„,Wat nu?’ – das frage ich mich auch“
Rötger Feldmann legt nach 14 Jahren Pause seinen 13. „Werner“-band vor. Außerdem rüstet sich der 68-jährige Autor, Zeichner und Motorrad-fan zu einem dritten Kräftemessen mit Rivale Holgi.
BTorfrocks Song vom ersten „Werner“-film ist seit 1990 Teil der deutschen Kultur. Ein unangepasster norddeutscher Zeichner namens Brösel hat 1981 den Mainstream erreicht – und mit seinen witzigen Comics um den „beinharten“Klempner-lehrling und Mopedschrauber nachhaltig beeinflusst. Über Nacht waren alle ein bisschen Rocker. Auf einmal sagte noch der schwäbischste Dorffuzzi „Tach“statt „Grießgodd“, „Gass-wassä-scheiße“statt „Installateur“und sprach „beinhart“ohne ein wie auch immer artikuliertes „r“aus.
Rötger Feldmann alias Brösel hat mit seinen Büchern und darauf basierenden Animationsfilmen den Soziolekt von Motorradcliquen zusammen mit der norddeutschen Sprach- und Lebenswirklichkeit republikumspannend wohnzimmertauglich gemacht. Heute zählt der 68-Jährige aus Schleswig-holstein zu den erfolgreichsten deutschen Comic-autoren. Nach 14 Jahren Pause legt er mit „Werner – Wat nu?“den 13. Band um seinen Antihelden vor.
Rötger Feldmann:
So, hallo!
Hallo! Wie darf ich Sie ansprechen, Herr Feldmann oder lieber Brösel?
Schreiben Sie doch „Rötger Feldmann alias Brösel“und reden mich dann mit „Brösel“an. Die Leute kennen mich ja so.
Nennen Sie auch Freunde und Familie so oder ist es ein Künstlername?
Früher nannten mich manche Leute aus der Motorrad-clique „Brösel“. Meine Freunde sagten, „da kommt wieder Brösel mit seiner Horex“, weil die hat als Einzylinder immer so vibriert und wenn ich da Vollgas fahren musste, weil die andern schnellere Motorräder hatten, dann sind die Schrauben abgefallen. Das Motorrad hat sich praktisch zerbröselt.
Und Werner ist Ihr Zweitname?
Ja. Mein Vater wollte gerne, dass ich Rötger heiße, weil er auch so heißt. Da war aber noch mein Opa. Und der Erstgeborene, der kriegt ja immer die ganzen Namen von Onkels und Tanten um die Ohren gehauen, und deshalb heiß’ ich Rötger Werner Friedrich Wilhelm. Aber mein Rufname ist Rötger, der ist im Pass schwarz unterstrichen (kichert). R-Ö-T-GE-R geschrieben, das wird nämlich oft falsch geschrieben.
Es heißt, Sie hätten mehr als 12 Millionen Bücher verkauft. Stimmt das oder sind es inzwischen noch mehr?
Das weiß ich auch nicht so genau. Wir haben ja nun wirklich viele Bücher gemacht, von 1 bis 13, und dann gab’s ja noch viele Sammelbände und etliche Biografiebücher, die der Verlag damals veröffentlicht hat . . . Der bestverkaufte Band hat eine Auflage von 750 000 gehabt. Wenn man alle Bücher zusammenzählt, kann das schon hinkommen. Aber ich hab das nicht gezählt.
In den 80er und 90er Jahren waren Sie jedenfalls megaerfolgreich. Da gab es ja auch diesen Song, „Beinhart“, und die Filme . . .
Das stimmt, das war die Zeit, wo der Hype am größten war.
Und heute? Ist Werner zeitgemäß?
Ich denke schon. Wir haben das Buch für die kurze Zeit, wo es auf dem Markt ist, schon sehr, sehr gut verkauft. Der Mann von der Verlagsauslieferung, der hat mit den Ohren geschlackert, weil der das nicht geglaubt hatte. Auf dem Comicsalon Erlangen haben wir’s zum ersten Mal vorgestellt und da war ’ne Riesenschlange, Jung und Alt und alles durcheinander, das war schon ein Riesenerfolg.
Werner betreibt im neuen Buch Fortschrittsund Gesellschaftskritik, Fracking und Trump kommen vor, Gorleben als Wimmelbild. Fast scheint es, dass sich da so viel gar nicht verändert habe . . ?
