Viel Beifall aus der Wirtschaft
Die Bundesregierung will die Beschränkung auf bestimmte Berufe mit Fachkräftemangel und die Vorrangprüfung kippen. Dem Deutschen Gewerkschaftsbund geht das Ganze etwas zu weit.
Als „positives Signal an die Betriebe und ausländischen Fachkräfte“, lobt der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Eric Schweitzer, die Eckpunkte der Bundesregierung zur Fachkräftezuwanderung. „Die grobe Fahrtrichtung stimmt“, sagt Arbeitgeber-präsident Ingo Kramer und bremst etwas die Euphorie, die auch im Handwerk zu spüren ist.
Schon lange hatte die Wirtschaft gefordert, die Zuwanderung von Fachkräften mit qualifizierter Berufsausbildung von Ländern außerhalb der EU zu erleichtern. Die Eckpunkte, auf die sich Innen-, Wirtschafts- und Arbeitsministerium geeinigt haben, greift dies auf. Sie sollen angeblich schon am 29. August vom Bundeskabinett beschlossen werden. Das nötige Gesetz könnte der Bundestag noch in diesem Jahr verabschieden.
„Schon heute fehlen 1,6 Millionen Arbeitskräfte“, beklagte Schweitzer. Daher seien neben
Es fehlen 1,6 Millionen Arbeitskräfte.
großem Engagement bei inländischen Jobsuchenden dringend auch bessere Zuwanderungsregeln erforderlich. Beides findet sich auch in dem Eckpunktepapier wieder. „Mit einem Fachkräfteeinwanderungsgesetz regeln wir klar und verständlich, wer zu Arbeits- und Ausbildungszwecken zu uns kommen darf und wer nicht“, heißt es da. Im Mittelpunkt stehen nicht Akademiker, die heute schon häufig mit einer „Blue Card“in Deutschland arbeiten können, sondern Fachkräfte mit einer qualifizierten Berufsausbildung, die mit einer deutschen Lehre vergleichbar ist.
Auch künftig soll geprüft werden, ob eine Qualifikation gleichwertig ist, und zwar „möglichst schnell und unkompliziert“. Dagegen soll die Beschränkung auf Engpassberufe ebenso wegfallen wie eine Vorrangprüfung, ob kein inländischer Bewerber zu finden ist. Zur Suche eines Arbeitsplatzes bekommen die Fachkräfte die Möglichkeit eines befristeten Aufenthalts; wie lange, ist noch offen. Zudem soll der Zugang zur Berufsausbildung verbesert werden.
All das hält Kramer im Prinzip für richtig. Bei der Anerkennung von Ausbildungen fordert er allerdings eine Beschleunigung der Verwaltungsverfahren. Es müsse möglich sein, dass Bewerber mit einer abgeschlossenen Ausbildung auch dann eine Arbeit aufnehmen können, „wenn diese nicht zu 100 Prozent formal einer deutschen Ausbildung entspricht“. Zudem müssten die Aufgaben der über 600 Ausländerbehörden gebündelt werden.
Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer wünscht sich zudem eine Übergangsregelung für Flüchtlinge mit guten Deutschkenntnissen, einem stabilen Ausbildungsoder Beschäftigungsverhältnis sowie „einer aktiven Integration in die deutsche Gesellschaft“.
Diese Möglichkeit des „Spurwechsels“hält auch Dgb-vorstandsmitglied Annelie Buntenbach für richtig. Dagegen möchte sie die Zuwanderung beschränken: Sie hält es für falsch, die Positivliste von Berufen abzuschaffen, in denen sie möglich ist. Stattdessen will sie den Bedarf in einzelnen Branchen gemeinsam mit den Sozialpartnern analysieren und über die Zuwanderung entscheiden.
In Baden-württemberg fehlten derzeit rund 308 000 Fachkräfte. Dies werde sich bis 2030 fast verdoppeln, sagte der Präsident des Baden-württembergischen Industrie- und Handelskammertags, Wolfgang Grenke, der SÜDWEST PRESSE. Daher sei es höchste Zeit für ein Zuwanderungsgesetz. Zudem seien in jedem dritten Betrieb Lehrstellen unbesetzt.
Dem Handwerk fehlen 45 000 Fachkräfte, ergänzte der Hauptgeschäftsführer des Baden-württembergischen Handwerkstags, Oskar Vogel. Er begrüßte, dass die Bundesregierung von einem Punktesystem abgerückt sei, das aufwändig und politisch instrumentalisierbar wäre. Auch er forderte eine Härtefallregelung für gut integrierte Flüchtlinge.