INTERVIEW MIT „DUNE“-REGISSEUR DENIS VILLENEUVE
Mr. Villeneuve, bezüglich des Klimawandels und denkbaren Szenarien wie zunehmende Kriege um seltene Ressourcen und vor allem um Wasser: Welchen Bezug hat das „Dune“universum zu unserer Situation hier auf der Erde?
Ich denke, Frank Hebert war stark beeinflusst von den Ereignissen des 20. Jahrhunderts sowie dem Kolonialismus des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts und hat diese Wirklichkeiten in wahrhaft prophetischer Weise weiter gedacht. Ich denke, sein „Dune“-roman ist heute leider viel zutreffender, als er es noch in den 1960ern war, wo er eher noch einer verschwommenen, bitteren Vision glich. Doch heute beschreibt er traurigerweise die aktuelle Entwicklung unserer Welt: Die Spannungen, die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen sowie den Kampf der Menschen mit den enormen Auswirkungen klimatischer Umbrüche. Das ist heute leider alles viel näher an der Realität als zu der Zeit, als es geschrieben wurde. Das ist zwar nicht der Hauptgrund, aber einer der Gründe,
warum ich es für wichtig erachtet habe, eine neue Adaption auf die Leinwand zu bringen, denn ich hatte das Gefühl, es könnte als Inspiration für die jüngere Generation dienen, aktiv zu werden und sich zu ermächtigen.
Glauben Sie, dass „Dune“von einem Krieg der Generationen handelt?
Ich denke eher, es ist ein Film über das Erbe, das an die junge Generation weiter gegeben wird – ein politisches, klimatisches sowie religiöses Erbe. Das ist etwas, womit sich auch Paul Atreides auseinandersetzen muss. Wie wird er die Bürde seines Erbes bewältigen? Wie wird er es überleben? Wie wird er sich anpassen und sich letztlich davon befreien? Es geht um die Idee, dass der Mensch sein Erbe überwinden, sich weiter entwickeln und frei machen kann. Dieser Gedanke gibt mir Hoffnung, auch wenn „Dune“ein sehr düsteres Universum abbildet. Pauls Weg, seine Suche und sein Streben könnten Hoffnung bringen. Aber es geht nicht um einen Krieg der Generationen. Aus meiner Sicht kann es als ein Aufruf an die Jugend zum Handeln gesehen werden.
Ihre Adaption ist nicht die erste Filmumsetzung des „Dune“-stoffes. Wie vergleichen Sie Ihre Version mit den vorherigen?
Ich würde niemals meinen Film mit den anderen vergleichen. Meine Vision, das Design und die Entstehung des Films haben ihren Wurzeln in der Buchvorlage. Als Filmemacher ist es nicht meine Aufgabe, mich zu vergleichen – das würde ich nicht wagen. Bei allem Respekt für die anderen Filmemacher ging es mir um die Essenz von Frank Herberts Werk und darum, mich der Religion, der Politik, den Bene Gesserit und ihrer weiblichen Kraft stets in Bezug auf das Buch zu nähern. Ich habe versucht, alles von so vielen Perspektiven wie möglich zu beleuchten, mich dabei aber auch nicht in dem großen Umfang zu verlieren, sondern mich auf die Intimität der Beziehungen zwischen den Charakteren zu konzentrieren. Sie müssen wissen, dass ich enormen Respekt gegenüber Jodorowsky und Lynch
habe. Beide Regisseure waren ein großer Einfluss und sind Meister ihres Fachs. Das ist keine bloße Schmeichelei, sondern ernst gemeint. Es ist nicht einfach, Filme zu machen, und dieses Buch ist keine leichte Aufgabe. Tatsache ist, dass mich schwierige Projekte anziehen. Es geht darum, Kino zu machen und nicht das, was andere tun.
Die Welt von „Dune“galt tatsächlich lange als zu komplex, um sie filmisch umfassend zu realisieren. Was war für Sie bei dieser Produktion die größte Herausforderung?
Die Welt von „Dune“ist sehr reichhaltig und komplex und genau das macht ihre Schönheit aus. Um das auf der Leinwand umzusetzen, kommt es auf die Reinheit an. Es ging um das Gleichgewicht, genug Hintergrundgeschichte für das Verständnis des weiteren Handlungsverlaufes zu liefern, ohne dass diese zu einer Last wird. Dieses Gleichgewicht zu finden, hat lange gedauert. Das Publikum kann sich von zu vielen Informationen erschlagen fühlen. Es war ein langer Prozess, der sich vom Schreiben des Drehbuchs über den Dreh selbst bis hin zum anschließenden Schnitt erstreckt hat. Das war die größte Herausforderung dieses Projekts. Ich wollte die Poesie dieses Universums auf keinen Fall verlieren und das war viel Arbeit.
