Kühlwetter schießt den HSV von Platz eins
Er trifft und trifft und trifft: Gegen den Hamburger SV schlug Stürmer Christian Kühlwetter gleich dreimal zu. Sein drittes Tor in der 90. Minute bedeutete dabei den Sieg über den vorherigen Tabellenführer. Was war los beim 3:2 auf dem Schlossberg?
Er kommt aus dem Strahlen nicht mehr raus. Christian Kühlwetter, den Fußball hinten ins Trikot gestopft, steht er an der Seitenlinie, klatscht ab, hier und da, geht gelassen und mit einem Lächeln übers ganze Gesicht zum Interview. Besser hätte es für den Stürmer gestern nicht laufen können: Ein Dreierpack. Gegen den HSV. Davon wird er heute Nacht noch geträumt haben.
Die Hamburger scheinen dem FCH einfach zu liegen, nach zwei Siegen schon in der vergangenen Saison gelang auch dieses Mal eine kleine Sensation – fiel der Siegtreffer schließlich nicht irgendwann, sondern in typisch spannender Heidenheim-manier erst in der 90. Minute. Hamburg steht damit nicht mehr auf dem ersten Platz der Tabelle, sondern Greuther Fürth, während Heidenheim einen Sprung von Platz zwölf auf Platz neun macht und vor allem in Sachen Selbstvertrauen wächst.
Kühlwetter mit acht Treffern
Sprach vor dem Spiel noch jeder von Simon Terodde, mit bisher neun Treffern Anführer der Torjäger in der 2. Liga, gelang es Kühlwetter jetzt mit acht Treffern sogar, gefährlich nah an den Hamburger heranzukommen. Terodde hingegen blieb gegen den FCH unauffällig.
Und während Kühlwetter auf Heidenheimer Seite der Mann der Stunde war, so schaute auf Hamburger Seite nach Abpfiff jeder auf Sven Ulreich, der, wie er zuvor im Interview gesagt hat, in München ein anderer Torwart geworden ist und dem Heidenheim durch dessen Geburtsort Schorndorf schon vor dem Schritt in den Profifußball zumindest ein Begriff war. Gern erinnern wird er sich an die Stadt jetzt nicht mehr, war sein Fehler doch entscheidend für das 3:2 des FCH kurz vor Schluss.
„Er hat uns auch schon das ein oder andere Mal im Spiel gehalten. Damit muss er umgehen können und wir auch. Da brauchen wir keinen spielstärkeren Torhüter, sondern vielleicht einfach mehr Qualität am Ball“, beantwortete sein Trainer Daniel Thioune sichtlich getroffen nach der Partie die Fragen der Journalisten.
„Ja, wir stecken in einer Krise. Da werden wir zurecht kritisiert“, räumte er ein.
Für Heidenheim hingegen läuft es immer besser. Ein Sieg daheim gegen Würzburg, ein Punkt in Kiel, jetzt der nächste Sieg zu Hause. Von Beginn an haben es die Gastgeber ihrem Gegner gestern schwer gemacht, sein Spiel durchzuziehen. Zwar war der HSV erst die dominante Mannschaft, der FCH aber störte früh und zeigte gutes Gegenpressing. Trotzdem lag die Mannschaft nach 24 Minuten 0:2 hinten.
Wieder der Videoassistent
Gegentreffer Nummer eins: Heidenheim lässt sich auskontern und eine maßgeschneiderte Flanke von Manuel Wintzheimer genau auf den Fuß von Sony Kittel zu, der nur noch einschieben muss. Gegentreffer Nummer zwei: Wieder kommt Wintzheimer zum Zug, diesmal nach einer Ecke, und bringt die Kugel zu Toni Leistner, der sie im Netz unterbringt. Zwar musste erst der Videoassistent eingeschaltet werden, weil Wintzheimer wohl mit dem Arm am Ball war, der Treffer aber zählte. „Wir standen mit dem Rücken zur Wand“, so Fch-trainer Frank Schmidt. „Aber dann kam unser Gesicht zur Geltung.“
Und so jubelte nur drei Minuten später seine Mannschaft. Den Anschlusstreffer besorgte Christian Kühlwetter, der im Moment immer den richtigen Riecher und die nötige Abgeklärtheit vor dem Tor beweist. Nach der ersten Heidenheimer Ecke brachte Norman Theuerkauf den Ball im zweiten Anlauf zu Kühlwetter und der köpfte ihn in den Kasten. 1:2 also, die Lage sah gleich wieder etwas anders aus, und Schmidt veranlasste zudem noch vor der Pause den ersten Wechsel. „Es war wichtig, dass wir wieder umstellen. Wir haben erst mit einer Dreier- beziehungsweise Fünferkette gespielt, hatten aber keinen Zugriff.“So nahm er mit Oliver Steurer einen Innenverteidiger vom Feld und brachte Mittelfeldspieler Florian Pick, der im weiteren Verlauf des Spiels auch immer wieder vors Tor kam, dem aber kein Treffer gelingen sollte.
Ganz anders Kühlwetter. Kurz vor der Pause erzielte er den Ausgleich, so dachte man zumindest kurz, doch die Fahne war oben. Ein zweites Mal schaltete sich der Videoassistent ein, es blieb beim 1:2, aber nur noch drei Minuten. Tatsächlich klingelte es dann schon wieder im Hamburger Kasten – und zwar noch vor der Halbzeit. Nach einem langen Ball war es diesmal Denis Thomalla, der vorm Tor noch auf Kühlwetter abspielte und dann zusehen konnte, wie der zum 2:2 verwandelt. Damit ging der FCH in eine „völlig offene zweite Halbzeit“, wie Schmidt sagte.
Eine viertel Stunde nach Wiederanpfiff nahm er Andreas Geipl vom Feld, weil der schon Gelb gesehen und einen Schlag auf die
Rippen abbekommen hatte. „In so einem intensiven Spiel brauche ich aber einen vor der Kette, der zu einhundert Prozent in die Zweikämpfe gehen kann“: Dženis Burnić.
Zwar blieb es ein intensives Spiel, vor den Toren passierte aber kaum noch etwas. Einmal versuchte sich Kühlwetter als Vorbereiter, sein Abnehmer Pick schoss aber drüber. Insgesamt waren die Heidenheimer mehr am Drücker, erspielten sich mit der Zeit die ein oder andere Möglichkeit, während von Hamburg gar nichts mehr kam. Bis kurz vor Schluss hat es gedauert, ehe sich Terodde doch mal zeigte. Aus der Drehung schoss aber auch er übers Tor.
Und so brach die 90. Minute an. Alles deutete auf ein Unentschieden, auf einen Punkt hin. Schmidt entschied sich für zwei weitere Wechsel. Und noch während der Stadionsprecher die Auswechslungen verkündete, setzte Kühlwetter doch tatsächlich ein drittes Mal den Ball in die Maschen. 3:2 für den FCH, erneut haben die Heidenheimer einen 0:2-Rückstand aufgeholt, der Sieg war zum Greifen nah. Hamburgs Keeper Ulreich war beim Abstoß der Ball versprungen, Kühlwetter indes sofort zur Stelle und der fackelte nicht lange.
Drei Minuten noch musste der FCH für drei Punkte überstehen. Das Kunststück gelang – und Schmidt war sichtlich zufrieden: „Die Leistung war grandios.“
Wir brauchen keinen spielstärkeren Torhüter, sondern vielleicht einfach mehr Qualität am Ball.