Das Lustige ist ja, dass ich ein Bild 1982 schon mal in einem meiner Bücher hatte. Da war Ronald Reagan an der Regierung und damals waren wir auch sauer auf den. Das war ja so’n Raketenkasper, nä? Da brauchte ich nur das „R“gegen ein „D“austauschen. Das fand ich schon erstaunlich.
Aber Ihr Stil hat sich gewandelt.
Ich bin ein wenig versaut durch die digitale Welt. Am Computer kann man alles viel akribischer zeichnen. Und durch die Filme ist Werner zur dreidimensionalen Figur herangewachsen. Ich weiß nicht, ob das jetzt schöner ist?
Worum geht es in „Wat nu?“: Zweifel, Innenschau, Älterwerden?
Werner ist etwas ratlos auf dem Titel, nicht? Das ist nicht schön eigentlich, weil er hat keinen Elan. Das gibt aber auch zu denken und macht vielleicht neugierig. Ich frage mich auch: „Wat nu?“. Es ist gerade so eine Zeit des Umbruchs. Wie im 19. Jahrhundert, als das Maschinenzeitalter anfing, folgen jetzt Digitalisierung und Globalisierung. Manche kommen damit nicht klar.
Doch Werner ist bereit . . .
. . . für neue Abenteuer, ja. Das ist doch niedlich, wie er da mit seinem kleinen Neffen zum Sandstrahlen will? Da prallen die Skateboard-welt und die alte Welt aufeinander (lacht). Werner übertreibt da ordentlich. Deshalb sagten mein Neffe und die Nichten, wie die klein waren, zu mir „Onkel Angeber“. Weil ich immer mit dicken Autos rumgeprollt und so Geschichten erzählt hab aus meinem Leben.
Gesprochene Sprache spielt in Ihren Comics eine wichtige Rolle?
Wenn ein „g“kommt, mach ich einfach ’n „ch“draus, also etwa bei „guten Tag“. So reden wir nicht. Wir sagen „gutn Tach“, nä?
Als süddeutscher Leser muss man Sprüche wie „Ik mutt em gau daalbring, süns’ gifft dat ‘n Mallöör!!“zweimal lesen, bevor’s klingelt.
Ja, der Kranführer, wo Werner auf dieser Eisenplatte landet und Pirouetten dreht, spricht richtig Plattdeutsch. Den haben Sie überhaupt nicht verstanden, was?
Genau.
„Daalbring“heißt „runterbringen“und „gau“heißt „ganz schnell“.
Und was ist ein „Klapskalli“?
Das sagt man, wenn einer nicht ganz dicht ist. Das hat mit Klapsmühle zu tun.
Ins Schwäbische hielt vor 37 Jahren auch schon der „Bölkstoff“Einzug.
Das Wort „bölken“hat meine Großmuter immer gesagt, wenn wir Kinder laut waren. ,Wat bölks ’u hier rum?’ Bölkstoff heißt „Schreistoff“. Unser Bier. Das haben die Wikinger schon gesagt.
Ihr neuer Verlag hat auch einen interessanten Namen: Bröseline.
Genau, das kann man international oder deutsch aussprechen. Als Kunstlinie oder als meine Frau, die den Verlag macht. Wir wollen die alten Bücher wieder neu verlegen. Ich finde es toll, dass wir endlich mal selbst davon profitieren und dass sich nicht andere die Kohle in die Tasche stecken.
Ein eigener Verlag macht aber sicher auch viel Arbeit?
Natürlich ist das viel Arbeit. Meine Frau, die rotiert (lacht). Ohne Ende. Ich muss mittlerweile die Blumen gießen und den Abwasch machen, verkomme langsam zum Hausmann. Wenn das so weitergeht, kann ich bald keine Bücher mehr machen . . .
Und jetzt tun Sie sich auch noch das dritte Rennen gegen Holgi an . . .
Das macht ja auch Spaß! Jüngst haben wir Testfahrten gemacht mit dem Motorrad. Ich muss nur noch Gas geben, nicht mehr schalten. Das war imposant, wie das Ding an uns vorbeiknallte, vier Motoren hintereinander.
Gewinnen Sie dieses Mal?
Ich hoffe es, nä? Wir gaben uns Mühe. Aber Holgi schläft auch nicht. Der hat auch seine Leute, die seinen Porsche tunen. Der hatte ja mal die Phase, dass er 500 PS reinmachen wollte. Da sehen wir dann schon wieder ganz schön alt aus mit unserem Motorrad-schrott da. Im Moment sind wir beide in der Erprobungsphase: Holgi testet und ich auch.
Das ungekürzte Interview lesen Sie unter www.swp.de/broesel