Wie haben Sie es beim Casting bewerkstelligt, den richtigen Schauspieler für die richtige Rolle zu finden und auf welche spezifischen Qualitäten haben Sie geachtet?
Es benötigt viel gedankliche Arbeit und Recherche – als würde man eine Pyramide bauen. Ich habe mit Timothée (Timothée Chalamet) begonnen. Ich konnte mir keinen anderen für die Rolle des Paul Atreides vorstellen, aus mehreren Gründen. Ich brauchte einen jungen Schauspieler, der die Last eines so umfangreichen Films auf seinen Schultern tragen kann; der sich nicht scheut, in die psychologischen Tiefen des Charakters einzudringen; der befähigt ist, die Komplexität dieser Figur auf die Leinwand zu übertragen und auch das nötige Charisma besitzt. Letztlich ist Paul Atreides ein Rockstar, dessen Einfluss sich über ganze Planeten erstreckt und dem man dieses Charisma auch abnehmen muss. Ich brauchte jemanden mit der nötigen Intelligenz. Und Timothée ist eine alte Seele. Je mehr man mit ihm redet, desto mehr stellt man fest, was für ein gebildeter, erwachsener und wahrlich intellektueller Mensch er ist. Er ist auf zwei Kontinenten aufgewachsen – in Frankreich und den USA. Dieser Reichtum an Kultur und auch an kulturellen Konflikten hat aus ihm einen wundervollen Menschen gemacht. Und er sieht so jung aus auf den Aufnahmen – manchmal, als wäre er erst 14 Jahre alt. All das ist Paul Atreides. Im Anschluss kümmerte ich mich um die Mutter. Nach Paul ist Lady Jessica die wichtigste Hauptfigur. Für mich geht es wesentlich um diese Verbindung zwischen Sohn und Mutter und die Entwicklung dieser Beziehung im Film. Rebecca Ferguson drängte sich mir in diesem Zusammenhang auf. Ich musste nur sicher stellen, das Rebecca selbst glauben würde, sie könnte die Mutter von Timothée sein. Und so baute ich von diesem Punkt aus weiter meine Pyramide. Fast alle Schauspieler, die wir bekommen haben, sind meine erste Wahl gewesen. Da gab es nur wenige Ausnahmen. Jeder einzelne war begeistert, an der Adaption dieses Buches mitzuwirken. Es war ein langer Prozess, weil sehr viele Rollen besetzt werden mussten, aber wenn ich einmal den Kontakt aufgebaut hatte, war es einfach, die Leute an Bord zu bekommen. Ich habe keine Kompromisse gemacht und bin sehr stolz auf den Cast. Ja, es gibt viel Star-power, aber am Ende ist das nicht wichtig. Das Wichtigste ist, dass all diese Schauspieler den Charakterbeschreibungen
von Frank Herbert und dem Geist des Buches sehr nahe kommen.
„Dune“startet als Teil eins in den Kinos. Können Sie uns vielleicht schon etwas über den zweiten Teil verraten?
Nein – aber Sie können ja das Buch lesen. Das gibt es überall zu kaufen (lacht). Aber tatsächlich bin ich dafür verantwortlich. Als das Studio entschieden hatte, dass ich „Dune“umsetzen sollte, habe ich gleich gesagt, dass ich nicht bloß einen Film machen kann – das wäre der größte Fehler gewesen. Bei nur einem Film wäre das Risiko viel zu hoch, an dem Projekt zu scheitern. Die Geschichte hat so viele Aspekte. Die Schönheit des Buches liegt in den Details. Die religiösen Elemente, die ökologischen Elemente, all das ist so dicht, dass ich mehr als einen Film brauchte. Zu meinem großen Vergnügen und meiner Erleichterung, haben sie Ja gesagt. Und jetzt die Wahrheit: Mein Traum war es, beide Filme in einem Durchgang zu drehen. Das war mein Plan A, der abgelehnt wurde, weil es zu teuer gewesen wäre. Also fokussierten wir uns erst auf Teil 1. Ich bin so glücklich, dass wir es so gemacht haben, denn sonst wäre ich jetzt tot! Der erste Film war so aufwendig und auch körperlich fordernd. Ich habe darauf bestanden, direkt in der Wüste zu drehen. Am Ende der Aufnahmen waren alle sehr glücklich, aber auch sehr erschöpft. Es waren wirklich anspruchsvolle Dreharbeiten. Ich kann mir nicht denken, wie wir es hätten schaffen sollen, beide Filme direkt hintereinander zu drehen. Ich hab keine Ahnung, wie Peter Jackson das gemacht hat. Er hat all meinen Respekt. Es ist so anstrengend! Ich musste sicher gehen, zuerst das Fundament zu legen und eine Tür nach der anderen zu öffnen anstatt sofort ein komplettes Haus bauen zu wollen.