„Luft wird immer besser“
Steffen Bilger, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, gibt den Grünen die Schuld dafür, dass Stuttgart zur Tabuzone für Euro-4-diesel wird.
Bei den Koalitionsverhandlungen mit den Grünen im Land hat Steffen Bilger 2016 für die CDU den Verkehrsbereich federführend verhandelt. Als Staatssekretär in Berlin hat er die Verkehrspolitik im Land weiter genau im Blick.
In Stuttgart gibt es ab 2019 Fahrverbote für Diesel der Euronorm 4 und schlechter. In der CDU hadern viele trotz entsprechender Gerichtsurteile mit der Entscheidung. Sie auch? Steffen Bilger:
Bundesweit gibt es bisher nur Beschlüsse für Fahrverbote in Städten, wo das politisch zumindest zum Teil auch gewollt war. Hamburg konnte es kaum erwarten. In Stuttgart war und ist ein großer Teil der Grünen für Verbote. Daher rührt der Verzicht auf eine Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil, mit der das Land Zeit gewonnen hätte und neue Entwicklungen wie die stark gesunkenen Messwerte berücksichtigt worden wären. Fahrverbote ab Januar 2019 würde es dann nicht geben.
Die Entscheidung, nicht in Berufung zu gehen, hat der CDU-TEIL der Landesregierung doch mitgetragen.
Als Koalitionspartner im Land muss die CDU auch schmerzhafte Kompromisse mit den Grünen eingehen. Aber das Problem hat viel früher begonnen. So hätte längst mehr für den Verkehrsfluss in Stuttgart getan werden können. Da gab es in der Vergangenheit Versäumnisse, die möglicherweise kalkuliert waren, um eine Situation zu schaffen, in der Fahrverbote nicht mehr zu vermeiden sind.
Was meinen Sie damit?
Als die Grünen im Bund regiert haben, haben sie von Berlin aus mit verhindert, dass wir in Stuttgart durch Investitionen in Umgehungsstraßen den Talkessel deutlich vom Durchgangsverkehr entlasten. Hätte man damals den Nord-ost-ring und die Filderauffahrt gebaut, hätten wir heute Berechnungen zufolge keine Probleme in Stuttgart. Nun opponieren die Grünen im Land dagegen. Noch hoffe ich auf die Einsicht, dass der Aus- und Neubau von Straßen eben auch Teil der Lösung ist. Das Maßnahmenpaket der Landesregierung vom Juli enthält einen klaren Auftrag an den Verkehrsminister, eine Konzeption zur Umsetzung im Kabinett vorzulegen.
Wo drohen noch Fahrverbote?
Aktuell verstoßen noch 65 Städte gegen die Grenzwerte, bei den meisten dürfte es bis Jahresende Entwarnung geben, bei vielen weiteren 2019. Die Luft wird dank der Erneuerung der Fahrzeugflotte auf unseren Straßen und gezielter Maßnahmen der Politik immer besser. Ziel muss es auch sein, die Fahrverbote in Stuttgart und Hamburg rasch wieder obsolet werden zu lassen.
Wann könnte das der Fall sein?
Das ist leider schwer vorherzusagen. Dafür gibt es zu viele Einflussfaktoren. Der heiße Sommer zum Beispiel hilft nicht, die Grenzwerte schneller einzuhalten.
Sie sehen die Standorte der Messstellen kritisch. Warum?
Es gibt eine Aufforderung der Verkehrsministerkonferenz der Länder an uns, die Standorte der Messstellen stichpunktartig zu überprüfen. Dem kommen wir gerne nach. Mich hat aber irritiert, dass Baden-württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann gegen diesen Mehrheitsbeschluss gestimmt hat. Eigentlich hat die Landesregierung verabredet, alles zu tun, um Fahrverbote zu vermeiden. Dazu gehört auch zu prüfen, ob Messstellen entsprechend den Vorgaben errichtet wurden. Unserer Aufforderung an die Länder, Standorte zur Prüfung durch den Deutschen Wetterdienst zu nennen, ist Winfried Hermann bisher auch nicht nachgekommen. Dabei wäre der Standort Neckartor idealtypisch für eine kritische Überprüfung.
Sie wollen die Messstelle versetzen?
Es ist nicht mein Ansatz, Messstellen zu versetzen, bis die Werte stimmen. Es geht uns darum, Lehren für die Zukunft zu ziehen, für die vielen Messstellen, die noch aufgestellt werden. Baden-württemberg hat den Weg gewählt, die Messstellen sehr nah an der Straße aufzustellen, die EU erlaubt aber bis zu zehn Meter Abstand. Wir investieren Milliarden, um an den Messstellen Grenzwerte einzuhalten, die ein paar Meter weiter vielleicht längst erfüllt sind. Da gibt es auch eine Sorgfaltspflicht bei der Messung.
Das einfachste Instrument zur Kontrolle von Fahrverboten wäre eine Blaue Plakette für Autos, die die Anforderungen erfüllen. Warum ist Ihr Ministerium dagegen?
Wir sind aus guten Gründen gegen die Blaue Plakette. Wir müssten sonst für Millionen Fahrzeuge Blaue Plaketten verteilen, obwohl die Frage Fahrverbote bundesweit nur in einzelnen Städten virulent ist. Der Wertverlust für Fahrzeuge ohne Blaue Plakette würde sich zudem noch einmal verschärfen.
Wie soll das Fahrverbot in Stuttgart dann kontrolliert werden?
Da müssen das Land und die Stadt eine Lösung finden. Das kann der Bund ihnen nicht abnehmen.
Mehr Fragen an Steffen Bilger und seine Antworten auch zur Hardware-nachrüstung von Diesel-autos: www.swp.de/fahrverbote
Es ist nicht mein Ansatz, Messstellen zu versetzen, bis die Werte stimmen.