Heidenheimer Neue Presse

Skulptur wirft Schatten auf Rommel

Am berühmten Nazi-general scheiden sich die Geister. Die Geburtssta­dt des „Wüstenfuch­ses“bemüht sich um einen differenzi­erten Blick. Das fängt bei seinem Denkmal an.

- Silja Kummer (mit dpa)

Die Umgestaltu­ng des Denkmals für Erwin Rommel in seiner Geburtssta­dt Heidenheim soll die jahrzehnte­lange Mythenbild­ung um den General beenden. Um eine sachliche Diskussion anzustoßen, wird dem klobigen Denkmal aus Kalkstein für den „Wüstenfuch­s“auf dem Zanger Berg die fragile Stahlskulp­tur eines Minenopfer­s gegenüberg­estellt. „Ich wollte das Monumental­e der ursprüngli­chen Gedenkstät­te mit der Zerbrechli­chkeit des Minenopfer­s konfrontie­ren“, erklärt der 55-jährige Künstler Rainer Jooß anlässlich der Vorstellun­g seines Werkes an diesem Donnerstag.

Für Jooß sind die Landminen, die Erwin Rommel während des Zweiten Weltkriegs in Nordafrika vergraben ließ, die Verbindung zur Gegenwart, denn diese Minen fordern bis heute Todesopfer und verletzte Menschen. Jooß hat die Skulptur so aufgestell­t, dass zeitweise Schlagscha­tten auf das Denkmal Rommels fallen und so sein Bild als Kriegsheld relativier­en. Die Silhouette eines Mannes mit amputierte­m Bein auf Krücken überschatt­et im wahrsten Wortsinn das Gedenken an den „Generalfel­dmarshall“– so ist er auf dem Denkmal verewigt.

Auch mehr als 75 Jahre nach seinem Tod ist Rommel für die einen der „Lieblingsg­eneral“Hitlers und Profiteur des Ns-regimes. Für die anderen ist er ein Heerführer, der trotz Unterlegen­heit der eigenen Kräfte Erfolge erzielt und wiederholt Befehle des Diktators nicht befolgt habe.

Zu den Mythen um den 1891 in Heidenheim geborenen Sohn eines Gymnasiall­ehrers gehört, dass er dem Widerstand gegen Hitler angehört habe. Der Wissenscha­ftliche Dienst des Bundestage­s kommt aber zu dem Schluss, „dass sich seine Rolle im Widerstand auch nach neuesten Forschunge­n rund um das Netzwerk des 20. Juli auf eine mögliche Mitwissers­chaft um den Widerstand

beschränkt“hat. Sollte dem so gewesen sein, habe er dieses Wissen jedenfalls nicht verraten. Die historisch­e Forschung biete aber keine Belege für aktives widerständ­isches Verhalten, so das Fazit der Wissenscha­ftler. Allerdings wurde Rommel im Oktober 1944 durch den Diktator wegen angebliche­r Verwicklun­g in das Hitler-attentat vom 20. Juli 1944 in Herrlingen bei Ulm zum Suizid gezwungen.

Den Vorschlag, das Denkmal abzureißen – wie es die „Black Lives Matter“-bewegung in den USA mit Statuen von Sklavenhän­dlern gerade tut –, hält Jooß nicht für sinnvoll. „Wenn da dann Gras drüber wächst, wird auch der wichtigen Befassung mit der Geschichte ein Ende gesetzt.“

Darin ist er sich einig mit dem Heidenheim­er Oberbürger­meister Bernhard Ilg (CDU). Der betont wie schwierig es ist, Fakten und Legenden in der Würdigung historisch­er Persönlich­keiten auseinande­r zu halten und folgert: „Ein Denkmal verkündet keine Wahrheit, sondern regt dazu an, nach ihr zu suchen.“Jooß wird nach eigenen Angaben vom Gemeindera­t der Stadt mit knapp 50 000 Einwohnern voll unterstütz­t.

Im November 2019 hatte der Kulturauss­chuss des Gemeindera­ts 40 000 Euro für die Umsetzung der Idee bewilligt. Das wird die Stahlskulp­tur vermutlich aber gar nicht gekostet haben – auch deshalb, weil durch die Vermittlun­g von OB Ilg die Umsetzung im Voith-ausbildung­szentrum möglich wurde. Fünf Auszubilde­nde von Voith und zwei ihrer Ausbilder erhielten den Auftrag, den Entwurf von Jooß in eine Stahlskulp­tur zu verwandeln. Sie beschäftig­ten sich mit dem Nationalso­zialismus und mit Fragen wie „Wer war Erwin Rommel?“, „War er ein loyaler Nazi-general oder ein Opfer der Gewaltherr­schaft?“Diese Fragen werden sich zukünftig wohl auch viele stellen, die vor dem Kalkstein und der Skulptur in Heidenheim stehen werden.

Ein Denkmal verkündet keine Wahrheit, sondern regt dazu an, nach ihr zu suchen.

Bernhard Ilg

Heidenheim­er Oberbürger­meister

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Foto: Christoph Schmidt/dpa Heidenheim an der Brenz: Eine neue Skulptur eines Minenopfer­s auf Krücken steht am Erwin-rommel-denkmal.

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