Am Abgrund
Zwei Monate noch, dann wird in Bayern gewählt. Und die Umfragen verheißen nichts Gutes für die mit absoluter Mehrheit regierende CSU. Mal kommt sie auf 39, mal auf 37 Prozent – Tendenz sinkend.
Dass diese Zahlen in München für Zähneklappern sorgen, versteht sich von selbst. Sollte die CSU tatsächlich eine Megapleite einfahren, wären die Auswirkungen bis nach Berlin zu spüren. Und trotz des zurückliegenden Flüchtlingsstreits halten sich die Rachegelüste dort in Grenzen. Denn weder Kanzlerin noch CDU hätten bei einer Niederlage der Christsozialen etwas zu gewinnen.
Natürlich geben sich die Wahlkämpfer von Ministerpräsident Markus Söder bis Parteichef Horst Seehofer bislang beinhart optimistisch: In acht Wochen könne noch viel passieren, viele Wähler seien noch unentschlossen, der Wahlkampf gehe erst nach dem Ende der Schulferien so richtig los.
Doch ebenso natürlich kursieren bereits Szenarien: Was, wenn der
14. Oktober für die CSU wirklich krachend in die Hose geht? Dann wird es Sündenböcke geben müssen – und vermutlich wird einer davon Horst Seehofer heißen. Auch für den erst seit wenigen Monaten regierenden Markus Söder könnte es eng werden.
Seehofer weg, CSU geschrumpft – man sollte meinen, dass solche Aussichten Angela Merkels notorisch abwärts zeigende Mundwinkel ein wenig anheben könnten. Was hat sie sich bieten lassen müssen von dem Mann aus Ingolstadt: Er stellte ihr Ultimaten und ihre Richtlinienkompetenz in Frage und nannte sie „die Person, der ich in den Sattel verholfen habe“.
Nicht nur persönlich, auch politisch ließe sich eine Schlappe der CSU als Triumph der Kanzlerin deuten: Als Sieg ihrer Flüchtlingspolitik über die Zurückweisungsträume der Bayern. Doch die Vision einer kleinlauten CSU ist ein Irrtum.
Denn erstens würden die Merkel-kritiker in Bayern die Schuld für die Verluste umgehend vor dem mintgrünen Zaun des Kanzleramts abladen. Zweitens ist die Politik auch in diesem Fall kein Nullsummenspiel. Was schlecht ist für die CSU, ist noch lange nicht gut für die CDU. Das Erfolgsmodell
Das Erfolgsmodell der Union beruht auf der gegenseitigen Aufwertung von CDU und CSU.
beruht vielmehr auf gegenseitiger Aufwertung, was vor allem die Christdemokraten in Hessen im Blick haben. Dort wird zwei Wochen nach den Bayern gewählt. Und drittens dürfte es auch mit einer möglichen neuen Csu-spitze für Merkel anstrengend bleiben: Alexander Dobrindt ist nicht unbedingt der Mann des Ausgleichs.
Die größten Sorgen in Berlin aber bereitet das Stichwort Unberechenbarkeit. Schon das Spektakel im Flüchtlingsstreit war eigentlich ein verzweifeltes Um-sich-schlagen der CSU, um das Abrutschen in Bayern zu verhindern. Was mag da also entfesselt werden, wenn sich die CSU am Wahlsonntag nicht mehr nur am, sondern im Abgrund wiederfindet?
All das aber belegt, dass die große strategische Frage „Wie reagieren auf das Erstarken der AFD“zwischen CDU und CSU weiter ungelöst ist. Und daher jederzeit neue Explosionen auslösen kann.