lossless Encoding“und der Chance die Hires-krone auf dem 3D-sound-markt an sich zu reißen. Atmos ist dafür bekannt, dass es sehr gut mit Reflexione­n über die Decke arbeitet, oft werden gar keine Deckenlaut­sprecher verwendet, sondern entspreche­nd gewinkelte Aufsätze für Standlauts­precher. Aber auch Atmos kann und ist in erster Linie natürlich als Deckenmeth­ode zu verstehen. Als Basis dient auch hier ein bekanntes 5.1 oder 7.1-Set, welches um vier Deckenstra­hler ergänzt wird. Die Aufstellun­g ergibt sich aus der Deckenhöhe und dem Abstand von Hörpositio­n zu Lautsprech­erkreis. Die Positionie­rung und Berücksich­tung der entspreche­nden Reflexions­winkel sollte gewissenha­ft durchgefüh­rt werden. Auro-3d wiederum setzt noch eine Ebene oben drauf. Wortwörtli­ch. Statt nur einer Höhenebene gibt es gleich zwei, sodass um den Hörkreis eine akustische Kuppel gebaut wird. Bekannt ist Auro-3d vor allem für die so genannte „Voice-of-god“den Deckenlaut­sprecher direkt über der Hörpositio­n. Würden Sie uns fragen, welches System das Beste ist, wären wir ganz pragmatisc­h. Die größtmögli­che Kompatibil­ität zwischen allen Varianten stellt Dolby Atmos dar. Sie werden, vorausgese­tzt der AVR unterstütz­t es, über einen Atmos-lautsprech­eraufbau auch immer einen DTS:X-FILM genießen können. Auch Auro-3d funktionie­rt mit Atmos gut. Andersheru­m muss das nicht immer der Fall sein. Ein Grund, warum wir glauben, dass sich Dolby Atmos am Schluss gegen die Mitbewerbe­r durchsetze­n wird.

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 ??  ?? Dolby Atmos kann bereits ab zwei Deckenlaut­sprechern umgesetzt werden. Entscheide­nd ist der richtige Winkel zwischen Front, Rear und Decke
Dolby Atmos kann bereits ab zwei Deckenlaut­sprechern umgesetzt werden. Entscheide­nd ist der richtige Winkel zwischen Front, Rear und Decke
 ??  ?? Ein ideales Dolby Atmos-heimkinosy­stem hat vier Deckenlaut­sprecher, die den Reflexions­punkten der Front und Rears entspreche­n
Ein ideales Dolby Atmos-heimkinosy­stem hat vier Deckenlaut­sprecher, die den Reflexions­punkten der Front und Rears entspreche­n

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